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Die NZZ in wohlwollender Nähe zu einem ex-linken wohlwollenden Hitlerbiographen

Eingereicht on 1. Februar 2018 – 15:31

Otto Köhler. Der Berichterstatter der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) steht vor dem Eingang eines gutbürgerlichen Hauses am Westberliner Kurfürstendamm. Er weiß, wieso es sich lohnt, mit der Neuen Rechten zu reden. Besonders mit dem einen, der hier wohnt: »Er war glühender Maoist, agierte als Publizist, schrieb eine Hitler-Biographie, machte Geld als Unternehmer und verteidigt nun nicht minder vehement den Kapitalismus.« Die Zürcher will es in ihrem Beitrag vom 10. Januar nun wissen: »Was geht Rainer Zitelmann durch den Kopf?«

Unten hat der NZZ-Korrespondent geklingelt. Aber wird er auch nach oben gelangen? »Ein paar Minuten zuvor hatte mich der schmale, aber durchtrainierte und noch jugendlich wirkende 60jährige im Erdgeschoss mit dem etwas wackeligen Fahrstuhl abgeholt. Der Lift hat das Baujahr 1900. Um seine Tür zu öffnen, braucht es einen Schlüssel. Daher das persönliche Geleit des Immobilienmillionärs. In früheren Zeiten wäre in einem Haus am Berliner Ku’damm dafür wohl ein Portier zuständig gewesen. Das Klingelschild trägt einen anderen Namen – eine Vorsichtsmaßnahme aus einer Zeit, in der Zitelmann ins Visier der militanten Antifa geraten war.«

Ja, man muss doch miteinander sprechen. Unter dem Zitelmann-Artikel auf der NZZ-Website ist auf einen anderen verwiesen, von einem Volontär Tobias Sedelmaier, dessen Titel beweist, dass er schon ausgelernt hat: »Wieso es sich lohnt, mit der neuen Rechten zu reden – und wie man es am gewinnbringendsten tut«.

Diese NZZ-Gebrauchsanweisung stammt vom 17. Oktober – gut drei Wochen, nachdem die AfD in den Bundestag einmarschiert war, wo sie jetzt erst einmal, solange die SPD darauf verzichtet, schreimächtige Führerin der Opposition ist. Ja, die NZZ liefert die »Schweizer Sicht auf das Weltgeschehen«: Man darf nicht »die neue Rechte wie einen ungezogenen Schulbuben in die Ecke« stellen. Das Züricher Blatt fragt seine neuerdings immer stärker umworbenen deutschen Leser: »Haben Sie die derzeitige politische Diffamierungskultur ebenfalls satt? Finden Sie die Weigerung albern, neben Vertretern einer demokratisch gewählten Partei im Bundestag zu sitzen, so als hätten deren Mitglieder die Krätze?«

Zitelmann hat, soweit bekannt, keine Krätze. »Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs«, hieß seine Dissertation von 1987, die er angeblich noch als Maoist zu schreiben begann. Sie ist im vergangenen Jahr – erweitert in fünfter Auflage – wiedererschienen. Diesmal, völlig angemessen, im Reinbeker Lau-Verlag, der auch Ernst Nolte verlegt und offen rechtsextreme Literatur wie »1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte« von Generalmajor Gerd Schultze-Rhonhof, der 1996 aus Protest gegen das »Soldaten sind Mörder«-Urteil – er fand, sie seien es nicht – des Bundesverfassungsgerichts aus der Bundeswehr weglief.

