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Der Krieg gegen Afrin und die imperialistische Komplizenschaft

Eingereicht on 22. Januar 2018 – 11:15

Über den Angriff der Türkei auf die Kurden Syriens, den Verrat der imperialistischen Hauptkräfte und die miese Rolle Deutschlands. Gespräch mit Sores Ronahi. Sores Ronahi ist Mitglied der Leitung der yekitiya ciwanen rojava, der Jugendunion Rojavas.

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Die Türkei hat den Krieg gegen den Kanton Afrin begonnen. Wie ist die Lage bei euch in Rojava?

Wie ihr mitbekommen habt, ist die Operation gegen Afrin ja nicht plötzlich gekommen. Sie ist seit langem eines der Hauptthemen in der Türkei. Es gab auch schon seit langem Versuche des Feindes, die Grenze punktuell zu übertreten, Bombardements mit schwerer Artillerie, Mörser und ähnliches auf Afrin-Stadt. In der Türkei redeten Erdogan, Bahceli, Cavusoglu im Grunde seit Monaten von nichts anderem, als dem Krieg gegen Afrin.

Dementsprechend wurden von unserer Seite die notwendigen Vorkehrungen getroffen. Sowohl YPG und YPJ, wie auch die Demokratischen Kräfte Syriens bereiteten sich vor. Aber auch die zivilen Institutionen blieben nicht untätig. Auch die Jugendunion Rojavas YCR ist auf den Krieg vorbereitet.

Unsere Position war von Anfang an: Wenn der Feind den Krieg in Afrin beginnt, werden wir diesen Krieg nicht auf Afrin beschränken. Wir werden einen Krieg gegen den türkischen Staat auf allen Ebenen führen. Wenn notwendig, werden wir auch aus anderen Gebieten des Grenzstreifens zur Türkei angreifen, nicht nur aus Afrin.

Wie sieht es militärisch in Afrin aus? Wie viel Verluste habt ihr, wie viele der Gegner?

Es ist Krieg und die Situation ist chaotisch. Ich kann Dir da keine genauen Angaben machen. Und dazu kommt, dass wir natürlich jetzt über die laufenden Gefechte nicht allzu viel Informationen herausgeben.

Ich kann sagen, dass von allen Seiten Angriffe stattgefunden haben. Die türkische Luftwaffe kam zum Einsatz, sie bombardierte massiv sowohl militärische, als auch zivile Ziele. Mitten in der Stadt Afrin gingen auch Bomben nieder. Dazu kommt schwere Artillerie. Tausende Kräfte der sogenannten Freien Syrischen Armee, als auch der türkischen Streitkräfte selbst wurden mobilisiert.

Eine wichtige Sache ist: Die Anhänger des Islamischen Staats, die im Zuge der letzten Gefechte gegen Daesh in die Türkei geflohen waren, nehmen nun auch erneut am Einmarsch der Türkei teil. Sie werden jetzt recycled und tauchen unter dem Label Freie Syrische Armee wieder auf.

Wie reagieren die Volksverteidigungseinheiten?

Unsere Freunde haben direkt auf jeden Schlag der Türkei eine Antwort gegeben. Dabei erlitt die türkische Armee schwere Verluste. Es gab auf ihrer Seite eine Reihe von Verletzten und Toten, genaue Zahlen kann ich Dir aber nicht nennen. Jenseits der konkreten Zahlen, kann ich euch aber versichern: Das ist kein begrenztes Gefecht, es ist Krieg. Ein Krieg, der gegen die demokratische Bewegung in Nordsyrien, gegen die Völker Syriens geführt wird, und zwar ohne jede Rücksichtnahme.

Und es ist ein entscheidender Krieg. Denn Erdogan hat ihn begonnen, weil er in diesem Krieg die letzte Möglichkeit sieht, sich vor seinem eigenen Untergang zu retten. Die faschistische Regierung Erdogans und Bahcelis hatte die ganze Zeit vor, unserer Bewegung in diesem Winter schwere Schläge zuzufügen. Wir haben die Türkei immer gewarnt: Macht das nicht, es wird euren Fall beschleunigen. Sie können diesen Krieg schnell beginnen, aber sie werden nicht mehr so schnell aus Afrin rauskommen. Unser Ziel ist klar: Afrin wird das Grab der AKP-Regierung.

