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Die Mörder-AG der großen westlichen Demokratien

Eingereicht on 7. September 2018 – 10:36

Christian Girschner. Bei diesem Buch von Manlio Dinucci handelt es sich um eine Zusammenstellung von militärpolitischen Kolumnen, die er zwischen 1990 und 2015 verfasste. Einige der abgedruckten Beiträge hat der Verfasser mit anderen Autoren zusammengeschrieben. Die überwiegende Mehrheit der Beiträge von Dinucci erschienen in der italienischen Zeitung „II Manifesto“ unter der Rubrik „Die Kunst des Krieges“. Mit diesem Rubriknamen bezieht sich der Verfasser unmittelbar auf die klassische Militärtheorie von Sun Tzu. Deshalb ist auch in seinem gleichnamigen Buch jedem Kapitel ein passendes Zitat als Motto von Sun Tzu vorangestellt.

Manlio Dinucci: Die Kunst des Krieges. Jahrbücher der Strategie. USA/NATO (1990-2015). 576 Seiten, 2017. Zambon Verlag

Im Mittelpunkt der zusammengestellten Analysen von Dinucci steht die Neuausrichtung der geopolitischen und militärischen Doktrin und Praxis der USA (und damit der von ihr beherrschten NATO) nach dem Zerfall und dem Verschwinden der Sowjetunion. Unter diesem Gesichtspunkt erklärt der Autor die zwischen 1990 und 2015 erfolgten Kriege und verdeckten Militäroperationen (d. h. den Irakkrieg von 1991 und 2003, Jugoslawienkrieg 1999, Afghanistankrieg 2001, Libyenkrieg 2011 und den NATO-Putsch in der Ukraine von 2014). In einem Kapitel über die verdeckten Kriege der USA/NATO geht er außerdem auf den Syrienkrieg ein und erläutert u.a. weitere Militäroperationen in Afrika (Mali, Südsudan, Nigeria). In den zahlreichen Beiträgen über den Nahen Osten geht der Verfasser auch immer wieder auf israelische Militäreinsätze ein.

Dinucci stellt in seinen Kolumnen keine allgemeine Theorie auf, sondern benennt verblüffende Details, Zusammenhänge und Hintergründe dieser Kriege, die nur wenigen bekannt sein dürften. Zudem erläutert er immer wieder, wie die USA und ihre Verbündeten diese Kriege zum Testen von neuen Waffensystemen nutzten (amerikanische Fassbomben, >Gänseblümchenschneider< bzw. daisy cutter, Grafit-Bomben, Killerdrohnen mit ihren Waffensystemen usw.) und beschreibt diese in ihren furchtbaren Wirkungen, die in unseren Massenmedien nie genannt werden. Im Folgenden werde ich den informativen Gehalt der militärpolitischen Kolumnen von Dinucci an einigen Punkten veranschaulichen. Alex Zanotelli schreibt im Vorwort zu diesem Buch völlig zurecht, dass er Dinucci „zutiefst dankbar“ ist, „dass er für mich und viele andere in Italien dreißig Jahre lang eine unerschöpfliche Informationsquelle über die Waffen und jeweiligen Kriege war“. Hierzulande sollte man ebenfalls auf diese italienische Informationsquelle zurückgreifen, um die geo- und militärpolitischen Hintergründe der vergangenen und noch kommenden USA/NATO-Kriege besser zu verstehen.

1) Der erste Irakkrieg als Modell zukünftiger Kriege

Im Irakkrieg (1991), dem „ersten Krieg nach dem Kalten Krieg“, wurden die neuen Grundprinzipien der Außenpolitik der USA entworfen. Nach diesem Krieg gingen diese dann in die entscheidenden militär- und außenpolitischen Leitlinien ein. Schließlich war dieser Krieg gegen den Irak eine „Demonstration der amerikanischen Militärmacht“ nach dem Sieg im Kalten Krieg (S. 64): Die Vereinigten Staaten sind nun die „alleinige Supermacht“. Letzteres demonstrierten die USA nicht nur durch die Stationierung von rund 1000 Nuklear-Sprengköpfen auf dem irakischen Kriegsschauplatz (S. 67), sondern auch dadurch, wie Dinucci 1991 betonte, dass dieser Krieg als der zerstörerischste in die Geschichte eingeht, „der jemals in solch einer kurzen Zeit mit >konventionellen< Waffen ausgetragen worden ist“ (S. 21). Dazu gehört die durch freigegebene Unterlagen vom US-Militärgeheimdienstes DIA belegte Tatsache, dass die US-Luftwaffe und ihre Verbündeten die irakischen Trinkwasseranlagen und Aufbereitungsanlagen gezielt und methodisch durch ihre Bombardierungen zerstörten, um Infektionskrankheiten und Epidemien in der Bevölkerung auszulösen, „um den Zusammenbruch des Iraks zu beschleunigen“ (S. 251 ff.). In einem längeren Beitrag erläutert der Verfasser deshalb nicht nur die Vorgeschichte des Irakkrieges, sondern auch, wie die USA diesen Krieg bewusst eingefädelt hatten, um ihren neuen Weltmachtstatus zelebrieren zu können.

