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Syriza: Wohnungen für Minister – Räumungen für die Bürger

Eingereicht on 27. Februar 2018 – 20:23

Wassilis Aswestopoulos. „Athen bekommt neue Hilfsgelder“, so oder ähnlich titelten die Redaktionen am 20., 21. und 22. Januar über den Abschluss der dritten Inspektion der Kreditgeber für das dritte Kreditpaket der Troika. Es hieß, dass Griechenland die Freigabe für 6,7 Milliarden Euro erhalten würde. Zwischenzeitlich hat die Ratingagentur Moody’s Griechenlands Kreditwürdigkeit aufgewertet. Ist Griechenland nun endlich gerettet?

Nicht wirklich, denn die Staatsanleihen haben immer noch Ramsch-Status. Die Zinsen für zehnjährige Anleihen stiegen zuletzt wieder. Nun sind sie auf dem relativ hohen Niveau von 4,25 Prozent. Zentralbankchef Yannis Stournaras besteht darauf, dass auch für die Zeit nach Abschluss des dritten Kreditprogramms – nach dem August 2018 – eine Kreditlinie, sprich eine Art vierter Rettungskredit für den Fall des Falles bereitstehen muss.

Die Kredittranche des Januars wurde bis heute nicht ausgezahlt. Obwohl am Montag bereits die vierte Inspektion begonnen hat, weigern sich die Kreditgeber immer noch, die Gelder frei zu geben. Vorher muss eine aus Berlin diktierte Bedingung erfüllt werden. Griechenland wurde in der vergangenen Woche ein Ultimatum von zwei Wochen gestellt, die Bedingungen endlich zu erfüllen.

Für den Abschluss der dritten Inspektion waren 110 Maßnahmen in einem entsprechenden Katalog aufgeführt. 108 hatte Athen bis zum Treffen der Eurogruppe zur vollen Zufriedenheit der Kreditgeber geregelt. Eine weitere Maßnahme, die Genehmigung einer Kasino-Trabantenstadt auf dem Gelände des ehemaligen internationalen Flughafens Ellinikon, wurde Mitte Februar erteilt.

Das Gelände von Ellinikon, in perfekter Strandlage im Athener Süden, wurde für einen Spottpreis privatisiert. Es ist hinsichtlich der Ausdehnung und Lage mit dem Fürstentum Monaco vergleichbar. Die Investoren planen nun, hier Kasinos und Wolkenkratzer zu errichten. Beides war bislang im Großraum Athens verboten.

Die Kasinos sollten wegen der Gefahr der Spielsucht weitab von großen Städten sein und Wolkenkratzer waren im regelmäßig von Erdbeben heimgesuchten Griechenland ein Tabu. Zusätzlich dazu bestanden Einwände der Umweltschutz-, Denkmalschutz- und Waldschutzbehörden. Sämtliche Einwände wurden beiseitegeschoben. Die fragwürdige Investition wurde genehmigt.

Produziert Obdachlose!

Der letzte Punkt aus dem Forderungskatalog der Troika betrifft die Versteigerung von gepfändeten Wohnungen. In Griechenland war es bis zur Krise überwiegend unüblich, eine Wohnung zu mieten. Dies war eine Folge des Wirtschaftsmodells des Landes. Die Banken vergaben Kredite an Privatpersonen in der Regel nur für den Wohnungskauf.

Die weiche Währung, die Drachme, eignete sich kaum als Investitionsoption für Sparbücher. In der Folge bildete sich bei der Euro-Einführung eine Immobilienblase, welche von den Banken mit kaum hinsichtlich ihrer Rückzahlbarkeit geprüften Immobilienkrediten befeuert wurde. Die Politik machte gute Miene zum bösen Spiel, steigerten die überteuerten Immobilienpreise doch die Statistik des Bruttoinlandsprodukts.

Mit Griechenlands faktischem Staatsbankrott im Mai 2010 platzte die Immobilienblase. Durch die verordnete inländische Abwertung für das Mitglied der Euro-Zone wurden Löhne, Gehälter und Renten gekürzt. Zahlreiche neue Steuern minderten einen weiteren großen Teil des zur Verfügung stehenden Einkommens. Schließlich wurden neue Immobiliensteuern eingeführt, die so hoch sind, dass die Investoren von Privatisierungen sich die Immobiliensteuerbefreiung in den Kaufvertrag festschreiben lassen.

