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Katastrophe mit Ansage: Irak-Kriegsplaner in USA wollen Neuauflage in Gaza

Eingereicht on 4. März 2024 – 10:49

Jim Lobe. Mehrere maßgebliche Architekten der US-Invasion und Besetzung des Irak vor 21 Jahren haben einen Plan für den Wiederaufbau und die „Entradikalisierung“ der Bevölkerung des Gazastreifens, die den Krieg überlebt, vorgelegt, während gleichzeitig sichergestellt wird, dass Israel die „Handlungsfreiheit“ behält, um seine Operationen gegen die Hamas und den Islamischen Dschihad fortzusetzen.

Der Plan, der am Donnerstag in Form eines Berichts des neokonservativen Jüdischen Instituts für Nationale Sicherheitsfragen (JINSA) und der Vandenberg-Koalition veröffentlicht wurde, fordert die Gründung einer privaten Einrichtung, des „International Trust for Gaza Relief and Reconstruction“, die von einer „Gruppe arabischer Länder wie Saudi-Arabien, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten“ geleitet und „von den Vereinigten Staaten und anderen Nationen unterstützt“ werden soll.

Westliche Söldnertruppen in Gaza

Im Hinblick auf die palästinensische Beteiligung sieht der Bericht der „Gaza Futures Task Force“ einen Beirat vor, der sich „hauptsächlich aus Nicht-Hamas-Gazabewohnern aus dem Gazastreifen, dem Westjordanland und der Diaspora“ zusammensetzt.

Ferner sollte die Palästinensische Autonomiebehörde, die im Westjordanland ansässig ist, bei der Gründung des Trusts „konsultiert werden und diesen öffentlich absegnen“, während sie selbst einen Prozess der „Umgestaltung“ durchläuft.

Neben der Ermächtigung Israels, gegen die Hamas und den Islamischen Dschihad im Gazastreifen zu intervenieren, sieht der Plan vor, dass die Leiter der Treuhandgesellschaft und „fähige Kräfte aus Staaten, die nicht in der Region angesiedelt sind und enge Beziehungen zu Israel haben“ sowie „gründlich überprüfte Gaza-Einwohner“ für die Sicherheit sorgen.

Die Stiftung sollte auch befugt sein, „private Sicherheitsunternehmen, die einen guten Ruf bei westlichen Militärs haben“, in „enger Abstimmung mit den israelischen Sicherheitskräften“ zu beauftragen, heißt es in dem Bericht.

Die Kriegsarchitekten von Cheney und Bush

Die Arbeitsgruppe, die den Bericht erstellt hat, besteht aus neun Mitgliedern, von denen vier unter dem früheren Präsidenten George W. Bush und im Vorfeld und nach der katastrophalen Irak-Invasion im Jahr 2003 eine Schlüsselrolle in der Nahostpolitik spielten.

Den Vorsitz der Gruppe führt John Hannah, der von 2001 bis 2005 als stellvertretender nationaler Sicherheitsberater von Vizepräsident Dick Cheney und anschließend als Cheneys nationaler Sicherheitsberater (2005 bis 2009) tätig war und damit Lewis „Scooter“ Libby ablöste, der von seinem Amt zurücktrat, nachdem er wegen Meineids angeklagt worden war.

Libby, der später vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump vollständig begnadigt wurde, ist ebenfalls Mitglied der Gaza-Task-Force.

Ein weiteres prominentes Mitglied der Taskforce ist der Gründer und Vorsitzende der Hardliner-Vandenberg-Koalition, Elliott Abrams, der unter Bush von 2002 bis 2009 als leitender Direktor für Angelegenheiten des Nahen Ostens und Nordafrikas im Nationalen Sicherheitsrat und in jüngerer Zeit unter Trump als Sondergesandter für Venezuela und den Iran tätig war.

US-Stripppenzieher hinter versuchten Staatsstreich in Palästina

Ironischerweise spielte Abrams, der unter Bush auch als Senior Director for Democracy im Nationalen Sicherheitsrat der USA tätig war, eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung eines versuchten bewaffneten Staatsstreichs durch den Hauptrivalen der Hamas, die Fatah, im Jahr 2007, nachdem die Hamas die palästinensischen Wahlen 2006 gewonnen hatte.

Der Putschversuch löste einen kurzen, aber blutigen Bürgerkrieg im Gazastreifen aus, der schließlich zur Konsolidierung der Macht der Hamas im Gazastreifen führte.

Botschafter a.D. Eric Edelman, ein viertes Mitglied der Taskforce, war von 2001 bis 2003 Cheneys stellvertretender nationaler Sicherheitsberater. Von 2005 bis 2009 diente er unter Rumsfeld und seinem Nachfolger Robert Gates als stellvertretender Verteidigungsminister, zuständig für Politik. Es ist die drittwichtigste Position im Pentagon.

Er hatte diese Position inne, als die US-Truppen darum kämpften, den hauptsächlich sunnitischen Widerstand gegen die US-Besatzung im Irak einzudämmen.

