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Erfolgreiche USR III Abwehr: Ein Sieg – aber für wie lange?

Eingereicht on 16. Februar 2017 – 11:54

Maulwuerfe.ch. Das Schweizer Stimmvolk hat am 12. Februar 2017 mit einer Beteiligung von etwas über 2,4 Mio oder 45,2 % der Stimmberechtigten die Vorlage zur Revision der Unternehmerbesteuerung mit gegen 60 % verworfen.

Ist dies ein Hoffnungszeichen, dass sich in der Schweizer Politlandschaft die Hegemonie der Unternehmer und der Reichen ihrem Ende zuneigt und die Angriffe auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Lohnabhängigen der vergangenen Jahrzehnte fortan politisch abgewehrt werden können?

Bei der Unternehmersteuerreform III (USR III) handelte es sich um ein Projekt, um die Besteuerung der Unternehmen auf bis zu unter 8 % – oder noch weiter – zu senken. Siehe zu den Details und den Einschätzungen beispielsweise USR III: «Willkommenskultur» im Imperialismus, USR III : Was uns droht und NEIN ZUR UNTERNEHMENSSTEUERREFORM III (USR III). Derweil bezahlen durchschnittliche Lohnabhängige um die 20 % ihres Einkommens als direkte Steuern, Mehrwertsteuern und andere indirekte Steuern nicht eingerechnet.

Sämtliche im nationalen Parlament vertretenen Parteien waren sich in den Grundzügen über die Notwendigkeit und die Ziele dieser Reform einig: Beseitigung der Steuerprivilegien für die rund 24´000 Spezialgesellschaften, Schaffung eines im internationalen Steuerwettbewerbs «günstigen» Systems der Unternehmensbesteuerung und Erhaltung der Steuersubstanz. So hat etwa die SPS Nationalrätin und Galionsfigur der SPS-Linken, Jacqueline Badran, am Abend des Abstimmungssonntags in der Nachrichtensendung des Schweizer Fernsehen gesagt, dass «wir die Novartis und die Roche in der Schweiz behalten müssen». Sie drückt damit einfach den Grundkonsens in der institutionellen Schweizer Linken aus, denen es nicht darum geht, die weitere steuerliche Begünstigung der Unternehmen zu verhindern oder gar rückgängig zu machen. Solche Massnahmen müssen einfach für den sogenannten «Mittelstand» erträglich sein, meinte sie, in voller Übereinstimmung mit der NEIN-Kampagne ihrer Partei.

Die USR III wurde von einem beträchtlichen Teil der Basis der Schweizerischen Volkspartei, der Schweizer Version der «Neuen Rechten», abgelehnt; dies, obwohl die Partei die Vorlage zusammen mit allen anderen bürgerlichen Parteien, den Wirtschaftsverbänden, den meisten Regierungen der Kantone und Gemeinden – wo die SPS und die Grünen, vereinzelt auch die PdA vertreten sind – und dem Bundesrat befürwortet wurde. Es ergab sich also eine sehr ähnliche Situation, wie bei der Auseinandersetzung um die Senkung des Umwandlungssatzes bei der beruflichen Vorsorge vom März 2010 (siehe zu Problematik der Gegenreformen in der Altersvorsorge den grösseren Text unter Stoppt den Plan Berset und die Gegenreformen in der Altersvorsorge): auch damals stimmte ein grosser Teil der SVP-Basis – in Übereinstimmung mit der Kampagne der SPS und der Gewerkschaften und linker Organisationen – gegen die Führung ihrer Partei. Mittlerweile aber wird der Angriff auf die Altersvorsorge unter Führung des sozialdemokratischen Bundesrates Alain Berset geführt. Wenn nun die bürgerlichen Parteien – was sie in der Selbstherrlichkeit nach dem Wahlerfolg vom Herbst 2015 bislang vermieden haben – die SPS bei der konkreten Gestaltung dieses Angriffes mitreden lassen, sieht es auch in der Altersvorsorge übel aus für die Lohnabhängigen und Rentner und Rentnerinnen.