Ja, Adolf Hitler, dem man vor 85 Jahren, am 30. Januar 1933, die Macht antrug, war ein Revolutionär. Und ein Sozialist war er natürlich auch, was sonst? Schließlich hatte Franz Josef Strauß verkündet, dass »der Nationalsozialismus« auch »eine Variante des Sozialismus« war. Der CSU-Führer 1979: »Sowohl Hitler wie Goebbels waren im Grunde ihres Herzens Marxisten.« Das hatte Strauß bei seinen historischen Studien auf Luxusyacht »Diana II« entdeckt, die ihm Freund Friedrich Karl Flick samt Mannschaft für den Urlaub zur Verfügung gestellt hatte. Verkündet wurde diese Geschichtsrevision auf dem nächstfolgenden CSU-Parteitag und dann wissenschaftlich ausgestaltet von Rainer Zitelmann. Dessen Buch stieß auf ein geteiltes Echo. »Während konservative Historiker es als Standardwerk lobten, bemängeln Kritiker bis heute, er habe einen Linken aus Hitler gemacht, um von der Mitverantwortung der Eliten am Aufstieg der Nazis abzulenken. Dabei sei er selbst mental noch ein Linker gewesen, als er das Buch geschrieben habe.« Erfährt die Neue Zürcher authentisch von Zitelmann.

Schöne junge Frauen

Von dieser Mentalität muss einiges geblieben sein. Die NZZ: »Er pflegt keinen konservativen Lebensstil, hat keine Familie, besucht Diskotheken und umgibt sich gern mit schönen jungen Frauen. In seinen Büchern ist wenig von Nationalstolz, dafür viel von den Vorzügen des Freihandels die Rede. Ist das noch nationalliberal oder vielleicht einfach nur liberal?«

Das ist nahezu linksliberal. Zitelmanns jüngstes Buch über »Mein Leben als Historiker, Journalist und Investor« (Untertitel) heißt: »Wenn du nicht mehr brennst, starte neu.« Erschienen ist es im Finanzbuchverlag, der hinten auf der letzten Seite animiert, seine Bücher seien geeignet »z. B. als Geschenke für Ihre Kundenbindungsprojekte«, und da gebe es dann »attraktive Sonderkonditionen«. In der Mitte zeigt Zitelmann auf zehn unnumerierten Hochglanzseiten mit Fotos aus seinem immer wieder neu entbrannten Leben, was er zu bieten hat: »meine langjährige Freundin Monika« zusammen mit »einem langjährigen treuen Kunden«. Auf derselben Seite, zweimal mit jeweils anderen Kunden, »meine damalige Freundin Jenna«. Und auf der letzten Sonderseite: »Im Urlaub (hier auf Bali) habe ich mich mit meiner langjährigen Freundin Trang entspannt.« Darüber das Foto eines ebenfalls halbnackten Zitelmann, solo am Fitnessgerät. Erläuterung: »Kurze Pause zwischen zwei Bizepssätzen. Eine der Aufnahmen aus meinem 2014 erschienenen Buch ›Erfolgsfaktoren im Kraftsport‹«. Der Hitler-Historiker Zitelmann ist, gut so, ein durchtrainierter Muskelprotz.

Aber das ist sein Privatleben, mit dem er uns verschonen sollte. Politisch brannte und brennt er zuverlässiger. Die NZZ-Homestory bei Zitelmann hebt denn auch ganz politisch an: »›Lasst den Zitelmann in Ruhe.‹ Die Botschaft, die Springer-Vorstandschef Jürgen Richter über den Telefonhörer vernahm, war unmissverständlich. Medienunternehmer Leo Kirch, ein Großaktionär des Konzerns und enger Freund von Bundeskanzler Helmut Kohl, wollte nicht, dass der als rechtskonservativ geltende Welt-Redaktor Rainer Zitelmann seinen Posten räume. Er habe Peter Gauweiler von seinem schwierigen Stand in der Redaktion erzählt, sagt Zitelmann. Daraufhin sei der CSU-Politiker umgehend bei Kirch in der Sache vorstellig geworden. Mit dem Ergebnis, dass der 1957 in Frankfurt am Main in eine evangelische Pfarrersfamilie hineingeborene Journalist weitermachen konnte.«

