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„Der junge Karl Marx“: Gesehen und genehmigt

Eingereicht on 25. März 2017 – 9:52

Manuel Kellner. Ein Spielfilm über Karl Marx in den Jahren 1843–1848, im Exil in Paris, Brüssel und London, das ist schon etwas Besonderes. Manche Kritiken waren nicht eben überschwänglich, aber ich finde diesen Film des Regisseurs Raoul Peck gelungen.

Als ich ihn mir zum ersten Mal angesehen hatte, waren Schulklassen im Saal – und gerade das ist gut so. In den meisten Kinos wurde „Der junge Karl Marx“ nur ein paar Tage gezeigt, und sehr bald ist er wohl ganz abgesetzt. Hoffentlich gibt es ihn dann bald als Konserve, und er sollte möglichst vielen jüngeren Leuten gezeigt werden, die dadurch angeregt werden könnten, mehr über Marx und von Marx zu lesen.

Der Film hat gelungene Spannungsbögen und die handelnden Figuren sind recht gut getroffen. Dabei vermittelt er einigen Inhalt, ohne dadurch schwer verdaulich zu wirken. Das fängt schon mit der ersten Szene an, in der Arme in einem Wald Holz sammeln. Bewaffnete Reiter machen im Dienst der Obrigkeit in brutaler Weise Jagd auf sie. Dazu hört man eine Stimme aus dem Off mit einigen Sätzen von Karl Marx aus seinen Zeitungsartikeln über das neue Holzdiebstahlgesetz. Die Herrschenden erklären das vom lebendigen Baum – also vom Eigentum – bereits getrennte Holz zum Teil des Eigentums, und sein Sammeln zum Diebstahl. Diejenigen, die es sammeln, um Brennholz zu gewinnen, werden damit kriminalisiert. »Das Volk sieht die Strafe, aber es sieht nicht das Verbrechen, und weil es die Strafe sieht, wo kein Verbrechen ist, wird es schon darum kein Verbrechen sehen, wo die Strafe ist.«

Marx, von Haus aus Philosoph, war als Redakteur der „Rheinischen Zeitung“ in Köln auf solche Themen aufmerksam geworden. Nach eigenem Bekunden wurde er durch die Beschäftigung mit ökonomischen und sozialen Fragen von einem radikalen Demokraten zum sozialistischen und kommunistischen Revolutionär. Die Lektüre seiner Artikel zum Holzdiebstahlgesetz machen diesen Übergang sehr eindringlich fühlbar. Der Film zeigt, wie die preußische Polizei gegen die Redaktion der Zeitung vorgeht, die dann verboten wird. In dieser Szene erklärt Karl Marx seinen Mitstreitern, dass er die vorauseilende Selbstzensur satt hat und die herrschenden Verhältnisse in aller Klarheit anprangern will.

Friedrich Engels arbeitet in dieser Zeit als Prokurist für seinen Vater in einer Spinnerei in Manchester. Die Frauen und Kinder, die dort ausgebeutet werden, sind oft völlig übermüdet, verletzen sich an den Maschinen, verlieren ihre Finger. In der Filmszene lässt sich Mary Burns, Irin und spätere Gefährtin des jungen Engels, von dem gestrengen Fabrikherren nicht einschüchtern und wird als „Aufrührerin“ entlassen. Der junge Engels sucht die besonders unterdrückten irischen Arbeiterinnen und Arbeiter in einer Kellerkneipe auf und bittet sie, ihm mit Informationen und Schilderungen dabei zu helfen, seine Schrift über „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ fertigzustellen. Ein über den „feinen Gentleman“ aufgebrachter Arbeiter gibt ihm ordentlich einen auf die Nase, was Engels hilft, die Zuneigung von Mary Burns zu gewinnen und nicht davon abhält, sein Vorhaben zu einem guten Ende zu bringen.

Der Film zeigt die Hauptfiguren Karl Marx und seine Frau Jenny von Westphalen, Friedrich Engels und Mary Burns als Menschen, die liebevoll miteinander umgehen, gemeinsam für die Befreiung der Ausgebeuteten und Unterdrückten kämpfen und – gemessen an den Sitten ihrer Zeit – auf gleicher Augenhöhe sind. Sie ergänzen einander mit ihren Neigungen und Fähigkeiten. Engels bringt Marx dazu, sich eingehend mit der Ökonomie zu beschäftigen. Jenny von Westphalen hilft beiden bei ihrer theoretischen Arbeit und bei der Entzifferung der berüchtigten Marxschen Sauklaue. Mary Burns bringt Marx und Engels in Kontakt mit politisch organisierten Arbeitern, und vor allem mit dem Bund der Gerechten, der unter ihrem Einfluss zum Bund der Kommunisten wird.

Am Ende des Films wird die Entstehung des Kommunistischen Manifests geschildert, das zum Programm des Bundes der Kommunisten wird. Die schwärmerischen Vorstellungen von allgemeiner Liebe und Verbrüderung werden ersetzt durch die Selbstbefreiung der Arbeiter als Mittel zur allgemeinen Emanzipation und durch den Schlachtruf „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

Im Abspann wird zu den Klängen eines Liedes von Bob Dylan die Verbindung zu späteren Bewegungen gezogen bis hin zu Che Guevara und zur Revolte der 1960er Jahre. Marx bleibt aktuell, solange die kapitalistische Klassengesellschaft nicht überwunden ist.

Quelle: sozonline.de… vom 25. März 2017

 

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