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Die griechische Tragödie und das Scheitern des Reformismus

Eingereicht on 27. Juli 2015 – 11:46

Der Reformismus ist die hegemoniale Orientierung der Arbeiterbewegung seit dem Zeitalter des Imperialismus. Sein historisches Scheitern wurde zwar schon mehrmals diagnostiziert. Am eindruckvollsten sicher durch Lenin und die Bolschewisten

unmittelbar nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, indem sie die revolutionären Bewegungen in Russland in die bislang grösste Revolution der Weltgeschichte führten und damit zeigten, dass es einen politischen Weg der Zerschlagung der bürgerlichen Herrschaft gibt. Die aktuelle tragische Entwicklung in Griechenland zeigt insbesondere erneut auf die Dringlichkeit einer konkreten politisch-organisatorischen Alternative jenseits des Reformismus.

Die kurzen Episoden revolutionärer Vorstösse – Russland ab 1917 bis in die erste Hälfte der zwanziger Jahre, Deutschland 1918 bis 1923, Italien und Ungarn nach dem ersten Weltkrieg bis Anfang 1920er Jahre, Spanien Mitte der 1930er Jahre, die antikolonialen Aufstände in den drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, der Zyklus der Arbeiterkämpfe vor allem in Europa und den USA im Jahrzehnt nach der Mitte der 1960er Jahre – mündeten allesamt in einer Stärkung von Orientierungen, die den Status quo der Herrschaftsverhältnisse, deren Ausdruck die Festigung der Warenform als Knotenpunkt der Strukturierung des Alltagslebens der Arbeiterklasse ist, nicht weiter herausforderte, sondern vielmehr bestärkte.

Diese etwas abstrakte Formulierung der Grundpfeiler des Reformismus findet ihren konkreten Ausdruck immer wieder an historischen Schnittstellen, wie etwa im halben Jahr nach dem Regierungsantritt des breiten griechischen Linksbündnisses Syriza. Einerseits herrschen dort Überzeugung vor, dass nur im Einvernehmen mit der einheimischen und internationalen – insbesondere der europäischen – Bourgeoisie, für die Arbeiterklasse Verbesserungen herausgeholt (klassischer Reformismus) bzw. das Schlimmste verhindert werden könne (Sozialliberalismus). Dabei wird, zweitens, eine Übernahme bzw. eine Beteiligung an der Macht im bürgerlichen Staat als zentrale Strategie mit einer absoluten Priorisierung des Elektoralismus  angesehen. Die tragende Illusion dabei ist, dass die Bourgeoisie sich dadurch von harten Klassenkampfmethoden abbringen und auf Politiken der nationalen Einheit festlegen lasse; dieser Illusion entsprechen die historisch vielfältigen Ansätze, wo die linken Strömungen innerhalb der reformistischen Parteien an der Überzeugung festhalten, ihre eher rechten, kompromissbereiten Führungen etwas nach links drängen zu könnten. Die soziale und politische Grundlage für den Reformismus ist eine bis in die unteren Segmente der Gesellschaft hinabreichende Bereitschaft, die Lösung der politischen Probleme nach oben zu delegieren.

All diese reformistischen Ingredienzien sind in Syriza vorhanden. Deren rechte, aus der eurokommunistischen Tradition (Synaspimos) stammende Führung, die in dem Bündnis über eine starke Mehrheit verfügt, hat sich im Verlauf des vergangenen halben Jahres in eine sozialliberale Formation verwandelt, mit allem Zubehör der Belügung der Massen, dem Kniefall vor der nationalen und internationalen, insbesondere der europäischen Bourgeoisie und dem Einsatz der staatlichen Repression gegenüber den ansetzenden Radikaliserungen. Die Linke Plattform innerhalb von Syriza hat es nicht geschafft, diesem erstaunlich schnellen Wandlungsprozess der Syriza-Regierung durch eine Nutzung ihrer Verankerung in den sozialen Bewegungen und den Gewerkschaften eine Gegenbewegung entgegenzusetzen – sei es weil sie zu schwach ist, sei es weil sie Angst vor einer Spaltung von Syriza oder vor Neuwahlen hat.

Im nachfolgen Videoclip wird eine längere Diskussion im Rahmen einer Veranstaltung der britischen Socialist Workers Party (SWP) von Mitte Juli 2015 wiedergegeben, wo einige der obigen Punkte angeschnitten werden. Die Hauptinterventionen stamen von Stathis Kouvelakis, einem Führer von Syriza und von deren Linken Plattform und von Alex Callinicos, dem Führer der SWP. Im Publikum treten unter anderem zwei Vertreter des antikapitalistischen Linksbündnisses Antarsya  auf.  Das Video findet sich hier: Syriza in the dead end of Reformism? (Redaktion maulwuerfe.ch)

 

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