Das war Anfang der 90er Jahre in Berlin. »Die Medien haben das bisher nicht aufgegriffen«, klagt der Hineingeborene der Neuen Zürcher, die den rettenden Eingriff von ganz oben auf Seite 115 seines oben erwähnten Bekenntnisbuches gefunden haben muss. Na dann greifen wir mal. Aber nicht zum Buch, das Zitelmanns Wirken bei Springer verständlicherweise schönschreibt, sondern zu einem Papier, das von einer Arbeitsgruppe 2 des »Instituts für Staatspolitik« (IfS) auf dem Rittergut in Schnellroda aus dem Jahr 2003 stammt. Dort hat auch der einflussreiche Rechtsaußenverlag Antaios seinen Sitz. Und dort werden Taktik und Strategie der Neuen Rechten ausgearbeitet.

Faschismus hat Zukunft

Ja, es gibt in Deutschland eine »Neue Rechte«. Das stellt das IfS fest: »Sie ist kein homogener Block, ihr Binnenpluralismus kennt Strömungen, die sich bis zur Unvereinbarkeit voneinander unterscheiden. Auch ist die Selbstbezeichnung als ›Neue Rechte‹ nicht weit verbreitet. ›Der Rechte – in der Richte: ein Außenseiter‹, schrieb Botho Strauß im ›Anschwellenden Bocksgesang‹, jenem Essay, der Anfang 1993 im Spiegel erschien und zum Manifest für einen bestimmten Typus junger Leute wurde, die auf der Suche nach ihrem politischen Ort waren. Anfang und Mitte der neunziger Jahre sahen machtvolle Versuche dieser jungen Leute, politischen und kulturellen Einfluss zu erlangen. Fast schon verklärt erscheint der Versuch einer Gruppe um den Historiker Rainer Zitelmann, mit dem Projekt einer ›Neuen Demokratischen Rechten‹, Mehrheiten in der Zeitung Die Welt und im Ullstein-Verlag zu verändern und dadurch erheblichen Einfluss auf die Meinungsbildung zu erlangen.«

Die Linke habe damals einen »Machtverlust« erlitten: »Die Rehabilitierung des nationalen Arguments und das Scheitern des Sozialismus als gesellschaftlicher Alternative lösten eine Depression aus, von der aber merkwürdiger Weise auch die Mitte befallen wurde, die eben noch als Siegerin der Geschichte auftrat.«

Erfreut zitiert das IfS-Papier die Befürchtung des US-Soziologen Allan Bloom. »Der Faschismus wurde zwar auf dem Schlachtfeld besiegt, aber seine dunklen Möglichkeiten wurden nicht bis zum Ende ausgeschöpft. Sucht man nach einer Alternative, dann bleibt keine andere Möglichkeit, die man ins Auge fassen könnte. Wir sind der Auffassung, dass der Faschismus Zukunft hat, wenn er nicht gar die Zukunft ist.«

Das Papier stellt fest: »Die gedrückte Stimmung, die sich damals in tonangebenden Kreisen verbreitete, erklärt viel von der eminenten Wirkung, die Botho Strauß mit seinem zuerst am 8. Februar 1993 im Spiegel veröffentlichten Essay ›Anschwellender Bocksgesang‹ haben sollte. Strauß, von dem man schon länger wissen konnte, dass ihn seine elitäre Sicht der Dinge nicht nur auf das Repertoire der traditionellen deutschen Kulturkritik zurückverwiesen hatte, sondern notwendig nach ›rechts‹ trieb, veröffentlichte mit dem Bocksgesang einen Text, der gerade von außen als Manifest einer ›Neuen Rechten‹ betrachtet wurde. Allerdings konnte von hier keine unmittelbare politische Wirkung erwartet werden, weshalb umgehend ein Zusammenhang konstruiert wurde zwischen der Veröffentlichung des ›Bocksgesangs‹ und ›… einigen jungen Männern um Rainer Zitelmann‹ (Heinz Bude).«

Der wichtigste dieser jungen Männer um Zitelmann ist der nunmehrige Besitzer von Institut und Verlag in Schnellroda Götz Kubitschek, der sich inzwischen zum ideologischen Führer der Neuen Rechten einschließlich AfD und Pegida herausgemendelt hat. Mit welchen, mit wessen Mitteln Zitelmanns junger Mann das aufwendig restaurierte Rittergut erwerben konnte, ist unbekannt, jedenfalls ist es derzeit die zentrale Schulungsstätte von allem, was heute erfolgreich rechtsaußen ist.

