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US-Wahlen: Die Fallen von Sanders Strategie

Eingereicht on 10. Juni 2016 – 15:53

Bernie Sanders ist trotz der kürzlichen Niederlage in Kalifornien entschlossen, seinen Kampf um die Nomination bis zum Ende zu führen.

Sein Kampf für die “Demokratisierung” der Demokratischen Partei und sein Streben nach wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Gerechtigkeit prallt auf die Unzulänglichkeiten seiner eigenen Strategie.

Juan Cruz Ferre. Hillary Clinton hat in New Jersey und Kalifornien mit grossem Vorsprung und in South Dakota und New Mexico knapp gewonnen, während Bernie Sanders in Montana und North Dakota den Sieg davontrug. Obwohl diese Ergebnisse den Abstand zwischen den beiden Kandidaten nur noch vergrössert haben, hat Bernie Sanders in seiner Rede vom Dienstag versprochen, seinen Kampf bis zum Parteikonvent der Demokraten von Ende Juli fortzuführen.

Obschon die meisten seiner Unterstützer von der Vorstellung eines Sieges von Sanders in den Vorwahlen bereits abgerückt waren, so wurde doch ein allfälliger Sieg in Kalifornien als mögliche Demonstration der Stärke angesteuert, um seine Kampagne im Vorfeld des Parteikongresses voranzubringen. Die Idee ging dahin, dass Sanders den Sieg in Kalifornien nutzen könnte, um die Position von Clinton in den Wahlen vom November nach links zu zwingen.

Am Montag, als die öffentliche Aufmerksamkeit bereits auf die Wahlen vom folgenden Dienstag (dem letzten Super-Dienstag) gerichtet war, veröffentlichte The Associated Press ein Statement, das dann von allen wichtigen Medienstellen übernommen wurde: Es lautete dahin, dass Clinton die erforderliche Anzahl von Delegierten bereits überschritten und sich somit die Nomination gesichert habe. AP hatte ihr damit, zusammen mit den grossen Medienhäusern, einige Stunden vor den kalifornischen Primärwahlen zu einem triumphalen Auftritt verholfen.

Dies hat wahrscheinlich einige entmutigt, die vorhatten, für Sanders zu stimmen. Dadurch wurde die Kanditatur von Clinton im Hinblick auch auf das bevorstehende Rennen gegen Trump mit zusätzlichen “nützlichen Stimmen” bestärkt.

Das übereifrige Urteil von AP gründete auf einigen Interviews mit Superdelegierten, die darin ihre eindeutige Absicht äusserten, Clinton zu unterstützen. Gemäss der Schätzung von AP hatte die ehemalige Aussenministerin bereits 2´383 Delegierten gewonnen – und damit die Schwelle überschritten, die die Nominierung am Parteikonvent sichern sollte. Superdelegierte können ihre Absicht zwischenzeitlich jedoch ändern. Dies schreckte jedoch AP nicht davon ab, den Sieg Clintons zu verkünden.

Die erste Falle von Sanders

Wie sieht nun der Plan für Sanders Kampagne aus? Wie will er die Illusion aufrechterhalten, dass er immer noch Chancen für eine Nomination für die Präsidentenwahl habe? Es ist nicht nur unmöglich, dass er mehr Delegierte als Clinton gewinnen kann, denn ihr Vorsprung an zugesicherten freien Delegiertenstimmen (also ohne die Superdelegierten) ist zu gross. Damit verbleibt Sanders nur eine – zudem sehr unwahrscheinliche – Option: der Senator aus Vermont muss eine genügend hohe Anzahl von Superdelegierten umschmeicheln, so dass diese die Seite wechseln und seine Kandidatur unterstützen.

Würde er das tun, so würde er sich der gleichen antidemokratischen Mittel bedienen, die er in seiner Kampagne so hartnäckig kritisiert hat. Er selbst gestand ein, dass er Superdelegierte «umgarne» (eine unglückliche Wortwahl, bescheiden ausgedrückt), ihre Unterstützung für Clinton zurückzuziehen. Dies wird schwierig zu erklären sein für einen Sozialdemokraten, dessen Popularität gerade von seinem Antreten gegen das «manipulierte System» herrührt.

