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Chinesische Weltpolitik

Eingereicht on 8. Oktober 2018 – 10:12

Pierre Rousset. Der Konflikt zwischen den USA, der herrschenden Weltmacht, und China, der aufstrebenden Weltmacht, strukturiert heute in einem grossen Masse die Weltpolitik.

Aus der Sicht Chinas war die Epoche, während der die europäischen Mächte den Planeten umgestaltet haben, von kurzer Dauer, bevor die Geschichte wieder ihren «normalen» Verlauf nahm – das heisst um die internen Probleme Chinas kreiste. Diese sinozentrierte Vision bietet für den neuen chinesichen Imperialismus eine solide Grundlage – nach Art der eurozentrierten Vision der erobernden Imperialismen vor zwei Jahrhunderten. Für Xi Jinping wird das 21. Jahrhundert das «chinesische Jahrhundert» sein.

Weltpolitik in Ostasien

Xi Jingping hat die defensiven strategischen Vorstellungen hinter sich gelassen, die die maoistische Ära prägten. Diese sind fortan offensiv geprägt: um die Ausweitung des neuen Imperialismus sicherzustellen, wird die Flotte zentral, umso mehr, als China meerseitig eine ungeheur lange Grenze hat und sich den Zugang zum pazifischen und zum indischen Ozean sichern muss. Von der koreanischen bis zur malaischen Halbinsel stellen die japanischen, philippinischen oder indonesischen Inselgruppen einen Schutzschirm dar. Die auf die hohe See hin offenen Meerengen sind unter strenger Kontrolle der USA.

Die Kontrolle des südchinesischen Meeres ist deshalb für Peking überlebenswichtig. Xi Jinping hat deshalb deklariert, dass es sich um ein «innerchinesisches Meer» handle. Man kann drei Phasen im Streit um die Kontrolle des südchinesischen Meeres unterscheiden:

  • Die erobernde Phase. Peking zog Nutzen aus der zeitweiligen Lähmung Washingtons. Es wurden sieben künstliche Inseln gebaut. Da sie komplexe militärische Installationen beherbergen, stellen sie ein zusammenhängendes Ganzes dar, mit der der Zugang zu allen wichtigen Punkte kontrolliert werden kann; mittlerweile wurden dort strategische Bomber des Typs H-62K (mit nuklearer Schlagkraft) stationiert, ein politische Symbol gegen die B-52 der USA. Die Militarisierung des südchinesischen Meeres ist eine Tatsache. Sicherlich, Peking kann die Durchfahrt der VII. Flotte nicht verbieten und die internationale Nutzung nicht blockieren. Washington ist jedoch nicht in der Lage, die chinesische Präsenz «zurückzudrängen», ohne in einen Konflikt auf sehr hohem Niveau einzutreten.

Das Regime hat weiter nördlich «historische» Ansprüche geltend gemacht und in betont aktiver Art die japanische Kontrolle über den unbewohnten Mikro-Archipel Senkaku/Diaoyu herausgefordert und damit die Möglichkeiten Japans und die Entschlossenheit der USA getestet.

  • Die Gegen-Offensive der Vereinigten Staaten. Schlussendlich hat Trump den Fehdehandschuh auf militärischem Gebiet aufgenommen und zu diesem Zwecke die nordkoreanische Frage benutzt. China wurde tatsächlich aus diesem Gebiet des Nord-Pazifiks zurückgedrängt. Zudem blieb es in der Krise lange Zeit politisch und diplomatisch marginalisiert, die sich zwischen Washington, Pyongyang und Seoul abspielte.
  • Die neue Form des regionalen Konfliktes. Washington möchte heute seine Vorteile ausbauen. Für Jim Mattis, Staatssekretär für Verteidigung kristallisiert sich der Konflikt hauptsächlich um Taiwan und das südchinesische Meer.

