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Redet doch endlich über den faschistischen Terror in Deutschland!

Eingereicht on 28. Juli 2016 – 17:01

Peter Schaber. Alles an dem Geraune, das nach den Attentaten von Ansbach, Würzburg und München einsetzte, ist ekelhaft: Die Hetze der Rechten, die sich unverhohlen freuten, dass ihnen neue Wähler*innen zugetrieben werden; die 1st-world-Überheblichkeit der verängstigten Normalbürger, die vor allem darüber schockiert waren, dass das nun hier bei uns geschehe, denn eigentlich gehört Terror und Krieg ja irgendwo anders hin, weit weg zu den Unzivilisierten; die panischen Versuche einer Sahra Wagenknecht, ein bisschen so zu klingen wie die AfD, ohne aber so verstanden werden zu wollen. Und vieles mehr.

Hier soll es um einen einzigen Punkt gehen. Um den, wie mit dem tödlichsten der Anschläge, dem in München, umgegangen wird. Nach allem, was wir bislang wissen, ist der Mörder von München kein Islamist. Selbst dürfte er sich in der äußersten Rechten verortet haben. „Er war stolz darauf, wie Hitler am 20. April geboren zu sein“, schreibt die FAZ  unter Bezugnahme auf Sicherheitskreise. David S. wählte sowohl den Tag seines Attentats bewußt – es war der Jahrestag des Massenmordes von Anders Breivik -, wie er auch die Opfer genau auswählte: Türk*innen, Araber*innen, oder wen er dafür hielt.

Seine iranischen Wurzeln werden seitdem von denjenigen Rechten, die Gleiches denken wie der Terrorist, als Argument dafür angeführt, er könne gar keiner von ihnen sein. Doch Faschist ist, wer Faschistisches denkt und tut. Und Rassist ist, wer Rassistisches denkt und tut. Überall. Es gibt türkische Faschisten, italienische, spanische, israelische. Und unserer derzeitigen Kenntnis zufolge war David S. genau das: Ein Rassist und Faschist. Das eint ihn mit denen, die noch während der Bluttat frohlockten.

„AfD wählen!“ war der erste Kommentar des AfD-Pressesprechers Christian Lüth, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen konnte, dass der Terrorist das ohnehin getan hätte. Und „Ja zur Leitkultur!“ twitterte der AfD-Politiker Mirko Welsch, unwissend, dass der Türk*innen und Araber*innen tötende David S. gerade ganz nach der Schießbefehl-Leitkultur handelte. Am 25. Juli veröffentlichte die AfD ein Papier zur „Sicherheitslage“. In dem Traktat die übliche Hetze: „Multikulti“ ist Schuld und Grenzen müssen geschlossen werden. Nichts davon trifft auf München zu. Deshalb nennt die Arschlochpartei für Deutschland auch gleich erst gar nicht die Orte, von denen sie spricht.

Terror kann der Nazi nicht, das kann nur der Islamist

Würde sie nämlich nicht in den sicheren Sphären der Andeutungen verbleiben, müsste sie von dem Terror sprechen, den es wirklich in diesem Land gibt. Dem Terror ihrer Gesinnungsgenossen, dem rechten Terror. Seit 1990 starben mindestens 178 Menschen an den Folgen rechter Gewalt: Erschlagen, erschossen, erstochen wurden sie für genau jene menschenfeindliche Ideologie, die ihre Schreibtischvordenker in die Sozialen Medien erbrechen. Und dann war doch hier noch etwas, oder? Ach ja, den Nationalsozialistischen Untergrund, eine staatlich unterstützte neonazistische Mordmiliz hatten wir ja auch noch. Wollen wir noch mehr? 528 Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte gab es im Jahr 2015, der bei weitem überwiegende Teil sicher durchgeführt von unseren besorgten Migrationskritikern.

Selten bis nie wird von „Terror“ gesprochen, obwohl das Vorgehen der rassistischen Gewalttäter im Duden als Erklärung dieses Begriffs stehen könnte. Es geht darum, den Menschen, die als Feind*innen identifiziert wurden, durch Gewalt gegen Schwächere Angst zu machen. Die Täter sind aber dennoch keine „Terroristen“ in der öffentlichen Wahrnehmung. Terror, das kann nur der Islamist und manchmal die Linken, wenn sie Farbbeutel werfen oder Institutionen des Staates angreifen.

Der arme Amokläufer

Und jetzt München. Einen wikipedia-Eintrag zum „Terroranschlag von München 2016“ gibt es nicht. Es gibt nur einen zum „Amoklauf in München am 22. Juli 2016“. Das widerspiegelt die allgemeine Praxis der Leitmedien und Politiker, David S. nicht mehr „Terrorist“ zu nennen, seitdem klar wurde, dass er nicht für das Kalifat, sondern aus Hass auf Türk*innen und Araber*innen schlachtete.

Es wird nun überlegt, was ihn wohl trieb: War er gemobbt worden? Hatte er die falschen Computerspiele gespielt? War er ein Außenseiter, weil er komisch sprach und hinkte? Vielleicht. Aber auf den einfachen Gedanken, dass nichts davon zu dieser Art Morden führt, könnte man kommen. Was aber durchaus zum Morden führt, ist eine Ideologie, in der man – zum Beispiel – Türk*innen und Araber*innen als „minderwertig“ ansieht und sie für sein Elend verantwortlich macht.

Diese Ideologie heißt gemeinhin Rassismus. Und David S. teilte sie mit so vielen aus NPD, Kameradschaften, AfD, Pegida und bürgerlicher Mitte. Während seine Brüder und Schwestern im Geiste diese Ideologie in Wahlprogramme schreiben, anderen durch Hetze einzuflößen versuchen und bisweilen auf Grundlage dieser Ideologie Menschen totschlagen oder Flüchtlingsheime anzünden, griff David S. zur Waffe. Vielleicht ging er weiter als seine Geschwister. Aber er ging auf keinem anderen Weg. Und wenn wir über „Terrorismus“ in Deutschland reden wollen, dann müssen wir über diesen Weg reden – und über diejenigen, die ihn bahnen.

Quelle: lowerclassmag.com… vom 28. Juli 2016

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