Bei der Privatisierung des Hafens von Thessaloniki, bei dem neben dem russisch-griechischen Oligarchen Ivan Savvidis auch deutsche Firmen im Investorenkonsortium vertreten sind, wurden neben der ENFIA Steuer, den weiteren geltenden Immobilienabgaben, auch künftige, noch nicht erfundene Abgaben ausdrücklich ausgeschlossen.

Nicht wenige Griechen lehnen wegen der verfallenen Werte und der hohen Steuern auf Immobilien komplette Erbschaften ab. In diesem Zusammenhang hatten bereits die ersten Krisenregierungen als Gegenmittel zum weiteren Preisverfall der Immobilien, aber auch als sozial notwendige Maßnahme, ein Moratorium für die Versteigerung von Wohneigentum erlassen.

Dies betraf von Anfang an nicht alle möglicherweise im Besitz des Schuldners befindliche Immobilien, sondern lediglich die von ihm als Hauptwohnung bewohnte. Die betroffenen Banken erhielten im Gegenzug auf Kosten der Steuerzahler mehrere Kapitalspritzen und setzten dabei die „faulen“ Immobilienkredite bei jeder der Rekapitalisierungen auf die Rechnung.

Die dritte Inspektion des Kreditprogramms gilt jedoch nur als abgeschlossen, wenn die Regierung in Athen in großem Maß Versteigerungen und Zwangsräumungen liefert. Dabei sorgte Tsipras Koalitionspartner Panos Kammenos für seine eigene Klientel, die uniformierten Staatsbeamten, vor.

Hier wird ein staatlicher Fonds die Kredite, die ansonsten mit erheblichem Abschlag an Hedge-Fonds verkauft werden, aufkaufen. Der aus dem Preisabschlag generierte Gewinn wird dann an die überschuldeten Uniformierten weitergeleitet, so dass diese real einen erheblich geringeren Betrag abzahlen müssen.

Wirtschaftsminister Dimitris Papadimitriou begründete ein Verbot, diese Regel für alle Bürger gelten zu lassen damit, dass ansonsten „strategische Zechpreller“ profitieren könnten.

Ausgerechnet Papadimitriou! Denn dessen Gattin musste am Montag von ihrem Ministeramt zurücktreten.

Sozialhilfen für Minister, Streichungen für Bürger

Rania Antonopoulou, die Vize-Ministerin für Arbeit und Soziales, arbeitete und lebte mit ihrem Mann bis zum Wahlsieg von Syriza in den USA. Im Januar 2015 wurde sie zur Abgeordneten gewählt, verlor den Parlamentssitz jedoch bei den vorgezogenen Neuwahlen im September 2015.

Sie behielt ihr Ministeramt trotzdem. Papadimitriou dagegen wurde im November 2016 ins Amt berufen. Das Paar verfügt über ein Jahreseinkommen von 450.000 Euro, knapp 2,8 Millionen Euro Rücklagen, eine Eigentumswohnung in New York, eine 300 Quadratmeter Wohnraum und 180 Quadratmeter weitere Räume umfassende Villa nebst Swimmingpool auf der Insel Syros und eine Eigentumswohnung im Athener Vorort Glyfada. Trotzdem meinten die beiden, dass es angebracht wäre, für die im Zentrum Athens befindliche Mietwohnung 1000 Euro Beihilfe zu beantragen.

Die entsprechenden Beihilfen sind eigentlich für Politiker gedacht, die entweder als Abgeordnete oder als Minister in Athen dienen, und dort über keinerlei Unterbringungsmöglichkeit verfügen. Antonopoulou kassierte insgesamt 23.000 Euro, welche praktischerweise von einem zu ihrem Ministerium gehörenden Ausschuss genehmigt wurden.