Der chinesische Botschafter in Grossbritannien, Liu Xiaoming, hat neulich an die Position seiner Regierung erinnert, dass ein Eindringen in das südchinesische Meer einem Eindringen in die territorialen Gewässer Chinas gleichkomme; die Schiffe, die dies tun, müssten vorher ihre «friedliche» Durchfahrt anmelden oder eine Erlaubnis erhalten. International jedoch wird diese Zone nicht gleich eingestuft: Die Durchfahrt ist frei und hängt nicht vom guten Willen Xi Jinpings ab

Weshalb Taiwan?

In der internationalen Diplomatie gilt der Grundsatz «ein einziges China». Als Taipeh (Hauptstadt der Republik China, Taiwan) im UN-Sicherheitsrat Einsitz hatte, repräsentierte es das gesamte kontinentale China; als dieser Sitz 1971 von Peking übernommen wurde, wurde Taiwan (dessen Geschichte komplex ist) nur mehr als eine Provinz Chinas angesehen.

Im Januar 2016 wurde Tsai Ing-wen zur Präsidentin gewählt, mit (vorsichtigen) Unabhängigkeitsabsichten. Trump hat ihr unmittelbar darauf per Telefon gratuliert – was von China als Provokation interpretiert wurde. Washington hat zu Beginn der 1970er Jahre die offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Taipeh abgebrochen; trotzdem wurden mit der Taiwan Relations Act seit 1979 halboffizielle Beziehungen entwickelt. Dann trat im März 2018 ein neues Gesetz in Kraft, welches Peking in Wut versetzte: die Taiwan Travel Act, die den Verkehr zwischen den beiden Regierungen in einem bisher nie dagewesenen Ausmass erlaubt und die US-Verpflichtung einer militärischen Unterstützung an die Insel enthält.

Die chinesische Regierung führt eine anhaltende Kampagne, um Taipeh zu isolieren. Vor kurzem haben Burkina Faso und die Dominikanische Republik den Abbruch ihrer offiziellen diplomatischen Beziehungen mit Taiwan angekündigt. Weltweit gibt es nur noch 18 Staaten, die solche unterhalten, darunter der Vatikan, pazifische und lateinamerikanische Staaten (Honduras, Guatemala oder Kiribati), Swasiland. Luftfahrtgesellschaften, die taiwanesische Destinationen anfliegen, wird die Sperrung des chinesischen Luftraums angedroht. Am 23. April hat China in der Meerenge von Taiwan die grössten Seemanöver seiner Geschichte durchgeführt. – eine spektakuläre Geste «zum Schutz der Souveränität und der territorialen Integrität» des Vaterlandes.

Washington beabsichtigt vor Taipeh auf hoher See eigene militärische Übungen durchzuführen, um die Chinesischen Republik ihres Schutz zu versichern. Dieses Gebiet wird zu einem militärischen Spannungsherd zwischen den beiden Mächten. Xi Jinpin jedoch kann auf dieser Frage keine Kompromisse dulden. Der ideologische Zement seiner Macht ist der Grossmachtnationalismus, die Berufung auf die heilige Natur der territorialen Integrität des «einzigen Chinas» – und die Insel liegt im Herzen des maritimen strategischen Raumes, dessen Kontrolle ihm lebenswichtig scheint.

Hongkong

Taiwan ist ein de facto unabhängiges Land – nicht so Hongkong. Trotzdem ist der Grundsatz «Ein einziges China» als ein Aspekt der Krise auf dessen Territorium spürbar. Ehemalige britische Kolonie, wurde sie 1997 vom Vereinigten Königreich «wieder rückübertragen». Sie wurde zu einer «Speziellen Verwaltungszone». Die entsprechende Vereinbarung sah vor, dass während mindestens 50 Jahren Hong Kong von einem besonderen Status unter der Formel «Ein Land, zwei Systeme» profitieren würde.

