„Linke“ Regierung Spaniens sperrt Arbeiter:innenviertel in Madrid ein
Liam Figueroa. Die linke Koalition zwischen Podemos und PSOE, die die Regierung bildet, zeigt Mitten in der katastrophalen Verwaltung der Pandemie, ihre arbeiter:innenfeindliche Politik. Gegen diese Missstände erheben sich die Arbeiter:innen und fordern „Polizei raus aus unseren Vierteln“.
Die „progressive Regierung“ stellte der Bürgermeisterin von Madrid die polizeilichen und sogar militärischen Mittel zur Verfügung, um die Arbeiter:innenviertel, die vor einigen Tagen einer Zwangsquarantäne unterworfen wurden, zu unterdrücken. Die Bewohner:innen sprechen von Ghettoisierungs-Maßnahmen. Sie haben zur Folge, dass die Menschen nur zur Arbeit fahren dürfen und ansonsten zu Hause bleiben müssen. Diese Politik blieb nicht unbeantwortet und so kam es in den letzten Tagen zu Straßenkämpfen mit der Polizei, die dabei äußerst gewalttätig vorging. Dieser Einsatz steht in direktem Kontrast zu den reaktionären Anti-Hygiene-Demonstrationen, bei denen trotz faschistischer Symbolik, keinerlei Berührung mit der Polizei stattfand.
Die Proteste in den Arbeiter:innenvierteln in Madrid sind ein klares Beispiel des Widerspruchs der sogenannten linken Regierung. Die Bewohner:innen Vallecas, fordern eine bessere Gesundheitsversorgung und ein geordnetes öffentliches Verkehrssystem mit angemessenen Schutzmaßnahmen gegen Corona und wehren sich gegen den Polizeieinsatz. Die Regierung schickt die Polizei, um ihre Corona-Politik gegen die Interessen der Arbeiter:innen durchzusetzen. Gleichzeitig sind die Bewohner:innen gezwungen, sich so zur Arbeit zu bewegen und sind damit einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Die Arbeiter:innen werden mit dieser so genannten „Klassenquarantäne“ dazu verdammt, nichts weiter zu machen, als zu schuften. Ein besonders krasses Beispiel hierfür ist der Fall einer Arbeiterin, die von ihrem Chef nicht einmal auf die Toilette gelassen wurde, da sie aus Vallecas kommt.
Dieser Widerspruch wird zudem mit einer weiteren Entwicklung verschärft. Schon vor Wochen schickte die spanische Zentralregierung von Podemos und der Sozialistischen Partei mehr als 200 Einheiten der Sicherheitspolizei zum katalanischen Nationalfeiertag Diada. Diese Maßnahme richtete sich gegen Proteste anlässlich der absehbaren Amtsenthebung von Quim Torra, des Präsidenten der regionalen Regierung, der wegen seines Eintretens für die Unabhängigkeit Kataloniens verfolgt wird. Mit der Verkündung des Richterspruchs gegen ihn gab es am Montagabend neue Proteste. Sechs Personen wurden dabei in Barcelona verhaftet.
Diese Repression der nationalen Selbstbestimmungsbewegung Kataloniens haben wir in den letzten Jahren sehr oft gesehen. Die Besonderheit der aktuellen Situation liegt in der Regierungskoalition, die sie durchführt. Podemos, eine neoreformistische Partei, die aus der Indignados- Bewegung entstanden ist, sprach sich 2017 noch für die Selbstbestimmung aus. Heute, wo sie sich in der Regierung befinden, zeigt der Neoreformismus sein wahres Gesicht, genauso wie es Syriza in Griechenland im Jahr 2015 tat.
Hier, wie in so vielen anderen Fällen, macht die neoreformistische Regierung von PSOE und Podemos deutlich, dass eine linke Regierung, welche sich dem bürgerlichen Staat anpasst, zur Marionette der Bourgeoisie wird. Im Gegensatz zur heuchlerischen Politik der “Genoss:innen“, stehen die Mobilisierungen in Katalonien und besonders in den Arbeiter:innenviertel von Madrid.
Die Bewohner:innen dieser Viertel, wie zum Beispiel in Vallecas, protestieren derzeitig fast täglich unter dem Motto „Mehr Krankenhäuser, weniger Militär“. Vergessen wir an dieser Stelle nicht, dass diese Arbeiter:innen bereits mit der Weltwirtschaftskrise von 2008/2009 und deren Folgen zu kämpfen hatten und haben. Diese zwei Elemente verbunden, ermöglichen und zwingen die Bewohner:innen zu einer Perspektive des Kampfes gegen die staatliche Repression und die aufkommende Wirtschaftskrise.
Wie Lucía Nistal der CRT (Schwesterorganisation von RIO und KGK im Spanischen Staat) erklärte, ist es nötig, Versammlungen in Bildungseinrichtungen, an den Arbeitsplätzen und in den Vierteln abzuhalten, in der gemeinsamen Perspektive eines Generalstreiks.
Diese Perspektive ist nicht abstrakt, sondern hat bereits fruchtbaren Boden. Die Militarisierung der genannten Viertel hat eine Radikalisierung der Jugend zur Folge, bei der ein Erstarken des Klassenbewusstseins und der Kampfbereitschaft zu erkennen ist. Der Kampf für die Selbstbestimmung der katalanischen Bevölkerung verschärft sich durch die Politik der Regierung und ist somit eine zusätzlich treibende Kraft dieser Perspektive. Die Krankenhausbeschäftigten (MIR) in Katalonien, die sich wegen der elenden Arbeitsverhältnisse und der knappen Behandlungskapazitäten der Patient:innen im Streik befinden, zeigen, mit welchen Mitteln sich die Arbeiter:innenklasse wehren kann. Diese Maßnahmen müssen ausgeweitet werden, mit der Perspektive eines Generalstreiks für eine bessere Gesundheitsversorgung, für die Stilllegung nicht-essentieller Produktion und gegen die Entlassungs- und Schließungswelle.
In diesem Sinne ist es zu begrüßen, dass die CGT, eine der größten Gewerkschaften des Landes, heute angekündigt hat, dass sie Ende Oktober zu einem Generalstreik aufrufen wird.
Quelle: klassegegenklasse.org… vom 3. Oktober 2020
Tags: Arbeitswelt, Breite Parteien, Covid-19, Gesundheitswesen, Repression, Service Public, Sozialdemokratie, Spanien
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