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Lehren aus der NRW-Wahl

Eingereicht on 18. Mai 2017 – 8:19

Sozialistische Gleichheitspartei. Die nordrhein-westfälische Landtagswahl vom vergangenen Sonntag beinhaltet wichtige Lehren für zukünftige gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Klassenkämpfe.

Die Wahl fand unter wachsenden sozialen Spannungen und inmitten einer tiefen internationalen Krise statt. Die soziale Ungleichheit nimmt immer krassere Formen an. Millionen arbeiten in prekären Verhältnissen, in einigen Städten des Ruhrgebiets leben über ein Viertel unter der Armutsgrenze, während sich eine kleine Elite hemmungslos bereichert. Seit der Machtübernahme Donald Trumps in den USA wächst die Gefahr eines Atomkriegs mit Russland oder China. Die herrschende Klasse Deutschlands reagiert darauf, indem sie massiv aufrüstet und zu ihren alten militaristischen Traditionen zurückkehrt.

Die Wut und Empörung über diese Verhältnisse ist enorm. Umfrage über Umfrage zeigt, dass die große Mehrheit der Bevölkerung Krieg und Militarismus ablehnt. Laut der kürzlich veröffentlichten Studie „Generation What?“ sind 86 Prozent der Jugendlichen in Deutschland der Meinung, dass die Ungleichheit wächst. Nur 1 Prozent hat volles Vertrauen in die Politik, während 71 Prozent gar keines haben. 42 Prozent würden sich an einem Aufstand gegen die Mächtigen beteiligen, wenn es dazu in naher Zukunft kommen sollte.

Doch diese Stimmung findet keinen Ausdruck in der offiziellen Politik. Es ist bezeichnend, dass die SPD in NRW regelrecht kollabiert ist und mit 31,5 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1947 erzielte. Als Mitte der sechziger Jahre das Zechensterben im Ruhrgebiet begann, war die SPD zur stärksten Partei in NRW aufgestiegen. Bis Mitte der 1990er Jahre lagen ihre Landtagswahlergebnisse nie unter 45 und teilweise sogar über 50 Prozent.

Doch jetzt wird sie zurecht als die Partei gesehen, die für die wachsende soziale Misere verantwortlich ist: als Partei der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze, die Millionen Arbeiterfamilien in blanke Not und Elend gestürzt haben; als Partei der Schuldenbremse, die die Ausgaben im Land und den Kommunen rücksichtslos zusammenstreicht; als Partei des korrupten Gewerkschaftsapparats, der die Stilllegung von Stahl- und Autowerken organisiert und jeden Widerstand dagegen erstickt; und als Partei der internationalen Militäreinsätze und der Aufrüstung des Staatsapparats.

In den vergangenen Wochen brachte die SPD sogar das Kunststück fertig, angesichts beunruhigender Nachrichten über eine rechtsterroristische Verschwörung in der Bundeswehr die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) von rechts anzugreifen. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, warf von der Leyen vor, sie sorge für ein Klima der Unsicherheit und des Misstrauens in der Truppe, weil sie ohne konkrete Hinweise den Verdacht eines rechtsextremistischen Netzwerkes in den Streitkräften nähre.

Der Versuch, der SPD mit Martin Schulz ein neues Gesicht zu verpassen und es mit dem Etikett „soziale Gerechtigkeit“ zu versehen, ist kläglich gescheitert. Außer den Parteifunktionären, die um ihre lukrativen Ämter und Pfründe bangen, hat sich niemand an dem Schulz-Hype berauscht. Die Wahlniederlage der SPD in NRW ist nach dem Saarland im März und Schleswig-Holstein vor einer Woche die dritte in Folge.

Die SPD hat auch die Grünen mit in den Abgrund gezogen, die sich längst von allen sozialen Ansprüchen (soweit sie überhaupt je welche hatten) verabschiedet und zur Partei der arroganten, wohlhabenden Mittelschichten entwickelt haben.

Die Linke hat den Einzug in den Landtag verpasst. Sie hat zwar 2,5 Prozentpunkte hinzugewonnen, aber angesichts der Verluste der SPD, der Grünen und der Piraten von insgesamt 20 Prozent ist dies äußerst wenig. Die Zeit, in der sich diese Partei fälschlicherweise als linke Alternative zur SPD ausgeben konnte, ist vorbei. Mit Sahra Wagenknecht als Aushängeschild schwankte Die Linke im NRW-Wahlkampf zwischen Anbiederung an die Flüchtlingshetze der AfD und dem Bemühen um einen Platz am Kabinettstisch von Hannelore Kraft. Inzwischen hat sich längst herumgesprochen, dass Die Linke, wo sie in der Regierung sitzt, ebenso rabiat kürzt wie CDU und SPD.

Die Abwahl der SPD und der Grünen hat nichts gelöst. Profitiert haben rechte Parteien, die die Politik des Sozialabbaus, der Staatsaufrüstung und des Militarismus unvermindert fortsetzen werden.