Hong Kong konnte keine unabhängige Politik auf dem Gebiet der Verteidigung und der Diplomatie führen, aber das wirtschaftliche und juristische System blieben unverändert, wie auch tausend anderer Besonderheiten. Zum Zeitpunkt der Zwanzigjahr-Feier der Rückübertragung liess Xi Jinping verlauten, dass die chinesich-britische Erklärung von 1984, die die Grundlagen für die Rückübertragung von 1997 legte, nicht «mehr länger zutreffend» sei, Peking darin nur mehr ein «historisches Dokument» sehe, das «keinerlei konkrete Bedeutung » und «keinesfalls zwingende Kraft mehr habe». Nach der Absicht von Xi Jinping sollen in Zukunft in Hong Kong die chinesischen Gesetze angewandt werden.

Diese Perspektive trifft in der Bevölkerung Hong Kongs auf viel Widerstand, die ihre Bürgerrechte und politischen Rechte (Mehrparteiensystem, Freiheit des internationalen Austausches, Unabhängigkeit der Gewerkschaften und der Justiz,…) bedroht sehen. Dieser Widerstand mag links aber auch rechts jeweils eine andere Färbung haben (Xenophobie gegen die « chinesische Einwanderung» vom Kontinent).

Xi Jinping hat vor jeder «unzulässigen» Beeinträchtigung seiner Autorität gewarnt und hat sich dabei auf die nationale Sicherheit berufen: «Jeder Versuch einer Gefährdung de Souveränität und der Sicherheit Chinas, einer Missachtung der Macht der Zentralregierung und der Autorität des Grundgesetzes der Speziellen Verwaltungszone von Hong Kong, oder jeder Ansatz, von Hong Kong aus Aktivitäten der Unterwanderung und der Sabotage gegen den Kontinent einzuleiten, stellt ein Akt des Überschreitens der roten Linie dar», eine scharfe Formulierung, die bis anhin noch nie umgesetzt wurde.

Hong Kong ist der Sitz von Vereinigungen zur Verteidigung der Rechte und der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter, wie auch von Netzwerken, die regionale Solidaritätsarbeit leisten. Die politische Repression ist deutlich spürbar. Edward Leung, 27 Jahre alt, ein Führer der Unabhängigkeitsbewegung ist zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Viele Freiheiten wurden aufgehoben, ohne dass sich die im Territorium ansässige Geschäftswelt und die Multinationalen davon betroffen fühlen, wohlverstanden.

Peking und die koreanische Krise

Aus allgemeiner Sicht ist Südkorea für China viel wichtiger als Nordkorea. Das Schicksal des norkoreanischen Regimes hat beträchtliche Auswirkungen. Sollte es zusammenbrechen, so könnte die US-Armee ihre Lager an der chinesischen Grenze aufschlagen; diese Perspektive ist für Peking offensichtlich unakzeptabel. Beim Höhepunkt der Krise von 2016/17 war die Führung von Xi nicht in der Lage, wichtige Initiativen zu ergreifen, selbst wenn er die UNO-Sanktionen gegen Pyongyang in Funktion seiner Interessen immer «modulieren» konnte, was nicht nichts ist.

Die Lage änderte sich mit der gemeinsamen Erklärung Kim-Trump vom 12. Juni 2018. Die Falken im Weissen Haus wollten eine blanke Kapitulation. Der am Singapur-Gipfel eröffnete Verhandlungsprozess wird lang werden, vor dem Horizont eines Friedensvertrages und nicht mehr eines «gewaltsamen» Sturzes des Regimes.[i]

Die Zukunft der Gespräche ist ungewiss. Im Norden ist mit der Tolerierung der Entwicklung einer Marktwirtschaft eine gesellschaftliche Elite entstanden und die Einleitung eines Übergangs in einen Kapitalismus chinesischer Prägung ist denkbar. Im Süden wurde die extreme Rechte marginalisiert. Die beiden Regimes haben sich auf einen Prozess der allmählichen Annäherung geeinigt und lehnen die Brutalität des «deutschen Modells» ab. Es geht nicht mehr um Alles (Wiedervereinigung) oder Nichts (Kriegszustand).

Diese Situation erlaubt China, in den diplomatischen Prozess in Korea einzutreten: dies ist für Xi Jinping eine gute Nachricht. Entspannung auf der Halbinsel – Spannung um Korea?  Wie lange noch können Peking und Washington in der Region auf Erhitzung und Abkühlung spielen?

