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Ökologie: Solidarität mit Standing Rock!

Eingereicht on 31. März 2017 – 10:31

BFS Basel. Die globale Klimakrise ist derart schwerwiegend, dass grundlegende Veränderungen hermüssen. Dabei können wir allerdings weder auf die Regierungen und den neu ausgehandelten Klimavertrag noch auf die Wirtschaft zählen.

Was es braucht, sind vor allem grosse soziale Bewegungen, die sich gegen die ökologische Zerstörung und für eine gesunde Umwelt einsetzen. Ein Beispiel ist die Bewegung gegen den Bau der Pipeline Dakota Access Pipeline in den USA. Einige Schweizer Banken unterstützen den Bau dieser Pipeline, ein Grund mehr, uns mit dem Widerstand zu solidarisieren und von den hier ansässigen Banken zu fordern, dass sie ihre Gelder aus diesem Projekt zurückziehen. Ein Rückzug der Investitionen ist allerdings nicht ausreichend. Solange nach den Regeln des Marktes über Investitionen entschieden wird, ist der Aufbau einer nachhaltigen und solidarischen Gesellschaft unmöglich.

Die ungewisse Zukunft ist bald Gegenwart

In regelmässigen Abständen berichtet die Presse von neuen Temperaturrekorden. Nach 2014 und 2015 wurde auch im Jahr 2016 die höchste Durchschnittstemperatur seit Aufzeichnungsbeginn gemessen. Jüngste Studien zeigen, dass sich die Arktis in einem rasanten Tempo erwärmt. In diesem Winter waren die Temperaturen derart hoch, dass sich nur wenig Eis bilden konnte. Unter den bestehenden Bedingungen wird so schon bald der erste eisfreie Sommer in der Arktis erwartet.

Solche Meldungen geben besonderen Anlass zur Sorge. Denn sie verdeutlichen, dass sich unser globales Erdsystem nicht schrittweise verändert. Vielmehr sind unsere Ökosysteme durch komplexe Rückkoppelungseffekte gekennzeichnet, sodass eine anfänglich kleine Veränderung katastrophale Konsequenzen mit sich bringen kann. Schmilzt überdurchschnittlich viel Eis in der Arktis, wird in der nördlichen Polarregion weniger Sonnenlicht reflektiert und die Ozeane erhitzen sich stärker. Dies wiederum führt zu einer grösseren Eisschmelze, wodurch wiederum der Meeresspiegel ansteigt.

Wissenschaftler*innen sprechen in diesem Zusammenhang auch von sogenannten „Tipping-points“, bei denen teilweise katastrophale Veränderungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Solche Umschlagspunkte werden derzeit ständig überschritten, sodass unser Erdsystem bald in einen radikal neuen, für die menschlichen Zivilisationen seit 10’000 Jahren ungewohnten Zustand versetzt werden wird.

Auch eine globale Erderwärmung von 2°C wird als einer dieser Tipping-Points definiert. So willkürlich diese Zweigradgrenze auch ist und so schlimm die Konsequenzen auch bei einem geringeren Temperaturanstieg sein werden, eines ist dennoch klar: Irgendwo um diese Grenze herum wird es ausserordentlich gefährlich und unsere Ökosysteme werden komplett aus den Fugen geraten.

Um diese Zweigradgrenze mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einzuhalten, dürfen die weltweiten Treibhausgasemissionen seit der Industrialisierung nicht mehr als 1000 Gigatonnen (Gt) betragen. Momentan sind wir bei ca. 600Gt, sodass es einer jährlichen Emissionsreduktion von 3% bedarf, um weniger als die restlichen 400Gt in die Luft zu blasen. Und merke: Da es sich um kumulierte Emissionen handelt, können versäumte Reduktionen immer schwieriger kompensiert werden, je länger wir untätig bleiben. In anderen Worten: Je länger abgewartet wird, desto radikalere Massnahmen braucht es.

Keep it in the ground!

Würden alle bisher bekannten Vorkommen an fossilen Brennstoffen ausgebeutet und verbrannt werden, würde die Grenze von 1000Gt und somit das Zweigradziel in unerreichbare Ferne rücken. Es müssen im Gegenteil ca. 80% der bisher bekannten Vorkommen im Boden verbleiben, um mit einer vertretbaren Wahrscheinlichkeit den Temperaturanstieg bei maximal 2°C zu belassen, ganz zu schweigen von der im Pariser Klimaabkommen definierten Reduktion von „weit unter“ 2°C.

Genau hier liegt die Krux am Ganzen. Da es sich um bekannte Vorkommen handelt, auf welche die Energiefirmen bereits ihren Anspruch geltend gemacht haben, läuft dieses Reduktionsziel den Konzerninteressen fundamental entgegen. Auch zahlreiche Pensionskassen, Banken sowie andere Investoren müssten bei Einhaltung der Reduktionsziele einen markanten Wertezerfall der Erdölfirmen hinnehmen und somit grosse finanzielle Abschreibungen in Kauf nehmen. Die Furcht vor einer solchen Spekulationsblase, auch „Kohlenstoffblase“ genannt, veranlasst die Erdölkonzerne und die davon abhängigen Investoren dazu, sich gegen jegliche einschneidende Klimapolitik zu wehren. Bisher mit grossem Erfolg.

