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Kuba–USA: Eine neue Ära in den politischen Beziehungen

Eingereicht on 22. April 2015 – 14:19

Janette Habel. Auf dem Amerika-Gipfel in Panama (8.–10.4.) hat Obama zugegeben, dass 53 Jahre Sanktionspolitik gegenüber der kubanischen Revolution gescheitert sind und die Regierung in Havanna als legitime Vertretung des kubanischen Volkes anerkannt. Um diese bedeutende diplomatische Veränderung zu verstehen, die historische Folgen für ganz Lateinamerika hat, muss man zu den Ursprüngen der kubanischen Revolution zurückgehen, einer Revolution, die seit dem Beginn des 20.Jahrhunderts vom Willen getrieben wurde, mit der nordamerikanischen Vorherrschaft zu brechen und die nationale Unabhängigkeit zu erringen.

Die Losung der Revolution «¡Patria o muerte!» (Vaterland oder Tod) bedeutete, dass die nationale Souveränität nicht verhandelbar war. Und sie wurde nicht verhandelt. Die politische Linie, die die Führung konsequent seit einem halben Jahrhundert verfolgt, wurde von der Mehrheit der Bevölkerung getragen. Aus diesem Grund war sie trotz außerordentlich schwieriger historischer und geopolitischer Umstände erfolgreich. Ohne diese Massenunterstützung wäre Fidel Castros Politik gescheitert.

Dies bedeutet nicht, dass die Revolution ein Spaziergang im Park war. Das kubanische Volk hat jahrzehntelang sehr gelitten. Kuba zahlte einen hohen Preis für die Isolation der Insel, das nordamerikanische militärische und ökonomische Embargo und die Politik der Sowjetunion. Neben der wirtschaftlichen Situation kamen dazu politische Zwänge und der autoritäre Stil Fidel Castros – selbst Produkt einer belagerten Festung.

Die Normalisierung der politischen Beziehungen zwischen Kuba und den USA war durch die veränderte geopolitische Lage möglich geworden. Der Zusammenbruch der Sowjetunion, der Sturz der lateinamerikanischen Diktaturen, das Aufkommen populärer Regime, die durch Massenmobilisierungen entstanden, sowie der relative Niedergang der US-Hegemonie im eigenen Hinterhof ermöglichten Kubas Reintegration in die Region. Zwei weitere Faktoren halfen ebenfalls, die Wiederaufnahme der Beziehungen zu ermöglichen: Erstens ist Obama eine lahme Ente, und zweitens ist Kubas heutige Diaspora weniger aggressiv und einem Dialog mit Havanna eher zugeneigt.

Ungleicher Rhythmus des Wandels

Viele Teile der Bevölkerung werden wegen des fortgesetzten Wirtschafts- und Handelsembargos diese Änderungen nicht unmittelbar spüren. Es wird ein Beschluss der Mehrheit des US-Kongresses erforderlich sein, um es abzuschaffen, und die Republikaner sind dagegen. Doch sind sie kein homogener Block. Die großen multinationalen Agrokonzerne sind für eine Aufhebung des Embargos. Andererseits ist eine Minderheit der Demokraten dagegen.

Obama hat einigen Spielraum für Manöver. Er könnte selbst einige Änderungen einführen, z.B. die Lockerung der Reisebeschränkungen zwischen beiden Ländern. Die Geldmenge, die man aus den USA nach Kuba schicken darf, wird erhöht werden; Touristen werden mehr ausgeben und Kreditkarten benutzen können. Finanzreformen werden kommen, um mehr Importe zu stimulieren. Die Reisebestimmungen und die Ausgabe von Visa werden bereits diskutiert. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass es seit einiger Zeit wegen des Drogenhandels schon eine Kooperation zwischen dem US-Militär und der kubanischen Küstenwache in der Guantánamo-Bucht gibt. Aber der Fokus der US-Politik liegt darauf, dem Privatsektor zu helfen, besonders den kleinen Unternehmern, und das kubanische Internet zu öffnen, das stark kontrolliert wird. Für das Weiße Haus geht es darum, «Druck auf das Castro-Regime auszuüben», um die von Raul Castro begonnenen Wirtschaftsreformen weiterzutreiben.

Die Kubaner sind vorsichtig optimistisch. Verschiedene Teile der Bevölkerung werden unterschiedlich betroffen werden. Selbständig Arbeitende, diejenigen, die mit der Tourismusindustrie verbunden sind, Handwerker und Personen mit familiären Beziehungen in die USA werden davon profitieren. Andere, Ruheständler, alleinerziehende Mütter, Niedriglohnbeschäftigte werden den Rückgang bei den Sozialausgaben zu spüren bekommen. Die soziale Ungleichheit wird wachsen und vielleicht zu politischen Spannungen führen. Institutionelle Veränderungen sind unvermeidlich. 2018 endet die Präsidentschaft Raul Castros. Eine neue Ära wird beginnen, deren Ausgang nicht vorhergesagt werden kann.

Die Rückkehr zum Dialog wird schwierig werden, aber Fortschritte machen. Achtzehn Monate lang fanden vorbereitende Verhandlungen in Kanada und im Vatikan statt. Die kubanische Kirchenhierarchie war jahrelang heimlich an diesen Diskussionen beteiligt. Der offizielle Besuch in Havanna von Roberta Jacobson, John Kerrys Stellverteterin für lateinamerikanische Angelegenheiten, markierte den Anfang eines angesichts der Streitbarkeit beider Kontrahenten komplexen Prozesses. Die aggressivsten Teile des kubanischen Exils haben mobilisiert, um die Restitution des nach der Revolution verstaatlichten Eigentums zu fordern. Die kubanische Regierung hat dazu klargestellt, dass jede Verhandlung über verstaatlichtes nordamerikanisches Eigentum die Kosten des Embargos berücksichtigen muss, und dass das Eigentum der in die USA ausgewanderten Kubaner in diese Verhandlungen nicht einbezogen werden wird.

Zahlreiche lateinamerikanische Regierungen hatten im Vorfeld des diesjährigen Amerikagipfels gedroht, ihn zu boykottieren, sollte Kuba nicht eingeladen werden, Obama lief also Gefahr, vor nahezu leeren Stühlen zu sitzen. Am 17.Dezember 2014 gab Obama zu, dass die US-Politik gegenüber Kuba gescheitert war. Obamas Erklärung, «wir sind alle Amerikaner» – die Menschen in den USA ebenso wie die in Kuba – gereicht seiner Präsidentschaft zur Ehre. Für Kuba beginnt eine neue Ära.

Quelle: www.sozonline.de

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