Der Marsch nach Westen

Das Projekt der «Neuen Seidenstrassen» wurde erst vor kurzem in Gang gesetzt. Der Ehrgeiz dahinter ist gigantisch. Der kontinentale Weg (die Strasse) soll China mit Europa verbinden und durch den asiatischen Kontinent führen. Der maritime Weg (der Gürtel) geht von Südostasien aus und soll bis nach Ostafrika und in den Maghreb führen. Sechs «regionale Korridore» sollen dazu dienen, möglichst viele Länder an die beiden Hauptachsen anzukoppeln. [ii]

Es geht darum, eine möglichst kohärente Entwicklung eines Infrastrukturkomplexes anzustossen, die Investitionen zu vervielfachen, den industriellen Sektoren Märkte zu verschaffen, die im nationalen Rahmen an Überproduktion (Zement, Stahl) leiden, schnelle Kommunikationswege zu errichten, aber auch um die Stärkung des politischen und kulturellen Einflusses der chinesischen Machthaber. Schlussendlich ist das Ziel, aus China einen globalen «zivilisatorischen» Referenzpol zu machen, als Alternative zu den USA.

Im Kern dieser multidimensionalen Expansion stehen geoökonomische und geostrategische Überlegungen. Für Peking geht es um die Sicherung seiner Versorgung mit Rohstoffen und um die Senkung der Transportkosten; um einen besseren Zugang zu den Märkten, die je nach Fall von Japan, Südkorea, Russland oder die USA dominiert werden; um Schifffahrtswege, die die Meerenge von Malacca zu umgehen erlauben, die im Falle einer zugespitzten Krise von Washington blockiert werden könnte; diese Wege führen vorbei an Bangladesh, Myanmar oder Pakistan…

Das Projekt erfordert einen Finanzierungsaufwand von 800 Milliarden Euro, die teilweise dank der Asiatischen Infrastruktur Investmentbank (AIIB) aufgebracht werden. Trotz der erklärten Opposition der USA, sind vor allem Deutschland, Australien, Frankreich, das Vereinigte Königreich dem Aufruf gefolgt.

Ungefähr 70 Länder sind von diesem Projekt betroffen! Nachdem Peking im grossen Massstab investiert hat, versucht es nun insbesondere angesichts der zunehmenden Spannungen mit den Vereinigten Staaten, seinen Einfluss hauptsächlich auf die asiatische Peripherie auszubauen, und setzt die Hälfte seiner im Rahmen der neuen Seidenrouten gewährten Kredite dafür ein. China ist der wichtigste Handelspartner des Verbandes der Südostasiatischen Nationen (Asean). Sein Einfluss ist beherrschend in Laos und in Kambodscha und beträchtlich im Mekongbecken, darunter in Thailand und wird noch verstärkt durch den Eisenahnbau zwischen Kunming (in Yünan) und Singapur. China kontrolliert in der Tat eine wachsende Anzahl von Häfen in Myanmar, Bangladesh, Sri Lanka, Pakistan, den Malediven, im Oman, …

Die neuen Seidenstrassen sollen Westeuropa in Portugal, Venedig und Rotterdam erreichen; es kommt zu Akquisitionen und Ansiedlungen in Frankreich, Großbritannien, der Schweiz, Italien, Griechenland (der Hafen von Piräus!) erfolgen. Ein Güterzug, der von Yiwu, südlich von Shanghai, abfährt, verbindet China über 12’000 Kilometer direkt mit 32 europäischen Städten, darunter London, Madrid, Kouvola (Finnland), Duisburg und Lyon.

In den meisten osteuropäischen Ländern werden bereits grosse Investitionen getätigt oder verhandelt. In Zentralasien führt der Landweg durch Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan und Aserbaidschan. Eine 2012 eingeleitete «Partnerschaft», das «16 + 1 Format» zwischen China und 16 mittel- und osteuropäischen Ländern: Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Albanien und Mazedonien, wird kontinuierlich ausgebaut.

