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Die Empfindlichkeit des Kapitalismus gegenüber Krisen & Katastrophen

Eingereicht on 5. März 2020 – 11:13

Olek Wójcik. Der Corona-Virus zeigt wieder einmal, wie empfindlich das derzeitige kapitalistische System ist. Die Börsen stürzen ab, die klinische Versorgung bricht bei Streik zusammen und möglicherweise ist auch noch die allgemeine Infrastruktur in Gefahr. Was ist die Alternative?

Die Ausbreitung des Corona-Virus hat schon in China Teile der Produktion zum Erliegen gebracht. Nun breitet er sich auch in Europa aus. Der Dax fällt und es werden Engpässe befürchtet. Grund dafür ist die fragile weltweite Produktion. Da die Lieferketten auch noch aus Kostengründen international aufgebaut sind, brechen diese schnell bei größeren Krisensituationen zusammen. Das betrifft in Europa auch große Teile der Versorgung mit medizinischen Wirkstoffen, da diese die zu großen Teilen in China produziert werden, wo derzeit der Corona-Ausbruch große Teile der Industrieproduktion lahmlegt.

Würden alle unverzichtbaren Produkte nach Bedarf vor Ort produziert, wobei die Rohstoffversorgung weltweit gesichert sein muss, wäre das krisenfester. Auch Krankenhäuser gehören zur allgemeinen Daseinsvorsorge und auch hier sieht man wieder, was die so hoch gelobte Privatisierung angerichtet hat. Schon ein Streik in einer Tochterfirma gefährdet angeblich die Patientenversorgung. Das liegt jedoch nicht an den angeblich überzogenen Forderungen der Kolleg*innen oder an ihrer “Verantwortungslosigkeit”; sondern im Gegenteil daran, dass die Privatisierung in Krankenhäusern und selbst die konsequente Profitmaximierungslogik der öffentlichen Krankenhäuser wie der Charité den grundlegenden Bedürfnissen der Bevölkerung vollständig entgegengesetzt sind. Unter dem Stichwort “Unternehmerische Freiheit” ist alles erlaubt: Alles was den freien Märkten ausgeliefert wird ist zwangsläufig den Gesetzmäßigkeiten des Profitstrebens unterworfen, mit anderen Worten, die medizinische Daseinsvorsorge wurde an die Märkte verkauft.

Auch sehr viele andere Bereiche der Daseinsvorsorge wurden privatisiert, wie zum Beispiel die Wasserversorgung in Berlin, die dann aufwendig von der öffentlichen Hand zurückgeführt wurde (woran sich die ehemaligen Besitzer ein zweites Mal eine goldene Nase verdiente). Nun soll der Öffentliche Nahverkehr, die S‑Bahn, neu ausgeschrieben und in mehrere Teilbetriebe zerstückelt werden. Das soll Geld einsparen und die Qualität erhöhen. Wie so etwas effektiv und krisenfest zu organisieren sein soll, erschließt sich hier aber nicht, denn es hat in den letzten Jahrzehnten lediglich an Investitionen zur rechten Zeit gefehlt. Da die Aufgaben doch die gleichen bleiben, wie sollen es da Fremdfirmen besser ausführen? Überfüllte Züge sind jetzt schon ein gewaltiges Problem und bieten Viren ideale Bedingungen, um sich auszubreiten, zumal von Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit oft keine Rede sein kann. Was geschieht erst bei richtig großen Krisen, etwa Totalstillstand?

Zusammengefasst ist klar: Der kapitalistische
Markt kann es eben nicht regeln, und eine grundsätzlich andere Alternative ist
nötig. Um eine Gesundheitsversorgung, einen öffentlichen Transport, gute
Bildung und insgesamt gute Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle unabhängig
von ihrem Geldbeutel zu gewährleisten, ist eine sozialisierte Wirtschaft nötig,
organisiert mittels einer Rätestruktur mit guter Expertise.B Eine solche
sozialistische Planwirtschaft, die nicht von den Profitinteressen der Bossen
und den “Märkten” abhängig ist, sondern ausschließlich dem Bedarf dient, wäre
zugleich demokratischer und krisenfester zu organisieren.

In einer sozialistischen Gesellschaft, die nicht
den Gesetzen des Marktes und der Profite unterworfen wäre, könnten wir eine
Infektionswelle einfach aussitzen und die Produktion so weit wie möglich ruhen
lassen. Im Kapitalismus bricht deswegen gleich die Weltwirtschaft zusammen.
Aber warum nicht einfach gleich präventiv zu Hause zu bleiben, anstatt während
der Inkubationszeit zur Arbeit zu gehen und womöglich seine Kolleg*innen
anzustecken? Volle U‑Bahnen während der
Stoßzeiten sind perfekte Umgebungen für Viren und Keime. Wenn weite Teile der
Produktion ruhen, gibt es weniger Möglichkeiten, dass sich Krankheiten
ausbreiten können.

Aber nicht nur Privatisierung und Sparpolitik in
der öffentlichen Daseinsvorsorge haben uns anfällig gemacht, auch die
Weltwirtschaft ist bereits angeschlagen. Vor allem der Handelskrieg zwischen
den USA und China beunruhigt die Märkte. Der Corona-Virus ist der perfekte
Anlass dafür, dass sich die Situation zuspitzt. Deshalb purzeln an der Börse
gerade die Kurse. Vor allem der Deutsche Aktienindex ist betroffen. Innerhalb
von fünf Tages ist er um 12 Prozent gefallen. Weltweit hat sich an den Börsen
ein Verlust von 12 Billionen Dollar angehäuft. Das alles allein wegen einem
kleinen Virus. Man spricht gar von dem schlimmsten Börseneinbruch seit der
Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren. Allerdings kann der Börsenabsturz
auch als Korrektur für die weltweit angespannte Konkurrenzsituation gesehen
werden, wo in vielen Bereichen hauptsächlich Konsumartikel auch viel zu viel
auf Halde produziert wird (Überproduktionskrise). Artikel und Dienstleistungen,
die nur dem privatem Konsum dienen, sind prädestiniert dafür, in
Krisensituationen weniger oder gar nicht nachgefragt zu werden, da diese die
Krisensituationen oft nicht einmal abmildern können. Die Gebrauchsgüter und
Dienstleistungen zur Grundversorgung sind nun oft Mangelware und wir werden oft
dazu angehalten, selber Sicherheiten durch Vorräte und andere Maßnahmen
aufzubauen. Um dieses Thema der Krisen ist nun auch die Prepper-Szene auf dem
Vormarsch, in dem jeder letztendlich nur für sich und oder der eigenen Familie
vorsorgt. Dabei wäre eine gemeinschaftliche Absicherung wesentlich effizienter.
Wer will sich schon den Rest seines Lebens von Konserven ernähren, nur um den
eigenen Bestand auf dem Laufenden zu halten?

Eine Gesellschaft, deren Wirtschaft nicht den
Gesetzen des Profits unterworfen wäre, in der es also kein Privateigentum an
den Produktionsmitteln gäbe, könnte viel besser mit so etwas umgehen. Schon
allein Kurseinstürze wie in den letzten Tagen wären gar nicht möglich. Zudem
könnte eine Ausbreitung des Corona-Virus viel effizienter verhindert werden,
zudem lassen sich Notvorräte viel effizienter aufbauen und durch eine bessere
Expertise auf einem noch besseren technischen Level auf dem Laufenden halten.
Die meisten heutigen Krisen ließen sich von vornherein ganz abwenden.

Quelle: klassegegenklasse.org…
vom 5. März 2020

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