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Dies ist keine Übung: Iran und Russland treiben den Hegemonen in die Enge

Eingereicht on 30. Oktober 2023 – 10:30

Pepe Escobar. Die strategische Partnerschaft zwischen Russland und Iran, zwischen zwei der drei großen Kernlandmächte, die andere ist China, stellt dem Hegemonen in Westasien eine ausgeklügelte, an Sun Tzu erinnernde Falle.

Abgesehen von Israel gibt es keine Instanz auf dem Planeten, die in der Lage wäre, den Fokus blitzschnell von dem spektakulären Debakel des Hegemonen in der Ukraine abzulenken.

Nicht gerade Bismarck’sche Standhaftigkeit, sondern die Strauss’schen Neokonservativen (gemeint ist Leo Strauss, Anm. Übers.), die für die US-Außenpolitik verantwortlich sind, glauben, dass, wenn das Projekt Ukraine unerreichbar ist, das Projekt Endlösung in Palästina stattdessen ein Kinderspiel wäre – ethnische Säuberung.

Ein plausibleres Szenario ist jedoch, dass Iran-Russland – und die neue „Achse des Bösen“ Russland-China-Iran – alles haben, was nötig ist, um den Hegemon in einen zweiten Sumpf zu ziehen, aus dem er sich nur herausziehen kann, wenn er einen auf Dr. Strangelove macht.

Es geht darum, das eigene, verwirrte Hin und Her des Gegners zu nutzen, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und ihn in die Orientierungslosigkeit zu treiben.

Die Wunschvorstellung des Weißen Hauses, dass die „Forever Wars“ in der Ukraine und in Israel demselben erhabenen „Demokratie“-Anspruch unterliegen und für die nationalen Interessen der USA unerlässlich sind, ist bereits nach hinten losgegangen – sogar in der amerikanischen Öffentlichkeit.

Das hindert sie jedoch nicht daran, in der Öffentlichkeit zu tuscheln und zu flüstern, dass die mit Netanjahu verbündeten US-Neocons das Tempo erhöhen, um Iran zu provozieren – durch eine sprichwörtliche „false Flag“, die zu einem amerikanischen Angriff führen würde. Dieses Armageddon-Szenario passt genau zu Netanjahus biblischer Psychopathie.

Die Vasallen wären gezwungen, sich unterwürfig zu fügen. Die NATO-Staaten haben Israel einen Besuch abgestattet, um ihre „Unterstützung“ zu zeigen, darunter Griechenlands Mitsotakis, Italiens Meloni, Großbritanniens Sunak, Deutschlands Scholz, der senile Untermieter im Weißen Haus und Frankreichs Macron.

Rache für das arabische „Jahrhundert der Demütigung“

Die Hisbollah hat bisher außerordentliche Zurückhaltung bewiesen, indem sie keinen Köder schluckte. Die Hisbollah unterstützt den palästinensischen Widerstand als Ganzes und hatte bis vor kurzem ernsthafte Probleme mit der Hamas, die sie in Syrien bekämpfte. Die schiitische Hisbollah ist ideologisch nicht mit der Muslimbruderschaft Hamas verbündet. Die Hamas wird im Übrigen nicht von Iran geführt. So sehr Teheran auch die palästinensische Sache unterstützt, sein wichtigster lokaler Verbündeter ist der Islamische Dschihad.

Die große Neuigkeit ist, dass sich all diese Probleme jetzt in Luft auflösen. Sowohl die Hamas als auch der Islamische Dschihad sind in den Libanon gereist, um Scheich Nasrallah persönlich zu besuchen. Das zeugt von Einigkeit in der Sache – zumindest kurzfristig.

Noch aufschlussreicher war der Besuch der Hamas in Moskau, der mit ohnmächtiger israelischer Wut aufgenommen wurde. Die Hamas-Delegation wurde von einem Mitglied des Politbüros, Abu Marzouk, angeführt. Der stellvertretende Außenminister Ali Bagheri reiste eigens aus Iran an und traf sich mit zwei der wichtigsten Stellvertreter des russischen Außenministers Lawrow, Ryabkow und Galuzin.

Das bedeutet, dass Hamas, Iran und Russland an einem Tisch verhandeln.