Der Irakkrieg wurde von den USA als „Modell für zukünftige Kriege“ nach dem Kalten Krieg angesehen. Die daraus hervorgegangene außenpolitische Leitlinie der USA lässt sich wie folgt zusammenfassen (S. 82-100): Die Vereinigten Staaten üben die globale Kontrolle über die Welt nach dem Verschwinden der Sowjetunion aus. Diese unangefochtene Weltmachtposition soll erhalten werden. Daher wollen die USA mit politischen, ökonomischen und militärischen Mitteln verhindern, dass andere Staaten zu regionalen oder sogar zu globalen Konkurrenten aufsteigen. Letzteres schließt ein, dass die USA die ökonomisch und strategisch wichtigen Regionen und Ressourcen wie Erdöl und Erdgas sowie die Transportwege/-korridore für Rohstoffe, Energie und Waren auf der Welt kontrollieren. So können die USA jeden Staat von dem Zugang zu diesen Ressourcen und Märkten abschneiden, der sich nicht ihrem Kommando unterordnen will, weil er eigene regionale oder globale Machtambitionen verfolgt. Die Durchsetzung dieses globalen Herrschaftsanspruchs der USA kann daher nicht auf den Einsatz von militärischer Gewalt verzichten. Dementsprechend heißt es im Pentagon-Dokument „Defense Planning Guidance“ von 1992: „Unser erstes Ziel ist es, das Erscheinen eines neuen Feindes zu verhindern, sei es auf dem Gebiet der Sowjetunion oder anderswo (…). Dieser Gedanke ist entscheidend für die neue regionale Verteidigungsstrategie, die fordert, dass wir jede Macht daran hindern, eine Region zu beherrschen, deren Ressourcen zur Entstehung einer globalen Macht ausreichen würden. Diese Regionen umfassen Westeuropa, Ostasien, Sowjetunion und Südwest-Asien“ (S. 82 f.). Dieser Anspruch wird u.a. spezifiziert, wenn in aller Deutlichkeit ausgeführt wird: „Unser generelles Ziel im Nahen Osten und in Südwest-Asien sind die externe Vormachtstellung in der Region und der amerikanische und westliche Zugang zum Erdöl dieser Region. (…) Wie die irakische Invasion in Kuwait gezeigt hat, bleibt es grundsätzlich wichtig, zu verhindern, dass eine Hegemonialmacht oder eine Machtkoalition die Region beherrscht. Dies betrifft besonders die arabische Halbinsel“ (S. 88).

Obendrein ging diese US-Leitlinie in die nach dem Kalten Krieg formulierte neue Strategie der NATO ein (S. 93 ff. u. S. 157). Denn die NATO-Staaten sollten nun auch dem US-Weltherrschaftsanspruch dienstbar zur Seite stehen, in dem sie jetzt Militäroperationen außerhalb des NATO-Gebietes absolvieren, um den “>Erhalt des freien Welthandels<“ und den Zugang „>zu strategischen Rohstoffen<“ zu gewährleisten (S. 102). Die NATO-Mitglieder sollen also die unter amerikanischer Führung stehende „neue Weltordnung“ (Bush) militärisch absichern helfen, wenn „westliche Interessen infrage gestellt werden“ (S. 105). In dem oben zitierten Pentagon-Dokument wird darüber hinaus herausgestellt, dass die NATO „als Kanal des amerikanischen Einflusses“ in Europa erhalten werden muss. Deshalb muss die „Schaffung alleiniger europäischer Sicherheitsinstrumente“ verhindert werden, die die „integrierte Kommando-Struktur der Allianz“, also die US-Kommandohoheit in der NATO, bedrohen würden (S. 85).

Die neue Strategie der NATO nach dem Kalten Krieg führte einerseits dazu, dass diese u.a. in Afghanistan, Irak, Sudan, Somalia, Syrien, Libyen, am Horn von Afrika und im Indischen Ozean militärisch aktiv wurde (S. 460). Andererseits ist die NATO-Organisation „grenzenlos geworden“ (S. 518). Und zwar, um nur einige Beispiele zu nennen, durch die erfolgte „NATO-Annexion aller Länder des früheren Warschauer Paktes, plus zweier jugoslawischer und dreier Ex-UdSSR-Republiken“ sowie durch die faktische Einverleibung der Ukraine (S. 476 f.); durch die vertiefte Zusammenarbeit mit den Staaten aus >Mittelasien< (Georgien, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan); durch die Partnerschaft mit vier Golf-Monarchien (Bahrain, Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait, Katar); durch die Militärkooperation mit Saudi Arabien und Israel. Hinzu kommen noch Abkommen mit Japan und Australien sowie die militärische Unterstützung der Afrikanischen Union. Inzwischen sollen auch mit lateinamerikanischen Staaten, wie zum Beispiel Kolumbien, Kontrakte geschlossen werden (S. 519, 312) [1].

Allerdings ist die Durchsetzung des amerikanischen Weltherrschaftsanspruchs nach dem Kalten Krieg für Dinucci vom langsamen ökonomischen Abstieg der USA geprägt, der sich u.a. in einem wachsenden Handelsbilanzdefizit ausdrückt (S. 231), welches nur durch den Zustrom ausländischen Kapitals finanziert werden kann. Da dieser Abstieg offenbar nicht mehr allein mit wirtschaftlichen Maßnahmen aufgehalten werden kann, wirft Washington umso stärker „sein Schwert in die Waagschale“ (S. 513), um ausländisches Kapital anzuziehen. Besonders institutionelle Anleger legen ihr Kapital nicht nur wegen des Profits in den USA an, sondern sie tun dies „im Glauben an die USA als >globale Macht<, die ihre Interessen auch mit militärischer Gewalt durchsetzt“ (S. 231). Die amerikanische Supermacht braucht also den Krieg „nicht nur wegen der Zurechtstützung aufstrebender Regionalmächte und der Kontrolle strategischer Gebiete (…). Sie braucht den Krieg, weil sie durch den Wurf ihres Schwertes in die Waagschale ihr Supremat behauptet und daher ihre Zuverlässigkeit in den Augen der Großinvestoren, die durch das Anlegen ihres Kapitals in den USA das amerikanische Defizit finanzieren“ (231 f.).

Die Verteidigung und Erhaltung der amerikanischen Weltmachtposition führte unter diesen Umständen zur neuen „Kampfansage an Russland“ sowie zur wachsenden Verlegung von US-Streitkräften in die Asien-Pazifik-Region gegen China. Damit wollen die USA gemeinsam mit den europäischen Mächten verhindern, dass eine „chinesische Militärmacht zusammen mit Russland die >derzeitige Weltwirtschaftsordnung< stürzt“ (S. 513). Die USA/NATO entfachen deshalb auch einen gegen China und Russland gerichteten „Rüstungswettlauf in den Atomkrieg“ (S. 485 – 569) und wollen mit >Freihandelsabkommen< die anti-russisch-chinesische Front weiter konsolidieren, die zugleich den Einfluss der USA in Europa und Asien weiter erhöhen (S. 477). Gleichzeitig ist die USA/NATO unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung dabei, ein Militärnetz (Stützpunkte, Militärhilfen etc.) über Afrika zu spannen, um die gegenüber China in vielen Regionen verlorene Kontrolle über die afrikanischen Ressourcen für die eigenen Konzerne wieder herzustellen (S. 407 f., 413).

