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Podemos als Bremserin der spanischen Arbeiterklasse

Eingereicht on 20. Dezember 2016 – 20:47

Alejandro López. Seit die Minderheitsregierung des rechten Partito Popular (PP) im Oktober angetreten ist, haben die pseudolinken Parteien Podemos und Izquierda Unida (IU) gemeinsam mit den spanischen Gewerkschaften eine Kampagne «zurück auf die Strasse» gestartet. Sie haben beschlossen, zurück auf die Strasse zu gehen, nachdem sie dies jahrelang kaum mehr getan haben, auch nicht während den drastischen Abbaumassnahmen der vergangenen Regierungen der PP und der PSOE.

Diese eher abrupte Kehrtwende erfolgt in einem bestimmten politischen Zusammenhang. Es gibt eine tiefe Wut gegen die Sozialistische Partei (PSOE) für ihre Unterstützung der neuen Regierung der PP, die nicht aus einer Wahl durch die Mehrheit der spanischen Bevölkerung hervorging. Die PP plant über die nächsten zwei Jahre eine Budgetkürzung von 8 Milliarden €, die von der Europäischen Union (EU) verordnet wurde. Sie bezahlt überdies 30 Milliarden € Zinsen auf die spanischen Schulden und hat in der vergangenen Woche eine Steuererhöhung angekündigt, um 4,65 Milliarden € mehr einzunehmen.

Die Regierung der PP ist dermassen schwach und diskreditiert, dass sie für die Durchsetzung ihrer Austeritätspolitik die Unterstützung der Gewerkschaften und der Pseudolinken suchen muss. Die Regierungspartei befürchtet, dass sich Volkserhebungen und ein explosiver Widerstand unter der Arbeiterklasse und der Jugend entwickeln könnten; die Hälfte der Jugend ist arbeitslos. Diese Wut drückt sich auf internationaler Ebene in einer wachsenden Opposition gegen den Krieg und die Sparpolitik aus.

Die Gewerkschaften haben sich Ende November mit Premierminister Rajoy und mit Vertretern der Unternehmer zusammengesetzt, um die Durchführung von weiteren Austeritätsmassnahmen zu planen. Seit dieser Zusammenkunft beanstandet der Block der beiden Gewerkschaften Comisiones Obreras (CCOO) und Unión General de Trabajadores (UGT), dass Rajoy dem «sozialen Dialog mehrere Beschränkungen auferlege»; sie kündigten auf den 15. und den 18. Dezember gemeinsame Demonstrationen an. Zur selben Zeit versicherten sie, dass sie weiterhin mit Rajoy verhandeln würden und verwiesen darauf, dass das Binom «Mobilisierung-Verhandlung» durchaus kompatibel sei.

Die Rolle von Podemos in diesem Spiel besteht darin, eine politische Deckung für diese Manöver der Gewerkschaften zu bieten, um die Opposition der Arbeiterklasse in Schranken zu halten und zu zerstreuen. Diese Taktik wurde international bereits unzählige Mal angewandt, insbesondere in Griechenland. Die griechische Syriza, eine Verbündete von Podemos, rief zusammen mit den Gewerkschaften zu tageweisen Streiks auf, bevor sie 2015 an die Macht gelangte und daraufhin die einschneidendste Austeritätspolitik betrieb, die das Land je gekannt hat. In einem gewissen Moment hat die Regierung von Syriza gar einen Streik gegen ihre eigenen Sparmassnahmen unterstützt und vertraute darauf, dass die Gewerkschaften überhaupt keine Gefahr für sie darstellten.

Podemos begann mit ähnlichen Aktionen bereits kurz nach dem Machtantritt von PP. Die Abgeordneten von Podemos protestierten ausserhalb des Parlamentes gegen die Einsetzung von Rajoy. Später beteiligte sich Podemos an den Protesten gegen die Elektrizitätsgesellschaft Gas Natural, nachdem eine 81-jährige Frau starb, da sich ihre Wohnung entzündete. Sie benutzte zur Beleuchtung ihrer Wohnung Kerzen, da sie die Elektrizitätsrechnung nicht bezahlen konnte.

Bald begann Podemos auch bestimmte kontrollierte Interventionen in Arbeiterkämpfen zu organisieren. Vergangene Woche nahmen der Führer von Podemos, Pablo Iglesias, und die Nummer zwei, Iñigo Errejon, gemeinsam mit dem Führer von IU, Alberto Garzón, an einer Demonstration zur Unterstützung eines 24-stündigen Streiks von Callcenter-Angestellten teil. Iglesias sagte, diese Angestellten seien «die soziale Opposition der PP» und kritisierte die Sparmassnahmen der Regierungen von PP und PSOE als «ungerecht» und «unwirksam». Garzón seinerseits erklärte seine Unterstützung für die «Arbeiterinnen und Arbeiter, die für ihre Arbeitsrechte kämpfen würden». Dies muss als Teil der neuen Kampagne der IU «gegen die Prekarität» gesehen werden: «Sie sollen uns nicht das Leben verscheissern».

Tage später tauchte Iglesias an einem Protest von Coca-Cola Arbeitern und Arbeiterinnen, vor dem Sitz der PP, auf. Dort erklärte er: «Wir dürfen weiterhin kein Coca-Cola trinken. Wir müssen die Arbeiter unterstützen, die für die Rechte aller kämpfen», und verwies darauf, dass «Podemos die soziale Opposition gegen die PP und die grossen multinationalen Firmen» darstelle.

