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TiSA – Mit dem Brecheisen gegen Demokratie und öffentliche Dienstleistungen

Eingereicht on 27. Januar 2014 – 12:03

 

Seit dem Scheitern der Vorstösse im Rahmen der WTO zu allgemeingültigen Freihandels-Abkommen zu gelangen, sind die Unternehmerverbände, die multinationalen Konzerne und die Regierungen in der EU, den USA und anderer Staaten, darunter der Schweiz, noch  mehr in die Offensive gegangen. Dabei nimmt vor allem der Druck auf den gesamten Dienstleistungssektor zu, insbesondere auf die öffentlichen Angebote in den Bereichen Gesundheit und Bildung.

Willi Eberle

Die Verhandlungen über ein Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, das eher unter seinem englischen Namen bekannt geworden ist: Trade in Services Agreement (TiSA), haben im Frühjahr 2012 eingesetzt. Daran sind neben der EU, die ihrerseits 28 Länder umfasst, 20 Länder unter der Führung der USA und der EU beteiligt. Zynischerweise haben sie sich selbst den Titel « Wahre gute Freunde der Dienstleistungen » (englisch: RGFS) zugelegt. Die Schweiz spielt eine sehr aktive Rolle in diesen Verhandlungen.

Die vorangegangenen Verhandlungen über die Ausweitung des Freihandels im Rahmen der WTO waren bis 2011 in einen vollständigen Stillstand geraten. Diese mussten zwischen allen 139 Mitgliedsstaaten der WTO  im Konsensverfahren geführt werden, was angesichts der wachsenden Konflikte zwischen und unter den Entwicklungsländern, den Schwellenländern und den Staaten des imperialistischen Zentrums nicht mehr möglich war. So haben diese die Führung in diesem Prozess der vollständigen Unterwerfung der Welt unter die Interessen der multinationalen Konzerne und der Unternehmer, unter das Regime des Profits, übernommen.

TiSA – Freihandel mit Dienstleistungen

Gemäss diesem Vertrag müssten alle Dienstleistungsbereiche, in denen neben den öffentlichen auch private Anbieter vorhanden sind,  den Regeln des « freien und unverfälschten Wettbewerbs » unterstellt werden. Die Regierungen müssten die öffentlichen und privaten Anbieter im selben Ausmass subventionieren. Die Steuerpflichtigen wären so beispielsweise gezwungen, die Profite von privaten Kliniken und Schulen mitzufinanzieren.

Überdies müssten die Regierungen ausländische und inländische Anbieter gleich behandeln. Sie müssten somit auf jeden Schutz der lokalen oder nationalen Anbieter verzichten.

Dieser Vertrag öffnet der Privatisierung der öffentlichen Dienste Tür und Tor und greift damit eine wichtige Errungenschaft an; in der Folge wird der Zugang zu den oft lebenswichtigen Dienstleistungen noch stärker vom Einkommen abhängen. Dieses Abkommen hat zum einzigen Ziel, die Unternehmensgewinne zu steigern.

TiSA geht noch weiter als das Allgemeine Abkommen über den Dienstleistungshandel (GATS), das 1994 im Rahmen der WTO abgeschlossen wurde. Nun entscheiden nicht mehr die einzelnen Länder über die Öffnung einzelner Bereich gegenüber der Konkurrenz, denn alle Bereiche der Unterzeichnerstaaten werden nun den Bestimmungen des Vertrages unterworfen.

Gesundheit und Bildung als fette Happen

Der Dienstleistungsbereich ist seit mehreren Jahrzehnten der wichtigste und dyamischste Teil der Wirtschaft in der EU und in den USA und sehr profitträchtig.

Die 20 an TiSA beteiligten Staaten und die EU bestreiten über 68 % von 3‘170 Mia US $ des Welthandels mit Dienstleistungen (2011, den inner-EU Handel nicht mitgezählt). Das Potenzial des gesamten Gesundheitswesen, wovon ein grosser Teil weltweit immer noch in öffentlicher Hand ist, wird auf 6‘400 Mia US $ und dasjenige des öffentlichen Bildungswesens auf etwa 2‘500 Mia US $ geschätzt. Bei einer «normalen» Profitrate um die 20% wird verständlich, weshalb die massgeblichen Unternehmerverbände und multinationalen Konzerne und ihre Regierungen darauf drängen, freien Zugang in diese zentralen Bereiche der gesellschaftlichen Versorgung zu erhalten.