Die CDU, die zu ihrer eigenen Überraschung die Wahl gewann, hofft nun auf eine vierte Amtszeit von Angela Merkel nach der Bundestagswahl im September. Die FDP, ein asozialer Lobbyverein der Banken und Konzerne, der nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag vor vier Jahren endgültig am Ende schien, ist drittstärkste Kraft geworden und tritt wieder mit der alten Arroganz auf.

Die AfD hat auf Anhieb 7,4 Prozent gewonnen und in einigen verarmten Regionen, wo die Verbitterung besonders groß ist, zweistellige Ergebnisse erreicht. Das Fehlen einer fortschrittlichen Antwort auf die gesellschaftliche Krise versetzt sie in die Lage, die Empörung über die etablierten Parteien in eine reaktionäre, nationalistische Richtung zu lenken.

Es ist Zeit, aus dieser Entwicklung politische Lehren zu ziehen. Die Gefahren, die mit dem Aufstieg der Rechten verbunden sind, dürfen nicht unterschätzt werden. Die Entdeckung einer rechten Terrorzelle in der Bundeswehr, die jahrelang von den Vorgesetzten gedeckt wurde, zeigt, dass die Herrschenden nicht davor zurückschrecken, wieder zu den Methoden der Nazis zu greifen, um den Kapitalismus verteidigen.

Die Zeit, in der die Arbeiterklasse ihre Interessen mit dem Stimmzettel wahrnehmen konnte, ist längst vorbei. Die Sozialdemokratie und die mit ihr verbündeten Gewerkschaften sind Instrumente der herrschenden Klasse. Letztere sehen ihre Aufgabe darin, den „Standort Deutschland“ – d.h. die Profite der deutschen Konzerne – zu verteidigen, indem sie Löhne, Renten und Sozialleistungen unaufhörlich nach unten treiben. Auch in anderen Ländern sind sozialdemokratische Parteien deshalb zusammengebrochen – in Griechenland, Spanien und in jüngster Zeit in Holland und Frankreich.

Nach Jahrzehnten des Sozialabbaus, des Finanzschwindels und permanenter Kriege im Nahen Osten und Afrika hat die Krise des Weltkapitalismus ein Ausmaß erreicht, bei dem fortschrittliche Reformen unmöglich geworden sind. Am deutlichsten zeigt sich das in den USA, wo mit Donald Trump die kriminelle Unterwelt ins Weiße Haus eingezogen ist und der ganze Staatsapparat in einer tiefen Krise steckt und sich erbittert bekämpft.

In Europa brechen die EU und die Nato auseinander, die jahrzehntelang den Rahmen der deutschen Außenpolitik bildeten. Die herrschende Klasse Deutschlands reagiert darauf, indem sie wieder den Anspruch erhebt, Hegemon Europas und Weltmacht zu sein.

Die kapitalistische Krise schafft aber auch die Voraussetzungen, sie zu überwinden. Millionen lehnen Krieg, Militarismus und kapitalistische Ausbeutung ab. Heftige Klassenauseinandersetzungen sind unvermeidlich – aber sie müssen politisch vorbereitet werden, sonst enden sie in einer Katastrophe und einer Niederlage.

Die Arbeiterklasse muss sich darauf vorbereiten, selbst die Kontrolle über die Gesellschaft zu übernehmen und den gesamten Produktionsprozess nach sozialistischen Grundsätzen zu reorganisieren. Statt den Profitinteressen und der Bereicherung Einzelner muss die Wirtschaft den Bedürfnissen der Gesellschaft dienen. Moderne Technologien bieten dafür ungeahnte Möglichkeiten.

Die Verwirklichung eines solchen sozialistischen Programms erfordert eine internationale Perspektive. Arbeiter müssen sich grenzüberschreitend zusammenschließen und gemeinsam gegen die Angriffe auf ihre Rechte und Errungenschaften, gegen Krieg und gegen Staatsaufrüstung kämpfen.

Vor genau hundert Jahren bewiesen die russischen Arbeiter, dass es möglich ist, die Staatsmacht zu erobern, den Krieg zu beenden und die Gesellschaft nach sozialistischen Grundsätzen zu reorganisieren. Die spätere stalinistische Degeneration der Sowjetunion tut der historischen Bedeutung der Oktoberrevolution 1917 keinen Abbruch.

Die wichtigste Voraussetzung für die Vorbereitung der kommenden Klassenkämpfe und die Verwirklichung einer sozialistischen Perspektive ist der Aufbau einer international organisierten revolutionären marxistischen Partei, die an die Traditionen der linken Opposition anknüpft. Ihr Aufbau ist die dringendste Aufgabe, die sich aus dem Bankrott der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften ergibt.

Quelle: wsws.org… vom 18. Mai 2017, leicht gekürzt durch Redaktion maulwuerfe.ch

 

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