Im Nahen Osten und in Nordafrika bindet der Gürtel Dschibuti, Äthiopien, Ägypten, Algerien oder Marokko an; mit dem Iran, das dem US-Embargo unterliegt, werden derzeit erweiterte Abkommen ausgehandelt.

Im November 2017 wurde ein Abkommen zwischen China und Panama unterzeichnet, das sich dem Projekt Seidenstraßen anschließt und offiziell den dritten maritimen Zweig dieser Initiative bildet.

Ein so starker globaler Expansionskurs, der sich auf einen so begrenzten Zeitraum konzentriert, ist beispiellos. Seine sozialen, kulturellen und ökologischen Kosten werden, wie zu befürchten ist, beträchtlich sein – ebenso wie die wirtschaftlichen und finanziellen Risiken, die durch politische Unwägbarkeiten verstärkt werden: mögliche Auflösungen von nationalen Regierungsbündnissen, Operationen in Konfliktgebieten wie der Himalaya-Grenze (von Kaschmir bis Arunachal Pradesh) oder dem Nahen Osten, Gegenangriffe konkurrierender Mächte (wie in Myanmar). Das Beispiel des Hafens von Gwadar ist bezeichnend. Er liegt an der Küste von Belutschistan, im Südwesten Pakistans, wo der Unabhängigkeitskampf weitergeht und wo sich viele Staaten beteiligen (Indien, Afghanistan….).

Militärischer Aufstieg

Die chinesische Armee gilt als die zweitgrößte der Welt, obwohl dieses Urteil weitgehend quantitativ ist. Die Kampferfahrung des Personals und der Ausrüstung bleibt begrenzt. Nachgeordnete Imperialismen wie Frankreich verfügen möglicherweise über das erforderliche Wissen (Infiltration und Kommandooperationen) oder Technologien (wie das Hubschrauberträger- und Kommandoschiff Mistral). Sie wird auch von Russland mit dessen Ozeanflotte strategischer U-Boote bei weitem übertroffen…….

Dennoch schreitet die internationale militärische Aufstellung Chinas, die bei Null angefangen hat, schnell voran. Die Marinekapazität wird kontinuierlich ausgebaut. Peking erhöhte die Zahl der Abkommen, die es seinen Kriegsschiffen ermöglichen, in ausländischen Häfen vor Anker zu gehen und es ist ein wichtiger Teilnehmer an den „Peacekeeping“-Operationen der Vereinten Nationen, wo 35.000 Soldaten an diese sanfte Art des Einsatzes beigesteuert werden (Zahlen von 2015). Es führt eigene Übungen zur Heimführung seiner Staatsangehörigen in Krisengebieten (wie z.B. Jemen) durch.

Das Prunkstück dieser militärischen Expansion ist natürlich die Basis von Dschibuti, die für 10’000 Soldaten ausgelegt ist. Die strategische Bedeutung dieses Gebietes ist beträchtlich (weshalb es auch amerikanische oder französische Stützpunkte beherbergt). Die internationale Ansiedlung von achtzehn Militärbasen wäre geplant.

Konflikte um Einfluss

Chinas globale Expansion steht in direktem Wettbewerb mit allen bestehenden Mächten in deren traditionellen Einflusszonen: Russland in Zentralasien und in Weißrussland, Indien in Südasien, die Vereinigten Staaten in Lateinamerika, Europäer zuhause, alle in Afrika…

In der Arktis sucht China nach Möglichkeiten, an der Öffnung der Polarrouten zur Ausbeutung bisher unzugänglicher Ressourcen teilzuhaben, die dank der globalen Erwärmung ermöglicht wird.

In Afrika hat China im allgemeinen Wettbewerb um die Kontrolle des Reichtums die Führung übernommen, so dass wir jetzt sowohl über Chinafrique als auch über Françafrique sprechen.

