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Gegenwind für Argentiniens Macri Rechtskurs

Eingereicht on 26. Februar 2016 – 18:49

Jürgen Vogt. Tausende Argentinier und Argentinierinnen protestieren beim Generalstreik gegen die Entlassungswelle des neuen Präsidenten. Beim Generalstreik in Argentinien wurden Forderungen an den Präsidenten Macri bekundet: Schluss mit der Entlassungswelle, bessere Arbeitsbedingungen und Stopp der Kriminalisierung der Proteste.

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»Es ist beklemmend, wenn wir es nicht schaffen, die Entlassung eines Kollegen zu verhindern«, sagte Hugo Godoy, Generalsekretär der staatlichen Angestelltengewerkschaft (ATE). Die ATE hatte am Mittwoch zu einem Streiktag gegen die Entlassungswelle im öffentlichen Dienst aufgerufen. Tausende von öffentlich Beschäftigten bei Staat, Provinzen und Kommunen haben bereits ihre Entlassungsschreiben erhalten.

Während die Arbeitsniederlegungen in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben durchwachsen ausfielen, marschierten nach Polizeiangaben rund 30 000 Menschen auf der Plaza de Mayo vor dem Präsidentenpalast in der Hauptstadt Buenos Aires.

Nach Angaben der Gewerkschaft wurden bisher 21 000 Beschäftigte entlassen. Davon 8000 beim Staat, 13 000 in den Provinzen und Kommunen. Bisher konnte lediglich erreicht werden, dass die Entlassungen von rund 5000 Beschäftigten in den Provinzen und Kommunen rückgängig gemacht werden konnten.

Bisher hat die Regierung 6200 Entlassungen aus dem Staatsdienst bestätigt und noch am Tag vor dem Protesttag nachgelegt: Zu den bereits Entlassenen könnten in den kommenden Wochen noch bis zu 25 000 hinzukommen, verkündete Modernisierungsminister Andrés Ibarra.

Auch in den Provinzen fanden Protestmärsche statt. In Neuquén zogen rund 10 000 durch die gleichnamige Provinzhauptstadt in Córdoba 2000. In Rosario und Mendoza gingen jeweils rund 3000 Menschen auf die Straße, in Salta und in Córdoba waren es 2000. Auch hier hatte die Furcht vor dem drohenden Arbeitsplatzverlust die öffentlich Beschäftigen zugleich mobilisiert, aber auch von der Teilnahme an den Protestveranstaltungen abgehalten.

»Wir dürfen uns jetzt nicht einschüchtern lassen«, sagte Gustavo Romero am Mittwochmorgen auf dem Weg zum Treffpunkt mit seinen KollegInnen aus dem Justizministerium. Knapp 500 KollegInnen wurden bisher die Entlassungsschreiben zugeschickt, berichtet der 48-Jährige. Zumindest bei einem Teil könnten sie den Rausschmiss bisher verhindern. »Die Angst geht um, viele Kollegen sind auf dem Weg zur Arbeit, statt zur Kundgebung zu kommen.«

Eingeschüchtert ist zum Beispiel Alejandra Navarro. Auch wenn in ihrem Ministerium noch niemand entlassen wurde, ist es schlicht die Angst vor dem Rauswurf, die sie vom Marsch zur Plaza de Mayo abhält, sagt die 40-jährige Angestellte beim Erziehungsministerium. »Seit 2009 wird mein Vertrag jährlich verlängert, zuletzt im November.« Aber jetzt steht ihre Anstellung auf dem Prüfstand, da sei es besser, heute nicht zu fehlen.

Präsident Macri hatte Ende Dezember die Überprüfung aller Staatsangestellten per Dekret angeordnet, egal ob zur Kernbelegschaft gehörend oder mit Zeitverträgen ausgestattet. Bei der Kernbelegschaft geht es dabei angeblich um die Suche nach Unregelmäßigkeiten bei den Einstellungsverfahren und Scheineinstellungen der Vorgängerregierung. Seither geht in Argentiniens öffentlichem Dienst die Angst um.

Kurz vor dem Streiktag hatte die Regierung die Polizei im Umgang mit sozialen Protesten neu geregelt. Zukünftig werden Straßenblockaden als Protestform nicht mehr geduldet. »Wer nach fünf Minuten die Straße nicht freimacht, wird geräumt«, kommentierte Sicherheitsministerin Patricia Bullrich das neue Sicherheitsprotokoll, das auf allen Kundgebungen von den Protestierenden als Einschränkung des Demonstrationsrechts abgelehnt wurde.

Die Menschenrechtsorganisation CELS kritisierte, dass den Einsatzkräften das Tragen von Schusswaffen beim Aufeinandertreffen mit Protestierenden nicht ausdrücklich untersagt ist. »Das ist ein alarmierender Politikwechsel, da schon die sogenannten ›nicht tödlichen Waffen‹ wie Gummigeschosse, schwere Verletzungen hervorrufen und tödlich sein können.« Der Mittwoch verlief jedoch friedlich, die Polizei hielt sich im Hintergrund, kurzfristige Straßenblockaden wurden diesmal noch geduldet.

Quelle: Neues Deutschland vom 26. Februar 2016

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