2) Neubeginn des Kalten Krieges: Jugoslawienkrieg und NATO-Osterweiterung

In seinen Beiträgen über den Krieg gegen Jugoslawien führt Dinucci aus, dass die Ursache dieses Krieges in einem alles dominierenden ökonomischen und geopolitischen Interesse der USA lag: Die Vereinigten Staaten sahen nach dem Verschwinden der sozialistischen Staaten in einem geeinten Europa eine Gefahr für ihre Weltherrschaft. Deshalb legt es Washington „darauf an“, bemerkt Dinucci schon 1999, „die nach dem Kalten Krieg entstandene Wirtschaftsachse zwischen West- und Osteuropa (einschließlich Russland) zu schlagen, durch die Zerstörung der Wirtschaft Serbiens (Knotenpunkt der Ost-West-Verbindung), durch die Förderung des politischen Auseinanderfallens im Balkan, und indem es Europa in einen neuen Kalten Krieg zwingt (wozu die NATO-Erweiterung in den Osten beiträgt). Diese erstarkende Achse könnte einen zusammengewachsenen Bereich schaffen, der sich durch deutliches Überflügeln von Nordamerika zum weltweiten Wirtschaftszentrum auswachsen könnte, bis zur Autonomie sogar auf militärischer Ebene“ (S. 144 f.; Herv. von C.G.).

In diesem Zusammenhang wirft der Autor die Frage auf, warum die europäischen Regierungen, die sich am Krieg gegen Jugoslawien beteiligt hatten, diese ökonomische Selbstschädigung bzw. „Selbstverstümmelung“ (S. 176) mittragen: „Ist dieses Europa mit einer Einheitswährung wirklich so kurzsichtig, dass es ihm nicht gelingt, zu erkennen, was ihm schadet? Oder haben die Regierungen, wie die britische, deutsche und französische, der neuen NATO, deren Osterweiterung und dem Krieg gegen Jugoslawien erst zugestimmt, nachdem sie heimlich mit Washington eine Aufteilung Osteuropas und anderer Regionen in Einflussbereiche ausgehandelt hatten?“ (S. 145)

Denn die ökonomischen und ökologischen Schäden des Krieges sind gewaltig: „Systematisch zerstörte das Bombardement die Strukturen und Infrastrukturen in Serbien und im Kosovo, mit Tausenden Opfern, die meisten Zivilisten. Unter anderem wurden 63 Brücken, 14 Kraftwerke, die Raffinerien in Pancevo und Novi Sad, die Automobilfabrik Zastava und weitere 40 Industriebetriebe, über 100 Einkaufszentren, 13 Flughäfen, 23 Bahnstationen und -linien, über 300 Schulen mit geschätzten Kosten (nur für Serbien) von über hundert Milliarden Dollar zerstört“ (S. 171). Hinzu kommen noch die kriegsbedingten Umweltschäden (z. B. durch Hunderte Tonnen von freigesetzten hochgiftigen Chemikalien, die Schäden durch abgereicherte Urangeschosse) sowie der wirtschaftliche Schaden für den gesamten Balkan, Mittelost-Europa und die Europäische Gemeinschaft (S. 174).

Mit dem Jugoslawienkrieg wollten also die USA verhindern, „dass durch autonome Integration ein wirtschaftlicher Gegenpol zum nordamerikanischen entsteht“. Allerdings zogen die europäischen Staaten aus dem Jugoslawienkrieg nicht die zu erwartende Lehre, dass man sich nun dafür einsetzt, wie „man weitere Kriege (…) durch Opposition gegen die Machtpolitik der Vereinigten Staaten“ verhindert, sondern, dass man vielmehr seine militärischen Kapazitäten ausbauen muss, „um weitere Kriege führen und sich gegenüber dem amerikanischen Verbündeten stärker behaupten“ zu können (S. 176 f.).

Und die von den USA vorangetriebene NATO-Osterweiterung benutzte diese nicht nur dazu, die Grundlage für einen neuen Kalten Krieg mit Russland zu legen, sondern auch um ihren Einfluss in den neuen NATO-Mitgliedern auszubauen und zu sichern. Denn die USA setzten durch, dass die osteuropäischen Länder amerikanische Waffensysteme als „Bedingung für die Aufnahme in die NATO“ anschaffen müssen. Die USA stellten großzügige Kredite für diese Waffenkäufe und eine enge militärische Zusammenarbeit (Ausbildung, Beratung, Modernisierung etc.) zur Verfügung: „So sichern sich die Vereinigten Staaten eine Reihe militärischer, wirtschaftlicher und daher auch politischer Werkzeuge, um diese Länder innerhalb der NATO bei der Stange und in direkter Abhängigkeit von Washington zu halten“ (S. 164). Und Dinucci weist ferner darauf hin, dass die USA damit auch einen politischen Hebel installierten, um das >alte Europa< (Deutschland und Frankreich) ökonomisch weiter zu schwächen und notfalls „zu isolieren, das eines Tages autonom werden könnte“ (S. 160 f.), um so den Aufstieg eines neuen und global agierenden Konkurrenten zu verhindern: „Weil Polen, Tschechien und Ungarn über kurz oder lang auch der Europäischen Gemeinschaft beitreten werden (die anderen Ost-Länder werden folgen), sichern sich die Vereinigten Staaten auch direkten Einfluss auf die EU und in der EU selbst. Andererseits gehen die wirtschaftlichen und sozialen Probleme jener Länder zulasten der EU, mit deren zusätzlicher Belastung durch die gestiegenen Militärausgaben“ (S. 164). Der Sinn und Zweck der NATO-Osterweiterung ist nur angemessen zu begreifen, wenn diese als ein Baustein in der US-Weltherrschaftssicherung nach dem Zerfall der Sowjetunion angesehen wird, d. h. die „Neufestlegung der geopolitischen und geostrategischen Landkarte von ganz Europa unter Anlehnung seiner Veränderungsprozesse an den wirtschaftlichen, politischen und militärischen Interessen der USA“ (S. 164).