Eine andere Option bestünde darin, an seinem angeblichen Ziel einer Demokratisierung der Vorwahlen in der Demokratischen Partei festzuhalten und eine Änderung der Regeln zu fordern, die von den Superdelegierten die gleiche Position wie ihr Wahlkreis verlangen würde. Das Problem dabei ist, dass er damit automatisch aus dem Rennen fallen würde. Somit ist er in einer Situation gefangen, wo er seit Monaten für einen politischen Wechsel eintrat, aber nicht mutig genug ist, die durch das Establishment der Demokratischen Partei begangenen Boykotte und Verrätereien zu verurteilen und zu bekämpfen.

Meistens hielt er sich an die Regeln und verlor dabei.

Die zweite Falle von Sanders

Die Kandidatur von Sanders half der Demokratischen Partei, sich weisszuwaschen und die Illusion zu pflegen, dass sie den Interessen der Arbeiterklasse, der Armen, der Arbeitslosen, der Schwarzen und Latinos, der unter den Schulden ächzenden Studentinnen und Studenten dienen könne. Obwohl viele seiner Unterstützer im November nicht für Clinton stimmen werden, so werden doch Tausende in die Falle der Demokraten gelockt werden. Sie wurden ermutigt, sich registrieren zu lassen und zu wählen. Einigen wurden gar ein Platz als Delegierte am Parteikonvent angeboten.

Bestimmte Gewerkschaften haben grosse Anstrengungen in diese Richtung unternommen. Begleitung zu der Wählerregistrierung und Haustür-Kampagnen sind mittlerweile zu den zentralen Aktivitäten von liberaleren und linkeren Gewerkschaften geworden, wie etwa für die Communications Workers of America (CWA) und für die National Nurses United (NNU). Obschon sie progressiver sind, als dass nur für Hilary Clinton von Haustür zu Haustür zu gehen, so ist dies doch weit entfernt von einer Selbstermächtigung der Arbeiterklasse oder der Entwicklung irgendeines Klassenbewusstseins.

Diese enge Anbindung an die Demokratische Partei – einer der beiden Parteien der Kapitalistenklasse – kann kaum durchtrennt werden und ist sicher ein Hindernis für den Aufbau einer unabhängigen Politik der Arbeiterklasse.

Sozialistische Organisationen wie beispielsweise Socialist Alternative und ein grosser Teil von Solidarity haben sich dem Kampf angeschlossen, indem sie die Vorstellung unterstützten, dass Sanders der Arbeiterklasse, der Jugend und den Unterdrückten den Weg weisen könnte.

Trotz des Aufrufs von Kshama Sawant an Bernie vom vergangenen April, mit der demokratischen Partei zu brechen und mit einer unabhängigen Partei anzutreten, funktioniert die Movement4Bernie, die ihrer eigenen Partei, der Socialist Alternative, nahesteht, im Wesentlichen als Begleiterin für die Eintragung – für die Demokratische Partei! – auf den Wahlbüros.

Die sozialistischen Gruppen, die hinter Bernie mit einer sanften oder gar nicht existierenden Kritik an seiner imperialistischen, zionistischen Aussenpolitik und an seinem sozialdemokratischen (das heisst kapitalistischen) Wirtschaftsprogramm hintergerannt sind, liessen den grossväterlich daherkommenden Vertreter des amerikanischen Kapitals ungeschoren davonkommen und lassen ihn so weiterhin das Banner des Sozialismus schwenken.

Die weiterhin lockenden Trugbilder von Clinton

Zwei unangenehme Realitäten haben über Clintons unbestreitbare Führung in den Vorwahlen ihren Schatten geworfen: Einerseits die andauernde, nahezu gleich hohe Popularität von Sanders in den Meinungsumfragen und andererseits der weiterhin bedrohliche E-Mail Skandal. The Wallstreet Journal wies in einem kürzlichen Artikel auf letzteren hin und stellte fest, dass «Clinton nicht nominiert werden könnte». Der Kolumnist vom WSJ Douglas Shoen schliesst daraus jedoch nicht, dass dann Sanders von der Partei nominiert werden würde. Er zieht Sanders in der Tat nicht einmal in Betracht. Er behauptet stattdessen, dass der Parteikonvent Joe Biden nominieren würde, sofern die rechtlichen Probleme von Clinton ausser Kontrolle gerieten. Dies ist natürlich lächerlich: das letzte was die Führung der Demokratischen Partei will, ist eine Wiederholung des Konvents von 1968, als Hubert Humphrey’s bürokratische Nominierung Chicago in ein Schlachtfeld von Aufständen und offenen Auseinandersetzungen mit der Polizei verwandelten.

