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Ukrainische Faschisten feiern Putsch

Eingereicht on 23. Februar 2017 – 9:17

Zum Jahrestag der Maidan-Machtergreifung fordern Neonazis bei einem Aufmarsch in Kiew, den Krieg im Donbass zu verschärfen. Deutschland und die USA haben das gleiche Ziel.

Reinhard Lauterbach. Etwa 10.000 Faschisten haben am Mittwoch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew demonstriert. Sie zogen vom Stadtzentrum vor das Parlament und belagerten es für einige Stunden. Die Rechten trugen teilweise Waffen bei sich, machten von diesen aber kein Gebrauch. Mehrere tausend Polizisten und Soldaten hielten die Faschisten vor dem Gebäude der Werchowna Rada auf Distanz.

Aufgerufen zu der Demonstration am dritten Jahrestag der Machtergreifung des Euromaidans hatten die größten faschistischen Organisationen der Ukraine: die Partei »Swoboda«, der »Rechte Sektor« und das aus dem Freiwilligenbataillon »Asow« hervorgegangene »Ostkorps«. Sie forderten unisono eine Verschärfung der Wirtschafts- und Handelsblockade der Aufstandsgebiete im Donbass, den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Russland und den »Kampf bis zum Endsieg«. Zu den politischen kamen soziale Forderungen nach einem Stopp des Handels mit Grund und Boden sowie nach einem Abbruch der Unterwerfung des Landes unter die »Reformen« des Internationalen Währungsfonds.

In die Kritik an der Regierung mischten sich antisemitische Töne: »Ihr Kosaken, sollen Groismänner die Ukraine regieren?« rief einer der Redner in Anspielung auf Ministerpräsident Wolodimir Groisman unter großem Gejohle der Anwesenden. Der als zentrales Versatzstück ukrainischer »Identität« aufgeblasene Kosaken-Mythos ist seit dem Aufstand unter Bohdan Chmelnicki im 17. Jahrhundert untrennbar mit antijüdischen Pogromen verbunden, die damals rund 50.000 Menschenleben kosteten.

Während der Kundgebung vor dem Parlament nahmen mehrere den Faschisten nahestehende Abgeordnete ein »Ultimatum« mit Forderungen an die Regierung entgegen. Der Abgeordnete Andrej Bilezkij, Mitbegründer des Bataillons »Asow« und mutmaßlicher Organisator des Pogroms von Odessa im Mai 2015, erklärte den »Kampf um die Macht« für eröffnet. Kurzfristige Ziele seien die Selbstauf­lösung des Parlaments sowie die Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko.

Die markigen Worte ändern nichts daran, dass die Faschisten offenbar keine ausreichenden Kräfte für einen Putsch haben. Das liegt unter anderem an deren Zersplitterung und Korruption. Andererseits zeigt die Verflechtung zwischen den Faschisten und offiziellen Strukturen, dass ein offener Putsch gar nicht nötig ist. Denn der Regierung ist es in den vergangenen Jahren gelungen, die meisten der 2014 eher spontan entstandenen nationalistischen Kampfgruppen finanziell oder durch die Erpressung mit drohenden Strafverfahren zum Teil gegen deren Führung an sich zu binden.

Symbol dieser Symbiose ist Innenminister Arsen Awakow. Er hat die meisten Freiwilligenba­taillone gegen Bezahlung seiner Nationalgarde unterstellt und verfügt damit für künftige Machtkämpfe über eine starke und kampferprobte Hausmacht. Auch dem Geheimdienst SBU wird nachgesagt, einige kleinere faschistische Gruppen zu steuern. Andere, etwa das Bataillon »Donbass« des »Facebook-Kommandeurs« Semjon Semjon­tschenko, sind mit der mit etwa zehn Prozent der Stimmen im Parlament vertretenen Partei »Selbsthilfe« des Bürgermeisters von Lwiw, Andryj Sadowyj verbunden. Wieder andere sind in die organisierte Kriminalität zurückgekehrt, aus der sie sich ursprünglich auch rekrutierten. Für sie ist der Krieg im Donbass primär eine Erwerbsquelle.

Quelle: junge welt… vom 23. Februar 2017

 

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