Wo die Rechte recht hat

In ihrem Beststeller „This changes everything“ schreibt Naomi Klein, dass die Rechte im Unterschied zu den Liberalen und Sozialdemokraten besser versteht, welche tatsächlichen politischen Alternativen uns angesichts der Umweltkrise noch offenstehen. Die Rechte ist sich im Klaren darüber, dass die Wahl folgendermassen lautet: „Kapitalismus vs. Klima“. Die Rechte geht somit richtig in der Annahme, dass die Lösung der Umweltkrise einen Bruch mit der kapitalistischen Wachstumslogik benötigt. Natürlich entscheidet sie sich gegen diese Alternative, doch im Unterschied zu anderen versteht sie, dass der Raum für Reformen im Rahmen des kapitalistischen Systems sehr klein ist und von Jahr zu Jahr immer geringer wird.

Ein Vertreter dieser Rechten sitzt nun im Weissen Haus und hat eine Truppe von Klimaleugner*innen, Konzernchefs und Erdöllobbyisten um sich geschart. Dass nun diese Gruppe das Geschick jenes Landes in den Händen hält, welches für 15% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, sollte all jene Lügen strafen, die davon überzeugt waren, die politische Hellsichtigkeit und der wissenschaftliche Konsens würden sich unausweichlich durchsetzen.

Denn Trumps Politik ist aus Sicht der Mächtigen, die ihn unterstützen, nicht irrational. Sie steht für das Ziel einer Wiederherstellung der US-amerikanischen Weltherrschaft mithilfe eines nationalistischen, kriegerischen und rassistischen Projekts, das zur Sicherung der Rohstoffvorkommen auch noch brutalere Enteignungen und Kriege in Kauf nehmen wird. Die Weiterführung der Militarisierung der US-Aussengrenzen, bei welcher der Ausbau der Mauer an der mexikanischen Grenze nur das prominenteste Beispiel ist, muss auch in den Kontext der drohenden Klimakatastrophe gestellt werden. Bereits 2003 kam eine Studie des Pentagons zum Schluss, der Klimawandel werde die wohlhabenden Staaten dazu zwingen, “defensive Festungen“ aufzubauen, um sich vor den Klimaflüchtlingen zu „schützen“. Auch militärischen Auseinandersetzungen würden laut demselben Bericht aufgrund des Bedürfnisses der Länder des Globalen Südens nach natürlichen Ressourcen unausweichlich.

Selbstverständlich würden auch die Bewohner*innen der wohlhabenden Staaten immer weniger am erwirtschafteten Reichtum teilhaben und dafür immer stärker unter der Umweltzerstörung leiden. Es ist kein Geheimnis, dass auch innerhalb der westlichen Industriestaaten arme und prekäre Lohnabhängige, darunter insbesondere ethnische Minderheiten, nur einen eingeschränkten Zugang zu einer gesunden Umwelt haben.

Von Paris nach Marrakesch oder vom Freudentaumel zur Ernüchterung

Während nach dem Abschluss des Klimavertrags von Paris Ende 2015 nahezu alle unisono in einen Freudentaumel und Parolen der Hoffnung auf eine baldige Bewältigung der Klimakrise ausbrachen, blieb es um den folgenden Klimagipfel in Marrakesch erstaunlich still. Die Wahl Trumps hat das gesamte Kartenhaus des Klimaabkommens zum Fall gebracht und die Grenzen dieses Vertrags nochmals deutlich aufgezeigt. Ein Abkommen, das unverbindlich ist und bei dem die unterzeichnenden Staaten nach eigenem Gutdünken ihre Emissionsreduktionen selbst festlegen können, war nämlich im Voraus zum Scheitern verurteilt. Inmitten der weltweiten Wirtschaftskrise sowie der politischen und geopolitischen Konflikte ist es zudem immer wahrscheinlicher, dass viele Regierungen die Bekämpfung des Klimawandels als zweitrangig herabstufen.

Die Möglichkeit einer Bewältigung der Klimakrise liegt daher weniger denn je in den Händen der Regierungschefs und internationalen Organisationen. Als einzige Hoffnung bleiben grosse Massenbewegungen, die sich gegen die zerstörerischen Auswirkungen des kapitalistischen Systems auf allen Ebenen wehren. Dabei dürfen soziale und ökologische Kämpfe keineswegs gegeneinander ausgespielt werden. Der Kampf gegen den Sozialabbau ist kein Kampf der vergleichsweise Privilegierten, die einfach mehr konsumieren möchten. So wie auch der Kampf der Bauern und Indigenen auch kein Kampf derjenigen ist, die einfach noch nicht von der Süsse des urbanen Lebens kosten konnten und sich hinter fortschritts- und technologiefeindliche Vorstellungen flüchten. Der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen muss auf allen Ebenen begegnet werden, sei es beim Abbau der Gesundheitsversorgung und der Sozialleistungen oder bei der Verschmutzung unseres Wassers, unserer Luft und unserer Nahrung.