Verschiedene Gruppen rufen bereits zu Aktionen rund um den Demokratischen Parteikonvent auf. Ob die Ablehnung des Demokratischen Parteikonvents genügend Unterstützung findet, um ein politisches Ereignis zu werden, oder den Nominierungsprozess beeinflussen wird, bleibt abzuwarten.

Bernie als Magnet

Das Ziel von Sanders ist jetzt, Clinton nach links zu drängen; während er unablässig wiederholt, sie letztendlich zu unterstützen, betont er gleichzeitig, dass seine Unterstützung vom Ausmass abhinge, mit der Clinton seine Forderungen übernehmen würde. Dies sieht ganz nach einem Übergang aus! – von einer politischen Revolution hin zu einer kleinen Ausbesserung von Clintons Wahlplattform.

Wenn denn überhaupt, so hat die Kampagne von Sanders geholfen, den radikalen Impuls einer grossen Anzahl von jungen Leuten aufzunehmen – solchen, die sich selbst als sozialistisch betrachten – und diesen in institutionelle Kanäle zu lenken.

Zu diesem Zeitpunkt besteht die einzige wirkliche Chance für ein politisches Überleben von Sanders darin, dass der sich hinziehende e-Mail Skandal von Clinton deren Kariere total zusammenbrechen lässt. Das scheint jedoch nicht wahrscheinlich, da der FBI keinerlei Interesse hat, eine derart instabile Situation zu schaffen.

Über die vergangenen Wochen verstärkte sich der Druck auf Bernie Sanders zum Rückzug, damit er Hillary Clinton in der Herausforderung gegen Donald Trump vollumfänglich unterstützen könne. Die Mainstream Medien hacken in unzähligen Artikeln auf Sanders wegen dessen Fortführung seiner Kampagne herum, angeblich schade er damit Clinton.

Und wiederum wird mit dem Faschismus als unmittelbarer Gefahr herumgefuchtelt, um diesem Aufruf Nachdruck zu verleihen. Abgesehen vom Problem, Trump ohne eine ernsthafte politische Analyse Faschist zu nennen, möge es genügen, darauf hinzuweisen, dass der Kampf gegen den Faschismus mit den Methoden der Arbeiterklasse und durch die Organisationen der Arbeiterklasse geführt werden muss. Die Demokratische Partei steht für keine dieser Voraussetzungen.

In seiner Rede von Dienstagabend in Santa Monica sagte Sanders, dass er von Präsident Obama einen Anruf erhalten habe und dass «er sich darauf freue, mit ihm zusammenzuarbeiten». Auf ähnliche Art gratulierte er Hillary Clinton zu ihren Siegen und sagte ebenfalls, er freue sich, mit ihr zusammenzuarbeiten. Das Gemisch aus Buh-Rufen und Applaus verwandelte sich sofort in einen ungebremsten Jubel.

Einige Stunden später hielt Hillary Clinton eine triumphierende Rede und rief Bernie Sanders Unterstützer dazu auf, sich ihrer Kampagne für den Präsidentenwahlkampf anzuschliessen. Mit den näher rückenden Präsidentschaftswahlen wird sie den richtigen Ausgleich finden müssen zwischen einer Übernahme von fortschrittlichen Massnahmen, um die Basis von Sanders anzuziehen und einem weiteren Ruck in das Zentrum, um die von Trump abgestossenen Republikaner für sich zu gewinnen.

Mittlerweile beginnen Tausende von Arbeiterinnen und Arbeitern, Studenten, Frauen und junge Unterstützer von Bernies Unterstützern darüber zu debattieren, was sie als nächstes tun sollen. Es gibt eine Vielzahl von Initiativen, um die Bewegung um Bernie zu organisieren, sobald dieser anfängt, die Mehrheit seiner Basis zu enttäuschen. Aktivistinnen, Sozialisten und Unabhängige werden der Aufgabe gegenüberstehen, den Aufbau der von ihnen gewünschten Bewegung und der dazu erforderlichen Partei zu planen.

Es ist eine Periode einer Politik der Arbeiterklasse. Die Bildung einer politischen Organisation der Arbeiterklasse, gestützt auf eine breite Bewegung aus der Arbeiterklasse, Gewerkschaften und Studenten wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Quelle: www.leftvoice.org… vom 10. Juni 2016. Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch

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