In der Schweiz kann man schätzen, dass diese beiden Bereiche über 20% des Bruttosozialproduktes ausmachen also um 130 Mia US $ oder über 110 Mia Franken (Zahlen WTO).

Aushebelung demokratischer Rechte

Die Anstrengungen über die Liberalisierung der Weltwirtschaft werden seit den 1980er Jahren energisch vorangetrieben. Insbesondere die Gründung der WTO Mitte der 90er Jahre diente diesem Zweck.

Diese Bestrebungen stiessen aber weltweit schnell auf den Widerstand der Bevölkerungen;  die sogenannte Antiglobalisierungsbewegung  war dessen Klammer. Durch diese offensichtliche Unpopularität des Freihandels wurden die Verhandlungen fortan möglichst abgeschieden und unter grösster Geheimhaltung vorangetrieben, so auch TiSA. Die 9. Ministerkonferenz der WTO vom 5. bis 8. Dezember 2013, die ursprünglich die Einigung über TiSA hätte bringen sollen, wurde im abgeschiedenen Bali abgehalten, fernab jedes möglichen öffentlichen Protestes.

TiSA wird von Leuten ausgehandelt, die keinerlei demokratische Legitimation haben, meistens sind sie durch die Lobbyaktivitäten einflussreicher Wirtschaftsverbände oder grosser multinationaler Konzerne in ihre Stellung gelangt. Die Schlichtung von Streitfällen im Rahmen von TiSA ist noch keineswegs geregelt; alles sieht jedoch so aus, dass entsprechende Gerichte im Rahmen derselben Lobbystrukturen bestellt werden. Durch die grosse Geheimhaltung haben demokratisch gewählte Instanzen, vorallem Parlamente kaum Einfluss auf den Gang der Verhandlungen. Ganz zu schweigen von allfälligen Referendumsmöglichkeiten der betroffenen Bevölkerung.

Der Vertrag soll bereits 2014 unterzeichnet werden. Angesichts der Weigerung des Bundesrates und anschliessend der Mehrheit des Nationalrates, das Freihandelsabkommen zwischen China und der Schweiz dem fakultativen Referendum zu unterstellen gibt es allen Grund für die Annahme, dass dem TiSA gleiches widerfahren wird. Das Parlament wird dabei aufgefordert werden, dieses ohne die kleinste Änderung zu ratifizieren und das Volk würde erneut der demokratischen Rechte beraubt werden.

In der Schweiz pflegt der Bundesrat absolutes Stillschweigen über den Gang der Verhandlungen; das mit den Verhandlungen beauftragte Seco ist eine Institution, die unter dem Druck der Lobbyaktivitäten der Wirtschaftsverbände, so etwa von economiesuisse und dem Arbeitgeberverband und grosser Konzerne, etwa von der Pharmaindustrie und den Banken, durch den Bundesrat bestellt wird. Fernab jeglicher demokratischen Legitimation.

TiSA wird zudem die Rechte der Lohnabhängigen in den betroffenen Bereichen noch weiter zurückstutzen. So werden sogenannte «entsandte Arbeitnehmer» nicht mehr durch die bereits sehr bescheidenen Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) geschützt werden, sondern durch die noch flexibleren der Welthandelsorganisation (WTO).

TiSA ist ein wichtiger Teil der neoliberalen Angriffe auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der breiten Bevölkerung. Es kann nur hinter deren Rücken und unter Ausschaltung demokratischer Rechte und wenn nötig mit Gewalt durchgesetzt werden. Widerstand dagegen zu entwickeln ist die Aufgabe, die sich das Komitee „Stop TiSA!“  gestellt hat (Vorwärts 31. Januar 2014).

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