In Zentralasien können Moskau und Peking ihre Kräfte gegen die Vereinigten Staaten oder die Europäische Union bündeln. Die Shanghai Cooperation Organization (SCO) bietet einen dauerhaften Rahmen für eine starke Sicherheitsallianz in Zentralasien, Afghanistan und dem Nahen Osten. Vor kurzem fand am 8. Juni ein Gipfel zwischen Moskau, Peking und Teheran statt. Je weiter jedoch China in die russische Peripherie vordringt, desto struktureller wird der latente Konflikt werden. Dieser konzentriert sich insbesondere auf die Kontrolle des Ölreichtums der Region.

In der indisch-pazifischen Region entstehen neue Allianzen, um dem Machtzuwachs Chinas entgegenzuwirken, wie der im November 2017 von den Vereinigten Staaten, Australien, Japan und Indien initiierte Quad (Quadrilaterale Sicherheitsdialog).

In Lateinamerika verfolgt China seit Mitte der 2000er Jahre sehr wichtige Ziele, und zwar in verschiedener Hinsicht:

– Politik: Konsolidierung seines globalen Einflusses, etwa über finanzielle Hilfestellung angesichts der US-Hegemonie, diplomatische Isolierung Taiwans…

– Geoökonomisch, wie der Fall Bolivien zeigt: China hat kürzlich ein Wasserkraftwerk in der Provinz Cochabamba errichtet und ist am Bau von Zucker-, Kalium-, Stahlfabriken und Straßen sowie an der Modernisierung des öffentlichen Sicherheits- und Telekommunikationssystems beteiligt. Und schielt dabei auf eine der größten Lithium-Reserven der Welt.

– Geostrategisch. China kann auf diesem Kontinent auch «Flagge zeigen»: Stationierung eines Kontingents in Haiti im Rahmen von UN-Operationen, eine extraterritorialisierte Basis in Patagonien (Argentinien), deren offizieller Zweck die Vorbereitung einer Entsendung einer Mission auf die verborgene Seite des Mondes ist; diese Operation wird von der Armee geführt und erlaubt Peking hauptsächlich, die Südhalbkugel zu überwachen.

China ist heute der wichtigste Handelspartner der größten Volkswirtschaften Südamerikas: Argentinien, Brasilien, Chile, Peru, Venezuela. Als Zeichen der Zeit sagte US-Außenminister Rex Tillerson im Februar 2018, dass lateinamerikanische Länder sich nicht in die Arme eines neuen Imperiums stürzen müssten (als ob das US-Imperium «gottgegeben» wäre!).

Strategische Trümpfe Chinas

Trump zieht den Bilateralismus dem Multilateralismus vor, dessen Wirksamkeit er bestreitet. Er ergreift protektionistische Maßnahmen und kann im Gegenzug weitere einleiten. Dabei stellt sich allerdings ein großes Problem: Die kapitalistische Globalisierung, die globale Organisation der Produktion in Wertschöpfungsketten, die Finanzialisierung sind eine Tatsache, an der ein großer Teil der US-Wirtschaft beteiligt ist.

China hat seine eigenen Widersprüche, aber in diesem Zusammenhang verfügt es vor allem über zwei Trümpfe: seinen « hergebrachten» internationalen, vom Staat angeführten Expansionsmodus, und der großen Bedeutung seiner Wirtschaft für andere. Würden die Türen des neuen Reiches der Mitte geschlossen, hätte dies fatale Folgen – und Xi Jinping kann sie tatsächlich schließen.

China ist ebenso Teil der kapitalistischen Welt, und das chinesische Glück hat die Freuden der Spekulation und der Steueroasen angestachelt. Xi Jinping reagiert auf diese «Missbräuche», indem er seine Kontrolle über alles, einschließlich den Yuan-Wechselkurses, verstärkt oder ein Massen-Überwachungssystem einführt, das ausländische Unternehmen wie auch Staatsangehörige betrifft…. Peking verfügt daher über ernsthafte Mittel, um auf laufende Handelskonflikte zu reagieren.