3) Der lang vorbereitete Krieg gegen Afghanistan

Hinsichtlich des dritten Krieges nach dem Kalten Krieg, dem Afghanistankrieg (2001), stellt Dinucci heraus, dass dieser Krieg nur adäquat verstanden werden kann, wenn er als ein zentraler Baustein in der langfristigen Weltmachtstrategie der USA in Asien gesehen wird.

Afghanistan ist von „enormer strategischer Bedeutung“ sowohl für die Kontrolle der umliegenden Region (dem Kaspischen Meer mit seinen großen Erdöl- und Gasreserven; den ehemaligen Sowjetrepubliken; den ökonomisch aufsteigenden Staaten China und Indien; Pakistan; Iran und der Nahe Osten mit dem größten Erdölvorkommen der Welt; im Süden der strategisch wichtige Indische Ozean für jede Militäraktion in Asien) als auch als Transportkorridor für Erdöl und Gas vom Kaspischen Meer zum Golf, der Russland und den Iran umgeht. Bereits 1994 erklärten die USA die Kaspische Region zum vorrangigen amerikanischen Interessenbereich (S. 219), um die Machtlücke zu füllen, die der Untergang der Sowjetunion dort hinterlassen hatte (S. 210). In einer Chronologie über die Entwicklung der afghanischen Pipelineprojekte für Erdöl und Gas zeigt Dinucci, dass den USA spätestens 1999 die Kontrolle über den afghanischen Transportkorridor entglitten war „und damit die Möglichkeit der Kontrolle über die Energieversorgung aus Asien mit dem Gas und Erdöl vom Kaspischen Meer“ (S. 223). Damit war die Situation eingetreten, die das Pentagon in seinen Strategiepapieren vorhergesehen hatte und die Antwort kann nur der „Einsatz der >bewaffneten Streitkräfte“ sein, „deren Ziel der Schutz und die Förderung der nationalen Interessen der Vereinigten Staaten ist<, um >das Regime eines feindlichen Staates auszuwechseln oder ein fremdes Gebiet zu besetzen, bis die strategischen amerikanischen Ziele verwirklicht sind<“ (S. 223).

Deshalb waren die US-Planungen und Vorbereitungen für einen Krieg gegen Afghanistan schon vor den Anschlägen in den Vereinigten Staaten vom 11.9.2001 abgeschlossen und lagen bereits zwei Tage vor den Anschlägen auf dem Tisch des US-Präsidenten (S. 209) [2]. Außerdem hätte ohne „vorherige Vorbereitung (…) die Operation >dauerhafte Freiheit< niemals so schnell und planvoll durchgezogen werden können“ (S. 199). Zu den langfristigen Kriegsvorbereitungen gehörte beispielsweise die Ausbildung von Piloten für 50 Stunden-Flüge des Tarnkappen-Bombers B2-Spirit, damit diese von den USA aus Afghanistan bombardieren konnten. Zudem bezieht sich Dinucci auch auf einen Bericht des US-Verteidigungsministeriums (Quadrenial Defense Review) vom 30.09.2001: „Der Bericht zeigt ohne Umschweife auf, dass die Operation „dauerhafte Freiheit“ keine auf die Vernichtung der Bin Laden-Organisation beschränkte Militäraktion ist, sondern den ersten Schritt einer langfristigen Strategie darstellt, mit der die USA ihre Rolle als „globale Macht“ aufzwingen und verhindern wollen, dass sich Mächte in >entscheidenden Regionen entfalten<, beginnend in Asien, welche die Vereinigten Staaten herausfordern könnten.“ (S. 213). Hierunter fällt auch die von den USA als „Herausforderung amerikanischer Interessen“ angesehene „Wiederannäherung“ zwischen China und Russland (S. 210), die 2001 gerade neue Wirtschafts- und Militärabkommen miteinander abgeschlossen hatten.

Bei dieser ersten Kriegsoperation zur „Neuordnung des asiatischen Raums“ hatten die USA bezeichnenderweise die NATO übergangen. Deutschland und Frankreich entwickelten deshalb einen großen Eifer, sich an dem Krieg gegen Afghanistan ungefragt zu beteiligen, denn ihnen war klar, „dass am Ende eine Neuaufteilung der Einflussbereiche“ in Asien (vor allem im Bereich des erdölreichen Kaspischen Meers) stehen würde, wie sie es „schon auf dem Balkan erlebt“ hatten (S. 214).

Afghanistan, so stellt Dinucci 2014 nochmals heraus, ist ein „Drehkreuz zwischen Mittel- und Süd-, West- und Ostasien“ und wird „heute immer wichtiger, wo die USA-/NATO-Strategie auf eine neue Auseinandersetzung mit Russland und letztendlich mit China zusteuert“ (S. 435). Aus diesem Grund haben die USA/NATO ein Abkommen mit Afghanistan über ihre militärischen Stützpunkte geschlossen, welche eine „Lagerung der für einen größeren örtlichen Krieg erforderlichen Waffen und Ausrüstung gestattet“ (S. 434).

Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren, wie z. B. Noam Chomsky, die die offizielle Version der Anschläge vom 11.9.2001 in den USA unhinterfragt vertreten, bezweifelt Dinucci diese nicht nur, sondern legt sich angesichts der unzähligen Ungereimtheiten und Lücken, von denen er zahlreiche anführt, deutlich fest: „Die offizielle Version fällt jedoch zusammen wie die Türme: wie ein Kartenhaus“ (S. 192).