Nachdem sie der PP den Weg in die Regierung bereitet hatte, beteiligte sich die PSOE ebenfalls an der Unterstützung der gewerkschaftlichen Mobilisierungen. Der geschäftsführende Präsident der PSOE, Javier Fernández, der die Geschäfte vom abgesetzten Generalsekretär Pedro Sánchez übernahm, setzte sich mit den Gewerkschaftsführungen zusammen und versicherte ihnen, dass «die PSOE bereit sei, der sozialen Agenda der Gewerkschaften politische und parlamentarische Unterstützung zu verleihen» und versprach, die für den Dezember vorgesehenen Mobilisierungen zu unterstützen. Diese Kräfte unterstützen jetzt die Gewerkschaften, während sie zusammen mit der PP herummanöverieren.

Die Gewerkschaftsverbände haben die Arbeiterklasse in der Geschichte demobilisiert, sogar als die Löhne nach der Wirtschaftskrise von 2008 um 22 % eingebrochen sind. Die Zahl der Streiks ist auf historische Tiefstwerte gesunken, von 810 Streiks mit 542’508 Streikenden 2008 auf 777 Streiks mit 217’047 Streikenden 2014 und 422 Streiks mit 96’795 Streikenden in diesem Jahr. Gleichzeitig verhandelten die Gewerkschaften Austeritätsmassnahmen mit den Regierungen der PP und der PSOE und arbeiten mit den Unternehmern zusammen, um Arbeitsplätze abzubauen und die Löhne zu reduzieren, alles im Namen einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.

Diese Unterstützung der Gewerkschaften seitens von Podemos ist eine zynische Propagandakampagne, die darauf abzielt, die Arbeiterklasse an Organisationen zu binden, die ihr nichts bieten können. Dazu kommt, dass es sich um Parteien handelt, die ihre Verachtung für den sozialen Protest geäussert haben. Im Juli, unmittelbar nach den allgemeinen Wahlen vom 26. Juni, erklärte Iglesias, dass gesellschaftliche Veränderungen über die staatlichen Institutionen erfolgen müssen und sagte, dass «diese Idiotie, für die wir uns, als wir noch zur extremen Linken gehörten, aussprachen, dass die Dinge sich durch die Strasse verändern müssen und nicht über Institutionen, eine Lüge ist.»

Wenige Monate darauf, im Oktober betonte Iglesisas erneut, dass seine populistische Rhetorik nicht auf eine Veränderung der staatlichen Politik abzielt. Er sagte: «Der Populismus hört mit dem Ende der Politik auf, das heisst, dass der Populismus aufhört, sobald die Politik sich in Verwaltung verwandelt, sobald die Politik sich in administrative Entscheide verwandelt, die in Verwaltungsstellen getroffen werden, im Staat, in einem Parlament, einer autonomen Gemeinde oder in einer Partei».

Später fügte er bei: « Wenn wir regieren, so werden wir Kompromisse, eine Dynamik der Einigung suchen und dem Populismus entgegentreten, der uns in einigen Wahlkämpfen teuer war, um den diskursiven Konflikt anzutreiben».

Die Absicht von Podemos, sich nun als Stimme der Opposition der Arbeiterklasse und des sozialen Protestes zu positionieren, ist ein offenkundiger politischer Betrug.

Durch eine Gruppe eurokommunistischer-stalinistischer Akademiker und Mitgliedern der Partei Izquierda Anticapitalista (IA) im Jahre 2014 gegründet, hat sich Podemos vor allem über zahlreiche Medien entwickelt, in denen ihnen von Bourgeoisie die Kanalisierung der sozialen Unzufriedenheit gegenüber dem politischen Establishment erlaubt hatte. Nach kaum zwei Monaten hatte Podemos die Illusion einer «Regierung der Veränderung» mit der PSOE aufgeheizt. Die PSOE jedoch entschied sich, die PP zu unterstützen.

Podemos ihrerseits hat ihre Politik inzwischen umgesetzt. Während der vergangenen anderthalb Jahre hat sie sich an verschiedenen «Regierungen der Veränderung» in den wichtigsten Städten wie Madrid, Barcelona, Cádiz , Zaragoza, Valencia und Santiago de Compostela unterstütztend beteiligt oder nahm darin Einsitz. Kaum an der Regierung, haben sie deren Schulden um mindestens 2,3 Milliarden € abgebaut und sich dabei den Applaus der Banken verdient. In den Worten des Bürgermeisters von Cádiz, José María González, einem Mitglied von Podemos: «Selbst der Finanzminister anerkennt, dass die Stadtverwaltungen der Veränderung ihre Pflicht erfüllen».

In Barcelona hat die ehemalige Aktivistin der Bewegung gegen die Vertreibung aus den Wohnungen und jetzige Bürgermeisterin, Ada Colau, einen Kampf gegen die Immigranten geführt, die als Strassenhändler arbeiteten und diese massenhaft verhaftet und ausgewiesen. Zu Beginn dieses Jahres stellt sie sich gegen einen Streik im öffentlichen Transport der Metro von Barcelona und zwang einen obligatorischen «minimalen Betrieb» auf, um die Züge am Laufen zu halten und den Streik zu unterdrücken.

Was die IU betrifft, die durch Stalinisten geführt wird, so sind ihre Positionen zugunsten von Austeritätsmassnahmen hinlänglich bekannt. 2008 reagierte die IU angesichts der ökonomischen Krise und hat ihre Zusammenarbeit mit der PSOE vertieft und Milliarden von Euros an Einsparungen in den Regionen Andalusien, Katalonien, Asturien und Estremadura unterstützt. Desgleichen hat sie ihre Positionen in den Gewerkschaften benutzt, um zu verhindern, dass die Streiks sich in politische Kämpfe gegen die Regierungen der PSOE und der PP verwandelt haben.

Quelle: wsws.org… vom 19. Dezember 2016; aus dem Spanischen durch Redaktion maulwuerfe.ch

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