Die USR III wurde von der politischen Elite der Schweiz immer wieder als eines der drei wichtigsten und dringlichsten politischen Projekte bezeichnet, neben dem Rückbau der Altersvorsorge und neben der Frage des Verhältnisses zur EU, das vor allem durch die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative der SVP vom 9. Februar 2014 in einen problematischen Status geraten ist. In allen drei Projekten wird die Bourgeoisie auf die Unterstützung der institutionellen Linken zählen können, sofern sie diese in die politischen Entscheidungen in den Gremien der Klassenkollaboration teilhaben lässt. Dass sie anlässlich der USR III ausgeschert ist, hat viel damit zu tun, dass die Bourgeoisie nach ihrem Wahlerfolg vom Herbst 2015 die SPS und die Grünen bei den Ausmarchungen über die USR III im Frühjahr 2016 nicht einbezogen hat.

Mittlerweile verdichten sich die Signale, dass die SPS beim nächsten Versuch, die Privilegien der 24´000 Statusgesellschaften abzuschaffen, einbezogen wird. Denn, wie das obige Zitat von Jacqueline Badran zeigt, wird die parlamentarische Linke sich hinter das Ziel stellen, die Steuern für Unternehmen zu senken. Dies ist allerdings nur zu haben, wenn die seit vier Jahrzehnten forcierten Sparprogramme intensiviert werden und der Service public weiter liberalisiert und verscherbelt wird, wie dies beispielsweise in den TiSA-Verträgen vorgesehen ist.

Die Ablehnung der USR III geht auf einen gesunden Instinkt bei vielen Lohnabhängigen zurück, die sich nicht unendlich von der Propaganda seitens der politischen Elite an der Nase herumführen lassen. Bei der USR III wurden die Lügen zu dick aufgetischt, um die bereits bestehenden Privilegien für die Unternehmer und die Reichen hinter einer Nebelwand von angeblicher Komplexität der Vorlage, einer Erpressung mit der immer wieder wirksamen Arbeitsplatz-Keule und einer angeblichen Notwendigkeit der Senkung der gesamten Unternehmensbesteuerung auf Kosten der breiten Bevölkerung zu verstecken, als dass sich nicht Widerstand hätte rühren müssen. Die NZZ hat dies übrigens bereits während den Parlamentsdebatten vom Frühjahr 2016 geahnt und vor dem Übermut der bürgerlichen Kräfte im Parlament gewarnt. Die Lohnabhängigen sind in ihrer Arbeits- und Alltagsrealität bereits mehr oder weniger schutzlos mit der immer despotischeren Allmacht ihrer Bosse, die vom politischen System gefördert wird, konfrontiert; sie suchen verzweifelt nach Antworten, und in der Ablehnung der USR III haben sie geantwortet.

Wir treten dafür ein, dass erstens die Privilegien der 24´000 Statusgesellschaften unverzüglich abgeschafft werden, dass, zweitens, die Besteuerung der Unternehmen, der Reichen und der Dividenden nach den gleichen Regeln wie für die breite Bevölkerung gehandhabt wird und dass, drittens, die Reichen deutlich höher besteuert werden als dies gegenwärtig der Fall ist; dazu müsste neben anderen Massnahmen die Mehrwertsteuer durch gerechte, einkommens- und vermögensabhängige direkte Steuern ersetzt werden. Das Terrain der Besteuerung ist ein hart umkämpftes Territorium im Klassenkonflikt; wenn dabei keine politische Kraft die Lohnabhängigen konsequent in diesen Kampf führt und entsprechende Mobilisierungen gegen Sparprogramme, Liberalisierungen und Privatisierung und gegen höhere Steuern entwickelt, so werden die Angriffe immer härter und dreister ausfallen.

Das Projekt der USR III war ein Resultat des Fehlens einer solchen politischen Kraft – ihre Niederlage das Signal, dass eine solche politische Kraft notwendig und möglich wäre.

 

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