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Die Gelben Westen und die Wege der Vernunft

Eingereicht on 18. Dezember 2018 – 18:02

Marko Kostanic. Eines der Hauptmerkmale des Populismus, wenn man den besorgten Europäern glauben will, ist eine gewisse fiskalische Nonchalance. Populisten also machen sich keine Sorgen um die «Sozialphysik», die hinter einem ausgeglichenen Haushalt steht. Sie werfen Geld herum, als gäbe es kein Morgen. Und damit bedrohen sie sowohl die wirtschaftliche als auch die politische Stabilität. Das sind die Befürchtungen, die die derzeitige italienische Regierung, eine Koalition aus Liga und Fünf-Sterne-Bewegung beim europäischen Establishment hervorgerufen hat.

Seit einem Monat befindet sich die italienische Regierung in intensiven Verhandlungen mit der Europäischen Kommission (EK) über den Staatshaushalt für 2019. Diese Gespräche kamen zustande, nachdem die EK zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Haushaltsvorschlag eines Mitgliedslandes abgelehnt hatte. Der italienische Haushalt soll ein Defizit von 2,4 % des BIP erreichen, ein Wert, den die EK angesichts der bestehenden Staatsverschuldung Italiens als gefährlich erachtet hat. Obwohl dieses vorgeschlagene Defizit die im Maastrichter Vertrag festgelegte Schwelle von 3% des BIP nicht überschreiten wird, lehnte die Kommission es ab.

Zunächst nahmen die politische Führung Italiens eine konfrontative Haltung ein und kündigten an, dass sie den Haushaltsvorschlag nicht zurückziehen würden. Aber sie begannen schnell nachzugeben, vor allem als Reaktion auf den Druck der Finanzmärkte, wo die Zinsen für italienische Staatsanleihen zu steigen begannen. Anfang dieses Monats hat die italienische Regierung der EK ein Zugeständnis gemacht und vereinbart, das Defizit auf 2% des BIP zu senken. Das war jedoch noch vor dem Einbruch der Bewegung der Gelben Westen in die europäische Politik.

Diese Welle erbitterter sozialer Proteste hat Frankreich erschüttert und Präsident Macron zu Zugeständnissen gezwungen. Und obwohl diese Zugeständnisse nicht ausreichen, um die Demonstranten zufrieden zu stellen, haben sie der italienischen Regierung als nützliches politisches Instrument gedient.

Die Zugeständnisse, die Macron den Demonstranten versprochen hat, wie eine Erhöhung des Mindestlohns und eine Senkung der Steuerlast für die Ärmsten, werden sich im französischen Haushalt für 2019 niederschlagen. Diese angekündigten Maßnahmen werden das Defizit auf 3,5% des BIP erhöhen.

Als die Zugeständnisse von Macron bekannt wurden, forderten Vertreter der italienischen Regierung sofort den EK-Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, Pierre Moscovici, auf, eine Erklärung zu diesem Thema abzugeben. Er willigte nur ein, den französischen Haushalt genau zu verfolgen, bestand aber darauf, dass die Situation in Frankreich nicht mit der in Italien vergleichbar sei.

Dennoch hat die italienische Regierung mit Macrons Schritt einen starken Trumpf in der Hand. Wenn die EK weiterhin den italienischen Haushaltsvorschlag in Frage stellt, können die Italiener ihr eine Doppelmoral vorwerfen, indem sie gegenüber Macron, dem «Retter Europas», Sympathie zeigt, der unter dem Druck des Volkes weitgehend die gleiche Politik betreibt wie sie selbst. Mit anderen Worten, sie wird der EK den Vorwurf des «Populismus» aus den Händen nehmen. Natürlich verfolgt Macron keine populäre Politik, ebensowenig wie das neue Budget der Lega- und Fünf-Sterne-Regierung. Was letztere betrifft, so genügt es, einfach auf die Steuersenkungen für die Reichsten bei der Ausweitung des italienischen Defizits hinzuweisen.

Die Europäische Kommission steht sicherlich vor einer großen Herausforderung, vor allem weil ihre Vorwürfe des Populismus nicht mehr unangefochten bleiben können. Und das ist das große Verdienst der Gelben Westen; sie haben solche Versuche, Gegner als populistisch zu diskreditieren, unbrauchbar gemacht und gezeigt, dass der falsche Gegensatz zwischen «vernünftigen Politikern» und «Populisten» nur funktionieren kann, wenn es keinen wirklichen Massenwiderstand gibt.

Ursprünglich in kroatischer Sprache bei Bilten erschienen. Übersetzt in Englisch von James Robertson.

Quelle: criticatac.ro… vom 18. Dezember 2018; Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch

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