Treffend weist er darauf hin, dass diese Anschläge zur passenden politischen Vollmacht und ideologischen Legitimation für die US-Weltherrschaftssicherungspläne wurden, um nun überall auf der Welt Kriege anzuzetteln und spezielle Militärkommandos einzusetzen: „Dieser >Krieg neuer Art<, in dem >es keine klaren geografischen Grenzen gibt<, wird nicht gegen einen präzisen Feind geführt, wie Bush definierte, sondern >gegen einen Feind, der sich im Dunkeln versteckt<. Als solcher kann von Fall zu Fall nicht nur ein Terrorist identifiziert werden, sondern jeder, der sich gegen die amerikanische Politik und Interessen stellt“ (S. 193). Man kann sich hierbei sicher sein, schreibt Dinucci, dass jede militärische Operation der USA nicht vorwiegend dazu geführt wird, um den Terrorismus zu bekämpfen, sondern um „ihre Kontrolle über bestimmte strategische Gebiete zu stärken“ (S. 195). Allerdings kann auch Washington einer Sache nicht sicher sein: „der Reaktionen auf solche Aktionen“ (ebd.).

4) Das Modell der Mörder-AG der großen westlichen Demokratien

Zu diesem „Krieg neuer Art“ gehört nicht nur der massive Einsatz von Killer-Drohnen in Afghanistan, Pakistan, Irak, Jemen, Somalia und anderen Staaten, sondern auch von verdeckt agierenden Spezialeinheiten des Militärs. Für diesen Zweck hatten die USA das Kommando für Sonderoperationen (USSOCOM) erschaffen, welches inzwischen (2014) in 78 Staaten mit rund 70.000 Kräften und Fachleuten im Einsatz ist, um (a) Feinde auszuschalten, (b) nicht konventionelle Kriege mit (von ihnen organisierten, ausgebildeten und bewaffneten) externen Kräften zu führen, um (c) Gegenaufstände zur Unterdrückung von Rebellionen zur Unterstützung verbündeter Staaten zu initiieren und (d) psychologische Operationen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung zugunsten von US-Militäraktionen und amerikanischen Interessen zu lancieren (S. 370, 375, 415 ff.).

USSOCOM hat sich inzwischen das Ziel gesetzt, ein globales Netz für Sonderoperationen unter US-Befehl und unter Beteiligung der Verbündeten bis 2020 einzurichten (S. 417). Die neue Art der Kriegsführung, die mit verdeckten Operationen einen Angriff vorbereiten und durchführen, soll ein Land von innen untergraben (Modell Libyen) oder den inneren Zusammenbruch eines Landes herbeiführen (Modell Syrien) (S. 406 f.).

Verdeckte Kriegsoperationen werden zunehmend von den USA bevorzugt, „weil der offene Krieg die Karten der amerikanischen Strategie und die dahinter liegenden Interessen aufdeckt“ (S. 405). Aus diesem Grund wird „der Krieg nicht mehr erklärt“ (S. 402), sondern verdeckt praktiziert.

Außerdem wurde eine Privatisierung des Krieges eingeleitet. Dies erfolgte durch den Einsatz einer von Unternehmen betriebenen Schattenarmee („Kriegs-AG“) an der Seite der offiziellen Armee, „die wiederum zunehmend aus Sondereinheiten besteht, deren Operationen geheim sind. Die Privatisierungs-Strategie, die den Staat zugunsten der wirtschaftlichen und finanziellen Eliten demontiert, in deren Händen die wirkliche Macht liegt, gilt also auch für den Krieg. Mit dem Vorteil, dass hier das Blut im Verborgenen fließt, was den Schein wahrt und die öffentliche Meinung der >großen westlichen Demokratien< nicht beunruhigt. Nicht privatisiert werden dagegen die Kosten für den Krieg“ (S. 377).

In diesem Zusammenhang verweist Dinucci u.a. auf das Handbuch der US-Armee über den „>Stellvertreter-Krieg für das 21. Jahrhundert<“, wo ausgeführt wird: Die traditionellen Streitkräfte werden in diesem Krieg „durch Spezialkräfte und Geheimdienste ersetzt, die verdeckt arbeiten, mit Unterstützung der Verbündeten, die unter dem Kommando der USA handeln“ (S. 373). Es handelt sich hier um ein Modell einer „staatlichen Mörder-AG“: „Die Kommandos für Sonderoperationen tragen allgemein keine Uniformen, sondern verkleiden sich ortsüblich. Die von ihnen verübten Morde und Folterungen bleiben daher anonym. Und weil in der NATO die Vereinigten Staaten das Sagen haben, werden die Verbündeten höchstwahrscheinlich das gleiche Modell übernehmen, das Modell der Mörder-AG der >großen westlichen Demokratien<“ (S. 376; vergl. Rose 2018; Scahill 2013).

Sogar die New York Times berichtete 2015 über eine „supergeheime Einheit des US-Kommandos für Sondereinheiten“ mit dem Namen Team 6, „die >stille Morde< übernimmt. (…) Sie morden sogar mit >primitiven Tomahawks<, tummeln sich in >Spionagestationen in der ganzen Welt<, geben sich als >zivile Firmenmitarbeiter oder als Botschaftsangehörige< aus, verfolgen diejenigen, welche die >Vereinigten Staaten töten oder gefangen nehmen wollen<. Das >Team 6< ist zu einer >globalen Menschenjagd-Maschine< geworden“ (S. 456).

Solche Kommandos für verdeckte Sonderoperationen wurden beispielsweise nach der Irakinvasion (2003) eingesetzt, um die Opposition gegen die amerikanische Besatzung zu vernichten: „Zu diesen Operationen zählen die Folterungen und Massenerschießungen durch Todesschwadronen. Letztere setzen sich aus Angehörigen der amerikanischen und irakischen Geheimdienste und gewiss auch aus qualifizierten Fremdfirmenmitarbeitern (contractors) zusammen, direkt oder indirekt vom Pentagon angeheuert“ (S. 278).

Die verdeckt gehaltenen Kriegsoperationen führen dazu, dass diese aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwinden, „die weitgehend nur noch das glaubt, was sie sehen kann, besser gesagt, was die großen Medien ihr nach Verdrehungen und Verfälschungen wissen lassen wollen“ (S. 417).