Kriegerische Organisationen, die hinter Likud-Linie stehen

Zusätzlich zu ihrer Zusammenarbeit während der Bush-Regierung werden die vier Männer seit Langem mit stark pro-israelischen neokonservativen Gruppen in Verbindung gebracht.

Sie waren im Vorstand oder in beratenden Positionen für Organisationen und Denkfabriken wie das Hudson Institute, die Foundation for Defense of Democracies, das ultra-kriegerische Center for Security Policy sowie die Vandenberg Coalition und JINSA tätig.

In der Tat haben diese Gruppen eine Politik gefördert, die im Allgemeinen mit der Likud-Partei des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu übereinstimmt.

Demontage der Hamas und Irans Rolle

Die „wichtigsten Ergebnisse“ des Berichts stellen daher Überlegungen in den Vordergrund (es folgen Zitate):

– die Wiederherstellung des Abschreckungs- und Sicherheitsbedürfnisses Israels, sowohl für die eigene Bevölkerung als auch für seine Stellung als mächtiger regionaler Verbündeter sowie wesentlicher Bestandteil des Widerstands gegen die Ambitionen des Irans; und

– Demontage der Hamas als militärische und regierende Kraft, Verhinderung einer Neukonstitution durch Israels fortgesetzte Freiheit, gegen sie und gegen den Palästinensischen Islamischen Dschihad zu agieren; und durch Entmilitarisierung, Entradikalisierung und Verbesserung der Bedingungen im Gazastreifen, sodass große Terroranschläge wie der 7. Oktober nicht mehr geschehen können und werden …

Die vorgeschlagene Treuhandgesellschaft, so der Bericht, sollte die „Vereinigten Staaten und betroffene Staaten einbeziehen, die Israels Rolle in der Region akzeptieren“. Sie sollten „humanitäre Hilfe leisten und dabei helfen, die grundlegenden Dienstleistungen wiederherzustellen sowie die Zivilgesellschaft in Gaza während der intensiven Kämpfe und in den folgenden Monaten wieder aufzubauen“.

Katar fehlt

Die Aktivitäten der Stiftung sollten von einem internationalen Vorstand geleitet werden, der sich aus drei bis sieben Vertretern der wichtigsten Staaten zusammensetzt, die die Stiftung unterstützen, darunter Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere.

Zumindest ein Land fehlt auf dieser Liste: Katar, das den Gazastreifen in den letzten zehn Jahren mit mehreren Milliarden Dollar unterstützt hat.

In Anlehnung an Washingtons katastrophale Offensive, die zum Ziel hatte, die Baath-Partei im besetzten Irak auszulöschen, legt der Bericht besonderen Wert auf Bemühungen zur „Deradikalisierung“. In dem Bericht heißt es:

Der Trust ist sich bewusst, dass die jahrelange Radikalisierung durch die Hamas die Aufgabe, den Gazastreifen zu reformieren und wiederherzustellen, erschwert hat. Er sollte sich daher auf ein langfristiges Programm zur Deradikalisierung der Medien, Schulen und Moscheen konzentrieren.

Man fügt hinzu, dass …

die Bewohner des Gazastreifens und der Diaspora eine aktive Rolle bei der Entwicklung und Umsetzung dieser Pläne spielen sollten, zusammen mit den arabischen Mitgliedern des Trusts, die über praktische Erfahrungen mit erfolgreichen Deradikalisierungen in ihren eigenen Gesellschaften verfügen.

UNRWA wird als Gegner angesehen

Solche Bemühungen in Gaza, so heißt es weiter, könnten „als Modell dienen, um dort ein ähnliches Programm zu fördern, das für die Wiederbelebung einer glaubwürdigen Zweistaatenlösung unerlässlich ist“.

Die Arbeitsgruppe fordert den Trust auf, sich mit den Bemühungen anderer Staaten sowie mit denen von Nichtregierungsorganisationen und internationalen Organisationen, einschließlich der Vereinten Nationen, abzustimmen.

In Anlehnung an ein zentrales Argument der Likud-Partei sollte sie jedoch anerkennen, dass die Aktivitäten des UN-Hilfswerks für den Gazastreifen UNRWA dazu dienen, die palästinensische Krise aufrechtzuerhalten und zu verschärfen.

In dem Bericht heißt es, dass die unmittelbare Unterstützung des UNRWA bei der Bereitstellung von Hilfsgütern notwendig sein mag, dass aber „Pläne zur Ersetzung des UNRWA durch lokale palästinensische Institutionen oder andere internationale Organisationen, die sich für den Frieden einsetzen, entwickelt und umgesetzt werden sollten.“

All diese Aufgaben sollten verfolgt werden im allgemeineren Kontext der Bekämpfung von „Irans aggressiver Kampagne zur Verhinderung regionaler Friedensbemühungen, einschließlich der Eindämmung der von der Hisbollah ausgehenden Bedrohung sowie Fortschritten dabei, die Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien zu normalisieren“.

#Titelbild: Unter der US-Besatzungsmacht führen irakische Soldaten mutmaßliche Aufständische während der Peninsula-Operation ab, 2005. Bild: Arthur Hamilton / Public Domain

  1. Quelle: telepolis.de… vom 4. März 2024

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