Die Hamas hat die palästinensische Diaspora – vor allem in Jordanien und im Libanon – sowie die gesamte arabische Welt und alle Länder des Islam aufgerufen, sich zu vereinen. Mit „arabischer Welt“ sind in diesem Fall vor allem die Hisbollah und Syrien gemeint, die sich erst vor wenigen Monaten wieder mit der Hamas zusammengeschlossen haben. Mit „Länder des Islam“ sind im Wesentlichen Iran, die Türkei und Pakistan gemeint.

Langsam aber sicher lässt sich ein Muster erkennen: Könnte es sein, dass die arabische Welt – und große Teile des Islams – kurz davor stehen, sich in signifikanter Weise zu vereinen, um ihr eigenes „Jahrhundert der Demütigung“ zu rächen – ähnlich wie es die Chinesen nach dem Zweiten Weltkrieg mit Mao und Deng taten?

Peking deutete dies mit seiner ausgefeilten Diplomatie gegenüber wichtigen Akteuren an, noch vor der bahnbrechenden, von Russland und China vermittelten Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien.

Das allein wird die seit den Cheney-Rumsfeld-Tagen andauernde Besessenheit der Neokonservativen, kritische Infrastrukturen in Iran zu bombardieren, nicht vereiteln. Da diese Neocons in Sachen Militärwissenschaft weniger als null wert sind, ignorieren sie, dass ein iranischer Vergeltungsschlag – genau – jede einzelne US-Basis im Irak und in Syrien treffen würde, wobei der Persische Golf ein offener Fall wäre.

Der unvergleichliche Militäranalyst Andrej Martjanow hat aufgezeigt, was im Falle eines von Israel angedrohten Angriffs auf Iran mit den teuren amerikanischen Eisenwannen im östlichen Mittelmeer geschehen könnte.

Außerdem befinden sich mindestens 1.000 US-Soldaten in Nordsyrien, um Öl zu stehlen – auch das wäre ein sofortiges Ziel.

Ali Fadavi, der stellvertretende Oberbefehlshaber der IRGC (Islamische Revolutionsgarde in Iran, Ergänzung d. Übers.), brachte die Sache auf den Punkt: „Wir haben Technologien im militärischen Bereich, die niemand kennt, und die Amerikaner werden davon erfahren, wenn wir sie einsetzen.“

Stichwort iranische Hyperschallraketen vom Typ Fattah – Cousins der Khinzal und der DF-27 –, die mit Mach 15 fliegen und jedes Ziel in Israel in einer Minute erreichen können.

Hinzu kommt die hochentwickelte russische EW; wie vor sechs Monaten in Moskau bestätigt wurde, sagten die Iraner den Russen am Verhandlungstisch, wenn es um militärische Verbindungen geht, „was immer ihr braucht, fragt einfach“. Das Gleiche gilt umgekehrt.

Es geht nur um die Straße von Hormus

Das Herzstück einer jeden russisch-iranischen Strategie ist die Straße von Hormus, durch die mindestens 20 Prozent des weltweiten Erdöls (fast 17 Millionen Barrel pro Tag) und 18 Prozent des Flüssiggases (mindestens 3,5 Milliarden Kubikfuß pro Tag, das entspricht knapp 100 Milliarden Liter) transportiert werden.

Iran ist in der Lage, die Straße von Hormus im Handumdrehen zu blockieren. Das wäre zunächst einmal eine Art Vergeltung der ausgleichenden Gerechtigkeit für Israel, welches sich illegal das gesamte vor der Küste des Gazastreifens entdeckte milliardenschwere Erdgas unter den Nagel reißen will:

Das ist einer der absolut wichtigsten Gründe für die ethnische Säuberung Palästinas.

Doch das eigentliche Geschäft wird darin bestehen, die von der Wall Street konstruierte Derivatstruktur im Wert von 618 Billionen Dollar (Kursivschrift von Pepe Escobar) zu Fall zu bringen, wie Analysten von Goldman Sachs und JP Morgan sowie unabhängige Energiehändler am Persischen Golf seit Jahren bestätigen.