Sowieso ist es nach Dinucci ein „Talent der Kriegskunst im 21. Jahrhundert (…), den Krieg, nachdem er geführt wurde, durch die Verschleierung seiner Folgen aus dem Gedächtnis verschwinden zu lassen. Die Urheber von Aggressionen, Invasionen und Massentötungen können sich das Gewand der guten Samariter überziehen, die eine barmherzige Hand ausstrecken, besonders gegenüber Kindern und Jugendlichen, den ersten Opfern des Krieges“ (S. 389).

5) Neuaufteilung Afrikas: Krieg gegen Libyen

Die verdeckte Kriegsführung – mit Sonderkommandos und dem Einsatz ausgebildeter externer Kräfte – ist nicht nur kennzeichnend für den bis heute andauernden NATO-Krieg gegen Syrien, sondern auch für den Krieg gegen Libyen (2011), dem fünften Krieg nach dem Kalten Krieg, den Dinucci als wichtigen Baustein zur Neuaufteilung Afrikas ansieht.

Auch in diesem Krieg wurden neue Waffensysteme und der Einsatz von Killerdrohnen getestet, die Dinucci beschreibt. Schließlich wurde dieser NATO-Krieg durch den Abwurf von 40. bis 50.000 Bomben über Libyen in über 10.000 Luftangriffen und durch das Einschleusen sowohl von amerikanischen, britischen, französischen, katarischen, italienischen Geheimdienstagenten und Spezialkräften, die den Krieg vor Ort organisierten und koordinierten, als auch durch bewaffnete und vom Pentagon ausgebildete katarische Einsatzkräfte, die als libysche Rebellen getarnt wurden, gewonnen.

Nebenbei haben amerikanische und europäische Führungskreise libysche Staatsgelder geraubt. Vor dem Krieg hatte vermutlich Goldmann Sachs fast 1,3 Milliarden Dollar veruntreut, die Libyen dort investiert hatte. Neben Goldmann Sachs hatten weitere internationale und europäische Banken und Finanzunternehmen für einen unerklärlichen Schwund libyscher Investitionen gesorgt: Libyen drohte „allen mit internationalen Klagen, was dem Ruf dieser >angesehenen< Finanzverwalter geschadet hätte. Alles löste sich in Wohlgefallen auf, als USA und EU die libyschen Staatsgelder im Februar einfroren. Deren >treuhänderische Verwahrung< obliegt genau denjenigen Banken und Finanzfirmen, welche diese so gut verwaltet hatten. Aus dem Diebstahl wurde mit dem Beginn des Krieges im März bewaffneter Raub. (…)“ (S. 353).

Katar investierte in diesen „Beutezug“ gegen Libyen rund 2 Milliarden Dollar. Es schleuste 5.000 Mann Spezialkräfte als „Rebellen“ in Libyen ein, um die Stämme aufzumischen, und lieferte Waffen und Geräte, um sich anschließend >eingefrorene< Anteile des libyschen Staatsschatzes einzuverleiben (S. 366 f., 401).

Mit diesem Krieg sollte auch eine Neuaufteilung über das libysche Erdöl und Gas hergestellt werden, von dem US-Konzerne weitgehend ausgeschlossen waren. Aber den entscheidenden Antrieb für diesen USA/NATO-Krieg sieht Dinucci darin, dass Libyen den afrikanischen Kontinent aus dem Würgegriff des Westens lösen wollte, indem es nicht nur massiv in afrikanische Infrastruktur- und Wirtschaftsprojekte, wie z. B. den Bau und Einsatz eines ersten Telekommunikations-Satelliten für Afrika, sondern auch in drei Finanzorganisationen der Afrikanischen Union (Währungsfonds, Zentralbank, Investitionsbank) investierte: „Mit diesen drei Institutionen hätten sich die afrikanischen Länder der Kontrolle der Weltbank und des Internationalen Währungs-Fonds entziehen können, den Werkzeugen der neokolonialen Vorherrschaft. Sie hätten auch den CFA-Franc abgeschafft, die Währung, die 14 Länder zu nutzen gezwungen sind, die ehemaligen französischen Kolonien“ (S. 343).

Dieser Krieg wurde in der Machtkuppel entschieden, so resümiert Dinucci, „dem höchsten Führungsgremium in geheimer Zusammensetzung, dem Mitglieder der größten multinationalen und Finanz-Konzerne sowie der Militärindustrie angehören, unter meisterlicher Leitung des internationalen Sekretariats, welche die internen Dissidenten angestachelt und bewaffnet hatte (durch eingeschleuste Geheimdienstler und Kommandos), um das Ganze wie eine Revolution aussehen zu lassen“ (S. 364 f.).

Außerdem weist Dinucci darauf hin, dass die Balkanisierung Libyens von Washington geplant wurde, „falls es nicht gelingt, den Einheitsstaat zu beherrschen“ (S. 401).

Neben den vielen vom Autor angeführten Details über diesen NATO-Raub- und Vernichtungskrieg geht er auch auf die Ermordung von Gaddafi durch die NATO ein. Er zeigt, dass die offizielle Medienversion der NATO eine Lüge ist, die die Tötung als eine grausame, aber unvermeidliche Begleiterscheinung eines Volksaufstandes verkaufte: Agenten von CIA und MI6, amerikanische und britische Spezialkräfte konzentrierten sich auf die Jagd nach Gaddafi. Als sie seinen Aufenthaltsort festgestellt hatten, wurde dieser von britischen, französischen und amerikanischen Kampffliegern und Drohnen unter Feuer genommen: „Dieser Angriff trug entscheidend zum Ergreifen Gaddafis bei. All dies beweist, dass tatsächlich die NATO Gaddafi gefangen genommen und ihn an die islamischen Milizen von Misrata ausgeliefert hat, die ihn besonders stark hassten. (…) Der in Washington, London und Paris ausgeheckte Plan sah die Ausschaltung Gaddafis vor, der in einem öffentlichen Prozess unbequeme Wahrheiten über die westlichen Regierungen hätte aussagen können“ (S. 364) [3].