Die erste Runde des Trump/Xi-Wirtschaftspokers im Mai schien sich zum Vorteil Chinas zu wenden.[iii] Seitdem hat Peking offenbar lediglich in gleicher Höhe auf Washingtons Massnahmen reagiert – und lässt seine Beziehungen in die Wählerbasis des US-Präsidenten spielen. Insbesondere hat Xi persönliche Beziehungen zu den Sojabohnenproduzenten in Iowa aufgebaut, deren Exporte von chinesischen Vergeltungsmaßnahmen betroffen sind.

China bleibt nach wie vor auf massive Importe von elektronischen Komponenten angewiesen. Die Telefongesellschaft ZTE musste die Herstellung von ganzen Produktelinien einstellen, nachdem sie von Washington wegen der Umgehung des Embargos gegen den Iran und Nordkorea bestraft wurde. Peking versorgt sich aber auch in Japan, Taiwan und Südkorea mit «Chips». Die Führung um Xi legt sich jedoch mächtig ins Zeug, um Chinas anhaltenden Rückstand in der Spitzentechnologie aufzuholen (mit welchem Erfolg?). Etwa zwanzig High-Tech-Sektoren wurden als strategisch eingestuft. Der Wettbewerb auf diesem Gebiet wird wahrscheinlich entscheidender sein als die Manipulation der Zölle.

Unsicherheiten, finanzielle und politische Risiken: eine Phase der «Konsolidierung»?

Nach einer Zeit einer eindrücklichen, umfassenden Entwicklung des chinesischen Kapitalismus scheint die Xi Jinping-Führung die Notwendigkeit zu spüren, Bilanz zu ziehen und die Prioritäten neu festzulegen. Der heisshungrige Erwerb ausländischer Firmen hat die Operationen der Finanzspekulationen aus dem Blickfeld gerückt. Um Vorzugskredite zu erhalten, haben sich Investoren ungerechtfertigterweise in das Seidenstraßenprogramm eingetragen. Finanzielle Risiken wurden allzu oft nicht ernsthaft bewertet. Die internationale Situation verändert sich jedoch rasant – und der «Trumpfaktor» erhöht die Unsicherheit.

Venezuela ist ein Beispiel für die Gefahren, denen Peking ausgesetzt sein könnte.[iv] Die beiden Länder näherten sich während der Zeit von Chávez schnell an. Die dabei geschlossenen Vereinbarungen sind weitgehend auf die Ölförderung ausgerichtet und an diese gebunden. Venezuela hat sich zwar von der Kontrolle der USA befreit, sich aber massiv gegenüber China verschuldet. Angesichts der aktuellen Krisensituation hat Peking grosse Investitionen gestoppt, seine Kredite reduziert und viele chinesische Arbeiter kehren nach Hause zurück (es waren 400’000). Als wichtigster Gläubiger, weit vor Russland, kann China eines Tages die Kontrolle der Ölförderung verlangen. Wenn es noch nicht so weit gekommen ist, dann wahrscheinlich aus politischen Gründen. Die Lage wird für China sehr ernst, wenn das Regime gestürzt wird. Mit anderen Ländern war China weniger geduldig.

Chinas Aufstieg zur zweitgrößten Macht der Welt ist eine vollendete Tatsache. Die aktuellen Trends dürfen jedoch nicht einfach in die Zukunft projiziert werden. Die chinesische Geopolitik befindet sich in einer unsicheren Phase der Anpassung und nicht nur der Konsolidierung und der linearen Expansion.

Quelle: npa2009.org… vom 6. Oktober 2018; Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch

[i] Siehe Pierre Rousset, « Péninsule coréenne : Un fragile espoir de paix après la rencontre Kim-Trump », 21. Juni 2018, auf http ://www.europe-solidaire.org/spip.php ?art….

[ii] Laure Siegel, « Avec la route de la soie, la Chine veut conquérir l’économie monde », Mediapart, 31 mars 2018.

[iii] Arnaud Leparmentier, « Les Chinois gagnants de l’armistice commercial avec Trump », le Monde de l’économie, 21 mai 2018.

[iv] Globalization Monitor, 13 mars 2018.

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