Wenn es also hart auf hart kommt und weit über die Verteidigung Palästinas hinaus und in ein Szenario des totalen Krieges mündet, haben nicht nur Russland und Iran, sondern auch Schlüsselakteure der arabischen Welt, die bald Mitglieder der BRICS 11 werden – wie Saudi-Arabien und die VAE – das Zeug dazu, das US-Finanzsystem jederzeit zu Fall zu bringen.

Wie ein hochrangiger Vertreter der alten Schule des Tiefen Staates, der jetzt in Mitteleuropa tätig ist, betont, „haben die islamischen Nationen den wirtschaftlichen Vorteil. Sie können das internationale Finanzsystem in die Luft jagen, indem sie das Öl abstellen. Sie müssen nicht einen einzigen Schuss abfeuern. Iran und Saudi-Arabien haben sich verbündet. Die Krise von 2008 konnte mit 29 Billionen Dollar gelöst werden, aber diese Krise, sollte sie eintreten, könnte selbst mit 100 Billionen Dollar an Fiat-Papieren nicht gelöst werden.“

Wie mir Händler am Persischen Golf sagten, ist es ein wahrscheinliches Szenario, dass die OPEC beginnt, Europa zu sanktionieren, zuerst von Kuwait aus und dann von einem OPEC-Land zum anderen und zu allen Ländern, die die islamischen Nationen als Feinde behandeln.

Der irakische Premierminister Mohammed Shia‘ al-Sudani hat bereits davor gewarnt, dass die Öllieferungen an die westlichen Märkte wegen der israelischen Angriffe im Gazastreifen gestoppt werden könnten. Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian hat bereits offiziell ein vollständiges Öl- und Gasembargo der islamischen Länder gegen Länder – im Wesentlichen Vasallen der NATO – gefordert, die Israel unterstützen.

Die christlichen Zionisten in den USA, die sich mit dem Neokonservativen Netanjahu verbündet haben und mit einem Angriff auf Iran drohen, haben also das Potenzial, das gesamte Weltfinanzsystem zum Einsturz zu bringen.

Forever War on Syria, neu gemischt

Unter dem derzeitigen Vulkan ist die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China extrem verhalten. Nach außen hin besteht ihre gemeinsame offizielle Position darin, sich weder auf die Seite Palästinas noch auf die Israels zu stellen, einen Waffenstillstand aus humanitären Gründen zu fordern, eine Zweistaatenlösung anzustreben und sich für die Einhaltung des Völkerrechts einzusetzen. Alle ihre Initiativen in der UNO wurden vom Hegemonen ordnungsgemäß sabotiert.

Bislang hat Washington der israelischen Invasion in Gaza kein grünes Licht gegeben. Der Hauptgrund ist die unmittelbare amerikanische Priorität: Zeit gewinnen, um den Krieg auf Syrien auszudehnen, das „beschuldigt“ wird, der wichtigste Transitpunkt für iranische Waffen an die Hisbollah zu sein. Das ist auch gleichbedeutend mit der Wiedereröffnung der gleichen alten Kriegsfront gegen Russland.

In Moskau gibt man sich keinen Illusionen hin. Der Geheimdienstapparat weiß sehr wohl, dass Mossad-Agenten Kiew beraten haben, während Israel unter starkem Druck der USA Waffen lieferte. Das hat die Silowiki wütend gemacht und könnte ein fataler israelischer Fehler gewesen sein.

Die Neocons ihrerseits hören nicht auf. Sie sprechen eine parallele Drohung aus: Sollte die Hisbollah Israel mit etwas anderem als ein paar spärlichen Raketen angreifen – und das wird einfach nicht passieren – wird der russische Luftwaffenstützpunkt Hmeimim in Latakia „eliminiert“, als „Warnung“ für Iran.

Das ist noch nicht einmal ein Spiel für Kinder im Sandkasten. Nach den serienmäßigen israelischen Angriffen auf die zivilen Flughäfen von Damaskus und Aleppo hat Moskau nicht einmal mit der Wimper gezuckt und Syrien Hmeimim angeboten – einschließlich der Freigabe für IRGC-Frachtflüge. Netanjahu wird nicht gerade Todessehnsucht hegen, wenn er einen russischen Luftwaffenstützpunkt bombardiert, der vollständig mit A2/AD (Anti-Access/Area Denial) ausgerüstet ist.