Das IfS-Papier: »Im Fall Zitelmanns spielte eine Rolle, dass er ursprünglich politisch auf der Linken beheimatet war und bis zum Ende der achtziger Jahre eigentlich nur dadurch vom Mainstream abweichende politische Auffassungen anzeigte, dass er zu einer heterodoxen Interpretation des Nationalsozialismus neigte und mehr oder weniger offen für die Wiedervereinigung Partei nahm. Das änderte sich mit seinem Entschluss, die wissenschaftliche Laufbahn aufzugeben und im Frühjahr 1992 eine Stelle als Cheflektor des Ullstein-Verlags anzutreten. Dieses einflussreiche Haus war bis dahin nicht durch eine prononciert ›rechte‹ oder konservative Linie hervorgetreten, was sich unter der Ägide Zitelmann änderte, der mit dem Rückhalt des an Ullstein beteiligten Münchener Verlegers Herbert Fleissner agieren konnte. Durch eine ganze Reihe von Titeln – Monographien und Sammelbänden – versuchte Zitelmann ein neuartiges Programm zu gestalten, ausgerichtet auf einen moderaten Revisionismus in der Zeitgeschichtsforschung, Stärkung des deutschen Nationalbewusstseins und des politischen Realismus. Mit Hilfe der Reihe ›Ullstein-Report‹ sollte außerdem auf tagesaktuelle Themen Bezug genommen werden, wobei der Versuch eine große Rolle spielte, eine öffentliche Debatte über die notwendige Bewältigung der DDR-Vergangenheit zu erzwingen. Was dem ganzen aber erst seine Wirkung verlieh, war Zitelmanns Neigung zum gezielten Regelverstoß, seine Fähigkeit, die Linke regelmäßig und gekonnt zu provozieren.«

Unter dem Label »Neue Demokratische Rechte« suchte er, so das Papier, »einen Fokus für alle diejenigen zu schaffen, die innerhalb des Verfassungsbogens danach strebten, eine politische Alternative rechts der Mitte zu bestimmen und den Einfluss der ›Ideen von ’68‹ durch den der ›Ideen von ’89‹ zu verdrängen. Er fand mit dieser Forderung nicht nur Zustimmung in Teilen der Union und bei den Konservativen, sondern auch in der FDP.« Damals durfte man glauben, in der kleinsten bürgerlichen Partei den geringsten Widerstand zu finden, falls man nur entschlossen genug auftrat. Aber, so bedauert das IfS-Papier: »Tatsächlich irritierten die ›Nationalliberalen‹ um Zitelmann und den ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl Öffentlichkeit und FDP-Führung nachhaltig, konnten aber auch auf dem begrenzten Berliner Raum, dessen Übernahme sie planten, keinen dauernden Erfolg erzielen. Dieser Rückschlag war nur einer unter mehreren für die Gruppe um Zitelmann, der 1993 Ullstein verließ, um als Leiter des Ressorts ›Geistige Welt‹ in die Redaktion der Welt einzutreten.«

Zitelmann gab nicht auf. »Zusammen mit zwei anderen Mitarbeitern, Heimo Schwilk und Ulrich Schacht, unternahm er jetzt den Versuch, das Blatt zu einer neuen politischen Ausrichtung zu bringen. Dieses Bemühen scheiterte an verschiedenen Faktoren, unter denen der interne Widerstand von Mitarbeitern der Welt der wichtigste gewesen sein dürfte. Sie reagierten zunehmend gereizt auf die Aktivitäten Zitelmanns, die ihren Kulminationspunkt in einer großen Kampagne unter dem Motto ›Gegen das Vergessen‹ zum 50. Jahrestag des Kriegsendes, dem 9. Mai 1995, erreichten.«