Was machen Russland und die USA? Haben nicht beide betont, sie wollen keinen Krieg gegen Afrin?

Es ist glasklar: Sowohl Amerika wie auch Russland haben diesen Krieg akzeptiert. Ansonsten wäre dieser Angriff nicht möglich. Die Zeichen wiesen bereits vorher in diese Richtung, auch wenn die Amis und die Russen sich bemüht haben, so zu tun, als stünden sie gegen diese Operation. Dieses ganze Gerede ist nichts wert. Was in der Praxis stattfindet, ist eine stillschweigende Unterstützung dieses Angriffs.

Was zwischen Russland und der Türkei stattgefunden hat, ist folgender Deal: Genauso wie damals, als Ankara Aleppo ans Regime gegeben hat und dafür grünes Licht für den Einmarsch nach Jarablus und Bab bekommen hat, wird jetzt Idlib gegen Afrin getauscht. Für die Russen ist das übrigens eine Win-win-Situation. Sie wollen das Regime stärken und da ist es in ihrem Interesse, dass die Türkei die letzten Reste der FSA auf die kurdische Bewegung hetzt.

Und Deutschland? Die ersten Bilder deutscher Panzer gingen schon durch die sozialen Medien. Gibt es schon Bilder von deutschen Waffen im Einsatz?

Ob es Bilder gibt, weiß ich nicht. Aber ich kann dir garantieren, dass sie zum Einsatz kommen. Der einzige Staat, der offen diese Operation unterstützt, ist der deutsche Staat. Das muss man ganz klar hervorheben. In einer Situation in der zwar Daesh schon mit einem Bein im Grab steht, aber eben noch nicht völlig besiegt ist, fängt die Türkei mit Unterstützung des deutschen Staates einen Krieg gegen jene an, die den Islamischen Staat bekämpfen. All diese dreckigen Deals zwischen Berlin, Ankara, dem Regime, Russland und den USA nutzen dem Islamischen Staat. Ist das der Dank für all die Opfer, die die Bevölkerung Nordsyriens im Kampf gegen Daesh erbracht hat?

Wir haben aber auch hier keine Illusionen: Daesh war auch eine Kraft, die zur Durchsetzung imperialistischer Interessen genutzt wird. Und das von vielen Seiten. Von niemandem aber mehr als von der Türkei, die diese Verbrecher aufgerüstet, finanziert und ihnen den Rücken gestärkt hat. Dass die Türkei jetzt, wo Daesh fast geschlagen ist, einen Krieg gegen uns beginnt, ist vor diesem Hintergrund auch nicht überraschend. Unsere Aufgabe ist es jetzt, unsere Bevölkerung hier zu verteidigen.

Was können die internationalistischen Unterstützer der Revolution jetzt tun? Wozu ruft ihr die linken Kräfte weltweit auf?

Wir haben gestern Nacht, als die ersten Luftschläge stattfanden, als YCR eine Erklärung veröffentlicht. Es ist eine Frage des Gewissens. Unser Aufruf gilt allen demokratischen Kräften, zivilgesellschaftlichen Organisationen wie auch Einzelpersonen, die hier nicht wegsehen wollen. Er richtet sich an alle, die den Wert des Dienstes zu schätzen wissen, den die Völker Syriens den Menschen dieser Welt erwiesen haben.

Wir sagen: Verschließt die Augen nicht! Was auch immer in eurer Macht liegt, nutzt es, um jetzt gegen diese faschistische Besatzungsmacht vorzugehen. Im Rahmen unserer Kampagne serî hilde [englisch: rise up, deutsch: erhebt euch] rufen wir die revolutionäre, sozialistische Jugend der Welt auf: Steht auf, und kämpft wo immer ihr könnt mit allen Mitteln gegen den türkischen Staat und seine Kollaborateure!

#Interview: Peter Schaber

Quelle: lowerclassmag.com… vom 22. Januar 2018

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