Moskau sieht auch ganz klar, was diese teuren amerikanischen Eisenwannen im östlichen Mittelmeer vorhaben könnten. Die Antwort kam prompt: Mig-31Ks patrouillieren rund um die Uhr im neutralen Luftraum über dem Schwarzen Meer, ausgerüstet mit Hyperschall-Khinzals, die nur sechs Minuten brauchen würden, um das Mittelmeer zu erreichen.

Inmitten all dieses neokonservativen Wahnsinns, bei dem das Pentagon ein gewaltiges Arsenal an Waffen und „ungenannte“ Mittel in das östliche Mittelmeer verlegt, und unabhängig davon, ob das Ziel die Hisbollah, Syrien, der Iran, Russland oder alle oben genannten sind, haben sowohl China als auch Nordkorea – Teil der neuen von den Amerikanern erdachten „Achse des Bösen“ – angedeutet, dass sie nicht nur zuschauen werden.

Die chinesische Marine schirmt Iran praktisch aus der Ferne ab. Noch eindringlicher war jedoch eine Erklärung von Premierminister Li Qiang – etwas ungewöhnlich Unverblümtes und Seltenes in der chinesischen Diplomatie:

„China wird Iran bei der Wahrung seiner nationalen Souveränität, territorialen Integrität und nationalen Würde weiterhin nachdrücklich unterstützen und sich jeder Einmischung externer Kräfte in die inneren Angelegenheiten Irans entschieden widersetzen.“

Vergessen Sie nie, dass China und Iran durch eine umfassende strategische Partnerschaft verbunden sind. Unterdessen hat der russische Ministerpräsident Michail Mischustin bei einem Treffen mit dem Ersten Vizepremier Mohammad Mokhber die strategische Partnerschaft zwischen Russland und Iran bekräftigt.

Erinnern Sie sich an die Reisfresser aus Korea

Pro-iranische Milizen in der gesamten Achse des Widerstands halten ein sorgfältig überwachtes Maß an Konfrontation mit Israel aufrecht, das einem Guerillakampf nahe kommt. Sie werden sich nicht auf massive Angriffe einlassen. Sollte Israel in den Gazastreifen einmarschieren, sind alle Wetten ungültig. Es ist klar, dass die arabische Welt trotz ihrer massiven inneren Widersprüche das Massaker an der Zivilbevölkerung einfach nicht hinnehmen wird.

Offen gesagt, hat der Hegemon in der gegenwärtigen Situation den Ausweg aus dem kosmischen Demütigungsprojekt Ukraine gefunden. Der gleiche alte, in Westasien wiederaufgeflammte Ewige Krieg kann nach Belieben „moduliert“ werden. Und wenn zwei Kriege zu einem immensen politischen Albatros werden, was sie werden, was ist dann noch neu? Sie beginnen einen neuen Krieg im „Indo-Pazifik“.

Nichts von alledem täuscht Russland und Iran und ihre eiskalte, auf Schritt und Tritt Überwachung des um sich schlagenden und zappelnden Hegemonen. Es ist erhellend, sich daran zu erinnern, was Malcolm X bereits 1964 voraussagte:

„Einige Reisfresser haben ihn aus Korea vertrieben. Ja, sie haben ihn aus Korea vertrieben. Reisfresser mit nichts als Turnschuhen, einem Gewehr und einer Schüssel Reis nahmen ihn und seine Panzer und sein Napalm und all die anderen Dinge, die er angeblich haben sollte, und jagten ihn über den Yalu. Und warum? Weil der Tag, an dem er auf dem Boden gewinnen kann, vorbei ist.“

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Quelle: vk.com.

Der Artikel erschien im Original am 28. Oktober 2023 unter dem Titel „This is not a drill: Iran-Russia corner the Hegemon“.

Übersetzung: Hintergrund.

#Titelbild: Treffen in Moskau (v. li. nach re.): Ali Bagheri Kani – Iran, Michail Bogdanow – Russland und Mousa Abu Marzouk, Gaza.Foto: QudsPress Lizenz: Palestine Chronicle, Mehr Infos

Quelle: hintergrund.de… vom 30. Oktober 2023

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