Eine Großkundgebung in München mit dem CDU-Stahlhelm Alfred Dregger musste Zitelmann absagen, nachdem Helmut Kohl seinen Parteifreund zurückgepfiffen hatte. Ignatz Bubis, der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, hatte die Unterzeichner des Aufrufs richtig eingeschätzt: »Ewiggestrige, die am liebsten alles, was zwischen ’33 und ’45 passiert ist, fortsetzen würden – vielleicht in einer gemäßigteren Form, ohne gleich Völkermord zu betreiben.«

Durch den Teebeutel gezogen

Zitelmann fühlt sich missverstanden. Er habe sich nie als Teil des rechtskonservativen Milieus empfunden, klärt er heute in seinem Heim am Kurfürstendamm den Besucher von der Neuen Zürcher auf. Der beobachtet, wie der Millionär »heißes Wasser in zwei Becher gießt. Es gibt Ingwertee – aus dem Beutel«.

Die Autoren des IfS-Papiers jedenfalls bedauern die Absage der Kundgebung: »Dass die von Anhängern wie Gegnern Zitelmanns mit außerordentlichen Erwartungen verknüpfte Veranstaltung zum 8. Mai nach dem Rückzug des Hauptredners Alfred Dregger nicht stattfinden konnte, hat der ganzen Bewegung entscheidendes von ihrem Elan genommen und der Gegenseite den Mut eingeflößt, ihren unerwartet großen Erfolg zu nutzen. Eine wichtige Rolle spielten außerdem die Veränderungen im wirtschaftlichen Gefüge des Springer-Konzerns, aus dem Fleissner ausschied«.

Zitelmanns Scheitern bei seinem Bestreben, einen »Normalisierungsnationalismus« zu etablieren, führten – nach einem weiteren Papier des rechten Thinktanks in Schnellroda vom Juni 2014 – »zu einem taktischen Rückzug, aber nicht aus dem politischen Geschäft überhaupt«. Im Gegenteil: »Die Gründung des Instituts für Staatspolitik etwa erfolgte mit dem Zweck, die politische Lage aus konservativer Perspektive zu analysieren und Handlungsoptionen auszuloten. Das Ziel war dabei alles andere als rechte Lagerfeuerromantik, sondern der ›kalte Blick von rechts‹ (Marc Felix Serrao) und die Suche nach realistischen Wirkmöglichkeiten. Diese haben sich in jüngster Zeit« – das war 2014, als AfD und Pegida noch in den Kinderschuhen steckten – »unbestreitbar erweitert, da die politische Lage in Bewegung gekommen ist. Das hat die denkbaren Handlungsoptionen drastisch vermehrt, und die Frage nach den richtigen Konsequenzen ist ebenso unsicher wie die Frage der angemessenen Lageanalyse überhaupt. Angesichts der nun schon seit einigen Jahren laufenden Debatte über ›Postdemokratie‹ und auch angesichts des Erfolgs von Politserien wie ›Borgen‹ und vor allem ›House of Cards‹, die man als Ankündiger eines neuen Zynismus verstehen könnte, wäre es auf den ersten Blick durchaus denkbar, den bisher insbesondere vom IfS verfolgten demokratisch-rechten und ›volkskonservativen‹ Weg zu verlassen und eine rechte Alternative zur Demokratie zu entwerfen.«