6) Die Strategie des verdeckten Krieges: Syrien

„Im >verdeckten Krieg< in Syrien“, schreibt Dinucci im März 2013, „liegen allmählich die Karten offen“ (408). Er meint damit u.a. folgende Aspekte:

Ziel des Krieges gegen Syrien ist die Verhinderung einer Gasleitung, die Syrien, Iran und Irak im Juli 2011 vertraglich beschlossen hatten. Diese Gasleitung sollte das iranische Gasfeld South Pars mit „Syrien verbinden und zum Mittelmeer gehen (…). Syrien, wo in Homs ein großes Gasfeld gefunden wurde, könnte zum Drehkreuz für Energie-Korridore werden, alternativ zur Türkei und zu anderen Gasleitungen, die von amerikanischen und europäischen Firmen kontrolliert werden“ (403).

Die USA/NATO gingen in Syrien wie in Libyen vor: Man finanzierte und bildete 2011 erste militärische Gruppen unter dem Namen „freie Armee“ in der Türkei, Jordanien und an anderen Orten aus und schleuste sie zusammen mit militärischen Spezialkommandos und Geheimdienstmitarbeitern dann nach Syrien ein (S. 371, 403, 443 f.), die dort dann einen >Bürgerkrieg< entfesselten. Schon 2011 enthüllte die ägyptische Zeitung al-Arabi, dass der US-General Charles Cleveland in der Türkei die Kommandos der >freien syrischen Armee< ausbildete und diese in Syrien befehligte (S. 374).

2012 fasst Dinucci seinen Erkenntnisstand über den Stand des verdeckten Krieges wie folgt zusammen: „Ausbildung und Bewaffnung der >Freien Syrischen Armee< und anderer Gruppen (etwa hundert), aus verschiedenen Ländern angeheuert, von Saudi Arabien bezahlt; eingesetzt werden auch Milizen und komplette bewaffnete islamische Gruppen, die vorher als gefährliche Terroristen gebrandmarkt worden waren; Einschleusung nach Syrien von Sonderkräften, wie die katarischen Sondereinheiten voriges Jahr in Libyen, die sich als einheimische Oppositionsgruppen ausgaben“ (S. 393). Die islamischen Kämpfer aus Afghanistan, Bosnien, Tschetschenien, Libyen und anderen Ländern, „die mit falschen Pässen ausgestattet sind (CIA-Spezialität), reisen in die türkischen Provinzen Adan und Hatay ein, an der Grenze zu Syrien, wo die CIA militärische Ausbildungszentren eingerichtet hat“ (402 f.).

Begleitet wird dieser verdeckte Krieg durch eine weltweite Medienkampagne mit manipulierten Bildern, die „unablässig versuchen, der syrischen Regierung die Schuld an allen Massenmorden zuzuschieben“ (S. 393). Dafür richtete das US-Außenministerium in Istanbul ein Propagandabüro ein (S. 403). Währenddessen schuf die CIA ein internationales Netzwerk zur Bewaffnung der „Rebellen“ (S. 409). Die von der CIA organisierten Waffenkäufe werden hauptsächlich von Saudi Arabien, Katar und anderen Golfmonarchien finanziert. Dazu richtete die CIA 2012 Luftbrücken für den Transport der Waffen in die Türkei und Jordanien ein. Und die USA stellten für die Waffentransporte Katar die „riesigen Cargoflugzeuge C-17“ zur Verfügung. „Gleichzeitig pendelten jordanische Frachtflieger nach Zagreb für den Transport der kroatischen Waffenbestände, die mit saudischem Geld gekauft worden waren. Für die Beförderung wurden riesige Iljuschin-Flugzeuge der Jordanien International Air Cargo eingesetzt. Seit Februar dieses Jahres fliegen außer den jordanischen und katarischen Frachtfliegern auch saudische C-130, die im türkischen Stützpunkt Esenboga landen“ (S. 409 f.).

Das „Operations-Kommando“ für diesen verdeckten Krieg befindet sich „an Bord von NATO-Schiffen im Hafen von Iskenderun.“ Ferner errichtete die NATO, führt Dinucci im Oktober 2012 weiter aus, „auf dem Cassius-Berg gleich an der Grenze zu Syrien einen neuen elektronischen Spionage-Stützpunkt, zusätzlich zur Radarstation in Kisecik und zur Luftüberwachung in Incirlik“ (S. 403).

Der sogenannte Islamische Staat (IS) entsteht 2013 in Syrien und leitete zuerst eine Offensive im Irak ein, der sich Peking und Moskau angenährt hatte (S. 427), um anschließend auch Syrien anzugreifen.

Die ersten IS-Gruppen bildeten sich im verdeckten NATO-Krieg gegen Libyen. Die IS-Kämpfer werden nach dem Sturz von Gaddafi nach Syrien transferiert (S. 418, 424 f.). Der IS wird „finanziert, bewaffnet und geführt von den engsten Verbündeten der Vereinigten Staaten: Saudi Arabien, Katar, Kuwait, Türkei, Jordanien“ (ebd.), die dem IS zudem „Transitrouten“ bereitstellen (S. 440). Unbestritten ist es, führt Dinucci aus, dass etliche IS-Kämpfer „westliche und arabische Geheimdienstler sind, die eigens für solche Operationen ausgebildet wurden“ (S. 440).

2014 fasst Dinucci die strategische Rolle des IS zusammen, wenn er ausführt: „Unwiderlegbare Fakten beweisen, dass der IS eine Schachbrettfigur im großen neuen imperialen Spiel im Nahen Osten darstellt. Im Mai 2013, einen Monat nach der IS-Gründung, trifft Ibrahim al-Badri – der >Kalif<, heute bekannt unter dem Kampfnamen Abu Bakr al-Bagdadi (der den IS leitet; C.G.) – in Syrien den amerikanischen Senator John McCain, vom Demokraten Obama beauftragter Republikaner für verdeckte Operationen der Regierung. Von dem Treffen gibt es Fotos. Sehr verdächtig ist auch der unbeschränkte Zugang des IS zu den weltweiten Mediennetzen, die von den amerikanischen und europäischen großen Medien beherrscht werden (…)“ (S. 425). Das mit dem IS anvisierte strategische Ziel der USA/NATO in diesem verdeckten Krieg „ist die Wiederbesetzung des Iraks und die Zerstörung Syriens“ (S. 425). Die IS-Offensive im Irak diente von Anfang an dem strategischen Ziel der USA, die verlorene Kontrolle über den irakischen Staat wieder zurückzugewinnen, in dem man scheinbar uneigennützige militärische Hilfe zur Bekämpfung des IS leistet, um, so spekuliert Dinucci, vielleicht doch noch den Joe Biden-Plan aus dem Jahr 2007 umsetzen zu können: „>Die Dezentralisierung des Iraks in drei halbautonome Gebiete, kurdisch, sunnitisch und schiitisch<, mit einer >eingeschränkten Zentralregierung in Bagdad<. Mit anderen Worten, die Zersplitterung des Landes“ (S. 419).