 #NoDAPL

Eines der jüngsten Beispiele des Widerstands „von unten“ ist die Bewegung gegen den Bau der Dakota Access Pipeline durch verschiedene US-amerikanische Bundesstaaten. Angeführt vom Sioux-Stamm „Standing Rock“ blockierten tausende den Bau der Pipeline durch das Stammesgebiet und unter den Fluss Missouri. Nach Monaten brutaler Repression wurde das Bauvorhaben im Dezember von Obama gestoppt. Zu den ersten Handlungen der Trump-Regierung gehörte allerdings die Wiederaufnahme des Bauvorhabens. Nun hat Trump sogar nachgedoppelt und dem Projekt der Keystone XL Pipeline wieder Leben eingehaucht, obwohl dieses Projekt 2015 dank erfolgreichem Widerstand eingestellt wurde.

Beim Kampf gegen die Dakota Access Pipeline geht es nicht nur um den Respekt der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen. Die Inbetriebnahme der Pipeline würde auch zu Umweltverschmutzung und zur Förderung von zusätzlichen Erdölvorkommen führen. Die Aktivist*innen von Standing Rock sind somit an vorderster Front im Kampf gegen die Profitgier der Erdölfirmen. Erst wenn die Macht dieser und aller anderen Grosskonzerne gebrochen ist, können wir beginnen, eine alternative Wirtschaftsform jenseits der ökologisch zerstörerischen Wachstumslogik aufzubauen.

 Disinvestment und was dann?

 Der Schweizer Finanzplatz spielt eine zentrale Rolle bei der Finanzierung von ökologisch zerstörerischen Projekten und Unternehmen. So investierte auch die Crédit Suisse (CS) massiv in den Bau der Dakota Access Pipeline. Laut einer Recherche von Greenpeace sind von der CS insgesamt 1,4 Milliarden Dollar in das Bauvorhaben und die daran beteiligten Firmen geflossen.

Mit Recht wird daher ein Abzug dieser Investitionen gefordert. Einige Finanzinstitute haben dies bereits getan, so auch kürzlich die Bayrische Landesbank, welche ankündigte, aus dem Projekt auszusteigen, sobald es die Investitionsverträge erlauben. Die Frage bleibt jedoch, was mit den abgezogenen Investitionen geschehen soll. Dürfte die Crédit Suisse diese Millionen anderweitig in den besonders umweltschädlichen Abbau von Ölsand in Kanada investieren, so wie sie es bereits heute tut? Soll sie besser den Anbau von Biotreibstoffen finanzieren, der Kleinbauern vertreibt, die Nahrungsmittelproduktion verdrängt und die Böden verschmutzt? Was wäre mit einer Investition in Umweltzertifikate oder anderen sogenannten „grünen“ Projekten, die aber nicht selten unter Missachtung der lokalen Bevölkerung zu zusätzlichen Emissionen führen? Massenweise investieren die Grosskonzerne mittlerweile in Projekte, die ihr Image „grün waschen“ sollen. Solange diese Unternehmen nach den Gesetzen des „freien Marktes“ investieren können, ist eine nachhaltige Wirtschaft illusorisch.

Es braucht daher dringend eine demokratische Debatte darüber, in welche Wirtschaftstätigkeiten investiert werden soll und in welche nicht. So braucht es massive öffentliche Investitionen in den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, die nachhaltige Energieproduktion, eine gesunde Nahrungsmittelproduktion, umfangreiche internationale Hilfe an die am meisten vom Klimawandel betroffenen Staaten usw. Das Geld für diese Investitionen muss bei denen geholt werden, die bisher den Bau der Dakota Access Pipeline, den Ölsandabbau, das Agrobusiness etc. mitfinanzieren. Natürlich müssen diese privaten Institutionen auch mit strikten Gesetzen davon abgehalten werden, in umweltschädliche Tätigkeiten zu investieren.

Jene, die sich bei der Wahl zwischen Kapitalismus oder Klima für erstgenannten entscheiden, wählen gleichzeitig ein Wirtschaftssystem, bei dem die Entscheidungsmacht bei wenigen Unternehmen und Superreichen liegt, die einzig nach dem Gebot des Profits handeln. Entscheiden wir uns für das Klima und somit den Schutz der Lebensgrundlage von Milliarden von Menschen, so müssen wir auch für eine demokratische und nichtkapitalistische Wirtschaftsform kämpfen, die der Sorge um die Umwelt höhere Priorität beimisst als der Erwirtschaftung von Profiten.

Quelle: sozialismus.ch… vom 31. März 2017

 

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