Antonopoulou hatte sich in ihrem Antrag als ständig in New York Lebende deklariert. Ob sie angab, dass sie im Raum Attika über Wohnungseigentum verfügt, ist nicht bekannt. Allein dies hätte eine Zahlung von Beihilfen ausschließen müssen. Am Samstag kursierten entsprechende Veröffentlichungen in der Presse. Alle, Regierungsabgeordnete und Opposition gaben sich überrascht von so viel Frechheit. Tatsächlich jedoch wurde die entsprechende, gesetzlich verankerte Regel während der Krise vom Parlament verabschiedet.

Sie wurde als Gesetz 4336/15 am 14. August 2018 als Teil der Bedingungen für den dritten Kreditvertrag von den Fraktionen Syriza, Unabhängige Griechen, Nea Dimokratia, Pasok und To Potami verabschiedet. Jenes Gesetzespakets also, das seinerzeit von der Kreditgebertroika auferlegt wurde. Interessant ist, dass das Gesetz 4336/15 unter anderen auch von Antonopoulou unterzeichnet wurde.

Papadimitriou und Antonopoulou haben als Minister zahlreiche Leistungskürzungen für Bürger zu verantworten. Sie sitzen an Schlüsselpositionen, in denen über das Schicksal der Rentner, der Angestellten und der Freiberufler entschieden wird. Der resultierende Aufschrei in der Bevölkerung war entsprechend groß.

Antonopoulou, die ihre Bereitschaft zur Rückzahlung der Beihilfen signalisierte, sah keinen Grund von sich aus zurückzutreten. Ihr „Rücktritt“ erfolgte, als Premierminister Alexis Tsipras mitteilte, er würde den gegenständlich niemals vorliegenden Rücktritt annehmen. Tsipras versäumte es nicht, die Regeln des Gesetzes 4336/15 „auf Anordnung des Premierministers außer Kraft“ zu setzen.

Er fand jedoch kein Wort zur Erklärung dafür, dass durch das entsprechende Gesetz eine vorherige, seit den Neunzigern geltende Regel auf Minister und Mietwohnungen ausgeweitet wurde. Bis zum August 2015 hatten auswärtige Parlamentarier nämlich lediglich einen Anspruch auf vier Übernachtungen pro Woche innerhalb der Sitzungsperiode des Parlaments. Dieses hatte seinerzeit für die Übernachtungen Mengenrabatte bei Athener Hotels ausgehandelt.

Die Aufregung der Opposition über die Ministerin ist jedoch alles andere als berechtigt. Bis auf die damals nicht im Parlament vertretene Union der Zentristen, haben sämtliche die Sparmaßnahmen befürwortende Parteien entsprechenden Regeln mit ihrem Votum zugestimmt. Schließlich setzt die Nea Dimokratia die vom EU-Parlament als Abgeordnete der Partei bezahlte Maria Spyraki in Athen als Pressesprecherin der Partei ein.

Weitere Sparmaßnahmen …

An anderer Stelle „spart“ der Staat jedoch, wo er kann. Künftig sollen nach dem Willen der Regierung auch Obdachlose Steuern und Sozialabgaben zahlen. Es betrifft die Straßenverkäufer des von Journalisten kostenlos erstellten Magazins Sxedia. Das Magazin wird von Obdachlosen vor allem im Großraum Athen verkauft.

Mit dem Erlös können sie einen Teil ihres Lebensunterhalts bestreiten. Bei jedem Verkauf geben sie ihren Kunden eine Rechnung, wodurch die Mehrwertsteuer und weitere mit dem Periodikum zusammenhängende Abgaben erfasst werden. Doch das ist dem Staat nicht genug. Er möchte, dass die Obdachlosen zusätzlich 26 Prozent an die Versicherungsanstalt für Freiberufler abführen.

Finanzminister Euklid Tsakalotos musste zudem eingestehen, dass der von ihm als Lösung propagierte Kampf gegen Steuerflucht schwieriger als erwartet ist. Der Staat hat für die Finanzknappheit ein altes Mittel gefunden, 250.000 Freiberufler sollen für die nächsten dreizehn Monate doppelte Sozialabgaben zahlen.

Quelle: Telepolis… vom 27. Februar 2018

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