Es zeigt sich, dass erdölreiche und geostrategisch wichtige Staaten, die „ganz oder teilweise der Kontrolle durch den Westen entzogen“ sind, regelmäßig „durch Krieg vernichtet“ werden. Westliche Regierungen legitimieren dieses Vorgehen gerne damit, dass es sich bei diesen Ländern um gescheiterte Staaten gehandelt habe. Für Dinucci sind vielmehr die großen westlichen Staaten als Demokratien gescheitert, weil sie „ihre eigenen Verfassungen verraten und zum Imperialismus der vergangenen Jahrhunderte“ zurückgekehrt sind (S 423).

Literatur

Ahmed, Nafeez M. 2003: Geheimsache 09/11; München

Baraki, Matin 2004: Kampffeld Naher Osten und Mittler Osten; Heilbronn

Dinucci, Manlio 2018: Ausbaufähig und immer noch teurer, die NATO breitet sich über ganz Europa aus; in: www.voltairenet.org/article202025.html

Igel, Regine 2006: Terrorjahre. Die dunkle Seite der CIA in Italien; München

Pilger, John 2004: Verdeckte Ziele; Frankfurt/M.

Roberts, Paul Craig 2013: Amerikas Kriege(r); Innsbruck

Rose, Jürgen 2018: Der Mörder-Staat. In seinen Kriegen setzt der Westen auf staatsterroristische Mordoperationen; in: www.rubikon.news/artikel/der-morder-staat

Scahill, Jeremy 2013: Schmutzige Kriege. Amerikas geheime Kommandoaktionen; München

Quelle: trend… vom 7. September 2018


[1] „Die Reichweite der NATO reicht inzwischen weit über Europa hinaus, das über eine Reihe von Partnern verfügt, die durch verschiedene Programme der militärischen Zusammenarbeit mit dem Bündnis verbunden sind. Zu den zwanzig Ländern, die der euro-atlantischen Partnerschaft beitreten, gehören Österreich, Finnland und Schweden. Die Mittelmeerpartnerschaft umfasst Israel und Jordanien, die offiziell ständige Vertretungen im NATO-Hauptquartier in Brüssel haben, sowie Ägypten, Tunesien, Algerien, Marokko und Mauretanien. Die Partnerschaft der Golfstaaten umfasst Kuwait, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, die ständige Vertretungen in Brüssel haben, sowie Bahrein. Die NATO hat auch neun „Weltpartner“ in Asien, Ozeanien und Lateinamerika – Irak, Afghanistan, Pakistan, Mongolei, Südkorea, Japan, Australien, Neuseeland und Kolumbien – von denen einige „aktiv zu den militärischen Operationen der NATO beitragen“.“(Dinucci 2018).

[2] Zur Untermauerung dieser These von Dinucci kann auch noch darauf verwiesen werden, dass der frühere pakistanische Außenminister Niaz Naik gegenüber der BBC ausplauderte, dass die amerikanische Regierung Pakistan schon im Juli 2001 mitteilte, dass man für Mitte Oktober einen Krieg gegen Afghanistan plane (Ahmed 2003, S. 63 f.; Pilger 2004, S. 28 f.) „Die Anschläge des 11. Septembers“, so kommentierte M. Baraki diese Enthüllung, „dienten zur Rechtfertigung eines bereits beschlossenen Krieges. Hätte es den 11. September nicht gegeben, man hätte ihn erfinden müssen. Der Krieg gegen Afghanistan war ein militärischer und politischer Testfall für weitere Eroberungsfeldzüge von USA und NATO in der ganzen Region“ ( Baraki 2004, S. 47). Passend dazu enthüllte später der damalige britische Botschafter Craig Murray in Usbekistan, dass er in seiner Funktion Schriftstücke sah, „die beweisen, dass der Grund für die militärische Aggression der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs gegen Afghanistan mit den Erdgasvorkommen in Usbekistan und Turkmenistan zu tun hatte. Die Amerikaner wollten eine Pipeline, die an Russland und Iran vorbeiführte und durch Afghanistan ging. Um das sicherzustellen, war eine Invasion erforderlich. Der dummen amerikanischen Öffentlichkeit konnte man auf die Nase binden, dass die Invasion wegen 9/11 und um den Schutz vor >Terrorismus< willens notwendig war“ (Roberts 2013, S. 39 f.).

[3] In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass die NATO schon im Juni 1980 Gaddafi durch den Abschuss seines Regierungsflugzeuges über Usticia in Italien ermorden wollte. Statt die Regierungsmaschine von Gaddafi abzuschießen, wurde ein Passagierflugzeug mit 81 Personen vom Himmel geholt, welches anschließend nicht im Meer versank, weshalb Froschmänner eines britischen U-Bootes am nächsten Tag den Flugzeugrumpf in drei Teile sprengten. Verletzte und Überlebende sollten nicht geborgen werden, sondern sie wurden als unliebsame Zeugen umgebracht, um den Tathergang zu verschleiern. Erst nach dieser vollbrachten Tat wurde ein nutzlos gewordener Bergungseinsatz eingeleitet. Bis 1996 wurden vermutlich mehr als 13 Angehörige der italienischen Luftwaffe mit „Täterwissen“ umgebracht, weil wohl befürchtet wurde, sie könnten ihr Wissen über den irrtümlichen Abschuss der Passagiermaschine durch die USA/NATO der Öffentlichkeit preisgeben (Igel 2006, S. 323-349).

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