Aber soweit – bei der Alternative zur Demokratie – sind wir noch nicht. Einstweilen gilt: »In dieser Situation wird niemand mit Aussicht auf Erfolg eine rechte Gegenelite aufbauen können. Die einzig realistische Alternative bestünde dagegen in der Erkenntnis, dass, wenn überhaupt, dann in der Stärkung des Mehrheitsprinzips noch Widerstandsreserven gegen die massiven staatlichen Selbstzerstörungstendenzen zu finden sind.« Dazu empfehle sich nicht nur »eine eindeutige Parteinahme für die Demokratie« – der völkischen nach Art der AfD. Auch eine »Mobilisierung der ›Mitte‹, im Namen des gesunden Menschenverstandes«, sei heute möglich. Das Papier nüchtern: »So viel metapolitische Klugheit, so viel Realismus sollte schon sein.«

Und Realismus, den zeigt man auf dem Rittergut. Die AfD-Hundertschaft im Bundestag ließ Götz Kubitschek noch am Wahlabend im Blog der Zeitschrift aufatmen: »Auch für uns bricht eine andere Zeit an: erneute Resonanzraumerweiterung; berufliche Auffangnetze für manchen, der sich vorwagte und keine der 200 Genderprofessuren abgreifen konnte – dafür jetzt aber den Posten eines Beraters, eines Büroleiters, eines wissenschaftlichen Mitarbeiters angeboten bekommt. Man wird Texter, Computerspezialisten, Filmleute, Sicherheitspersonal, Experten benötigen, es wird sehr viele sehr gut bezahlte Stellen geben, und mancher wird sein Leben als Lehrstuhlhure mit prekärem Vier-Jahres-Vertrag aufgeben und in gesittete geistige Verhältnisse wechseln können.«

Der kalte Blick von rechts

Rainer Zitelmann kennt die Urfassung dieses Realismus. Sie steht auf Seite 133 von »Mein Leben«: »Ich bin sicher, Peter Gauweiler wusste gar nicht, was er in mir auslöste, als er den Satz sagte: ›Querköpfe so wie Sie und ich müssen ordentlich Geld verdienen, um frei unsere Meinung vertreten zu können.‹« Zitelmann: »Du musst also reich werden, dann bist du frei und unabhängig.« Er gab seinen Kampf für die nationale Sache bei Springer auf, erwarb in Ost und West damals noch billige Immobilien und wurde so Multimillionär.

Soweit der Exkurs aus dem Besuch der Neuen Zürcher in dessen Wohnung am Kurfürstendamm. Und so spricht man – vorerst – miteinander, serviert den Leuten von links, zu denen selbstverständlich sogar die Journalisten der Schweizer Tageszeitung gehören, mit dem kalten Blick von rechts solange Ingwertee aus dem Beutel bis – und das kann schon bald sein – die rechte Alternative zur Demokratie verwirklicht werden kann.

Persönlich in die Politik einsteigen, das wird Rainer Zitelmann kaum wieder tun. Dazu ist er heute zu reich. Aber ein bisschen Idealismus ist sicherlich geblieben. Im European, dem Meinungsmagazin des exgrünen CDU-Manns Oswald Metzger, greift er heftig in die Berliner Debatten, besonders zur »Flüchtlingskrise«, ein. Ob er darüber hinaus auch als Mäzen dienstbar ist, lässt sich nicht beweisen. Das für die nationale Bewegung unentbehrliche Verlags- und Schulungsrittergut seines alten Freundes Götz Kubitschek ist jedenfalls gut ausgestattet.

Der Multimillionär, der es sich für den Dialog mit dem Mann von der Zürcher in »Bluejeans, verwaschenem Polohemd und Socken auf seinem Wohnzimmersofa gemütlich gemacht« hatte, geleitet am Ende des fruchtbaren Gesprächs den Journalisten im Fahrstuhl nach unten: »Er bereite ein Forschungsprojekt vor, sagt er, als er mir zum Abschied im Hausflur die Hand reicht. Das Thema: Die Diskriminierung einer wenig beleuchteten Minderheit. Der Reichen. Er kann das Provozieren nicht lassen.«

Dieser Schelm. Aber Hauptsache, wir haben miteinander gesprochen.

Quelle: jungewelt.de… vom 1. Februar 2018

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