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Zweifel an These von Wahlbetrug in Venezuela

Eingereicht on 5. August 2017 – 10:21

Philipp Zimmermann, Harald Neuber. Behörde weist Anschuldigung von Smartmatic zurück. Firma mit Verbindung zu US-Investor George Soros. Wahlexperten bescheinigen saubere Abstimmung.

Rund eine Woche nach der Wahl zur verfassunggebenden Versammlung in Venezuela bestimmt die Meldung über einen mutmaßlichen Wahlbetrug die Debatte im Land und international. Grundlage ist eine Pressemitteilung des in London ansässigen Unternehmens Smartmatic, das seit 2004 den technischen Support für zahlreiche Abstimmungen in dem südamerikanischen Land geleitet hat. Die Vorwürfe von Smartmatic haben indes durchaus unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Während die regierungskritische Staatsanwältin Luisa Ortega ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes auf Wahlbetrug einleitete, veröffentlichten regierungsnahe Medien Details über Verbindungen des Unternehmens zum US-Investor George Soros. Zugleich rief eine Smartmatic nahestehende Nichtregierungsorganisation die Europäische Union (EU) dazu auf, eine Übergangsregierung in Venezuela zu unterstützen.

In Reaktion auf die Erklärung von Smartmatic sagte Generalstaatsanwältin Ortega am Mittwoch im Interview mit dem US-Sender CNN, sie habe zwei Staatsanwälte mit Ermittlungen „zu diesem skandalösen Vorgang“ beauftragt. Die Vorwürfe seien „sehr schwer“, so Ortega. Bei der Erklärung aus London handele es sich um „ein weiteres Element in diesem ganzen illegalen Prozess der verfassunggebenden Versammlung des Präsidenten“. Es bestehe sogar der Verdacht auf ein „Verbrechen gegen die Menschheit“, so Ortega. „Es ist wahrscheinlich, dass wir in diesem Fall noch nicht mal eine Wahlbeteiligung von 15 Prozent hatten.“

In der Presseerklärung des britischen Unternehmens heißt es, dass bei der Abstimmung „schätzungsweise eine Differenz von einer Million Stimmen zwischen der tatsächlichen Beteiligung und dem von den Behörden bekanntgegebenen Resultat liegt“. Zuvor schreibt die Firma in der gleichen Erklärung noch selbstbewusst: „Aufgrund der Zuverlässigkeit unseres Systems (von Wahlmaschinen) wissen wir ohne jeden Zweifel, dass das Ergebnis der letzten Wahlen (zur verfassunggebenden Versammlung in Venezuela) manipuliert wurde.“ Unklar bleibt zunächst, woher diese Gewissheit kommt. Dennoch fand die Meldung weltweit umgehend Verbreitung.

Das am ehesten nachvollziehbare Argument der Londoner Firma lautet: Die Abstimmung mit Maschinen von Smartmatic braucht immer auch einen Gegencheck der beteiligten politischen Parteien, so wie dies in der Vergangenheit in Venezuela gemeinhin geschehen ist. Weil die Opposition die Wahlen dieses Mal aber boykottierte, sei diese Kontrolle nicht gegeben gewesen. Wie daraus auf einen sicheren Wahlbetrug geschlossen wird, bleibt unklar. Zumal die venezolanische Opposition Ende 2005 – als Smartmatic schon beteiligt war – schon einmal eine Wahl boykottiert hatte.

Die Präsidentin der Wahlbehörde CNE, Tibisay Lucena, bezeichnete die Erklärung von Smartmatic als „beispiellose Einschätzung eines Unternehmens, dessen einzige Aufgabe im Rahmen der Wahl darin besteht, bestimmte Dienstleistungen und technische Unterstützung zu bieten, die keinen Einfluss auf die Ergebnisse haben“. Im Übrigen habe Smartmatic als Serviceunternehmen auch dieses Mal an allen technischen Überprüfungen teilgenommen und die entsprechenden Protokolle unterschrieben, erklärte die venezolanische Wahlbehörde an anderer Stelle. Dies betreffe auch die Software der Wahlmaschinen und das Auszählungssystem, dessen Überprüfung des Auszählungssystems laut CNE am 25. Juli stattfand und zufriedenstellend verlaufen sei.

Smartmatic sieht sich auch Kritik ausgesetzt, weil die Firma ihre Anschuldigungen vor der internationalen Presse darlegte, ohne zuvor Venezuelas Wahlbehörde oder Regierung zu informieren. Sie scheint im Weiteren auch nicht mehr mit dem CNE kooperieren zu wollen. Wie die konservative Tageszeitung El Nacional berichtete, hat das Unternehmen 20 führende Mitarbeiter aus Venezuela abgezogen und seine geschäftlichen Tätigkeiten in dem Land „bis auf Weiteres“ eingestellt.

Neue Polemik gab es zudem um den Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens: Mark Malloch-Brown ist ehemaliger Stellvertretender Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ex-Vizepräsident der Weltbank und gegenwärtig Mitglied des Oberhauses des britischen Parlaments. Gleichzeitig sitzt er im Vorstand der Open-Society-Stiftung des US-amerikanischen Milliardärs George Soros. Die Stiftung steht immer wieder in der Kritik, weil sie politische Organisationen in zahlreichen Ländern finanziell unterstützt. Einige davon haben bei sogenannten „Farbrevolutionen“ zentrale Rollen gespielt, etwa in Jugoslawien, Georgien und der Ukraine.

Malloch-Brown ist ebenfalls Vorsitzender der Organisation „International Crisis Group“. Diese hatte am 20. Juli einen Kommentar zur Lage in Venezuela veröffentlicht, in dem davor gewarnt wird, die Regierung von Präsident Nicolás Maduro wolle mit der verfassunggebenden Versammlung die Demokratie beseitigen und durch eine „vollwertige Diktatur“ ersetzen. Die EU wird in dem Text aufgefordert, zusammen mit den USA, Kanada, Mexiko, Peru und Kolumbien eine „Kontaktgruppe“ zu schaffen, die auf die „Wiederherstellung der Demokratie“ in Venezuela hinarbeiten solle. Dabei solle die EU einer eventuellen „Übergangsregierung“ in Venezuela mit „Rat und technischer Unterstützung“ zur Seite zu stehen.

Auf dem kritisch-chavistischen Portal aporrea.org werden diese Verflechtungen von Malloch-Brown nun mit den jüngsten Äußerungen von Smartmatic in Verbindung gebracht. Durch den Erfolg der verfassunggebenden Versammlung habe sich Malloch-Brown gezwungen gesehen, „die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen, inklusive Smartmatic, einzusetzen, um die Resultate in Zweifel zu ziehen“.

Der Rat der Wahlexperten Lateinamerikas, ein Zusammenschluss von Vertretern der Wahlbehörden aus den Staaten der Region, verteidigte indes das offizielle Ergebnis, dem zufolge rund acht Millionen Menschen an der Abstimmung am vergangenen Sonntag teilgenommen haben. Im Interview mit dem russischen Auslandssender RT bezeichnete der ehemalige Präsident des Wahlrates von Ecuador, Nicanor Moscoso, das Ergebnis als „wahr und vertrauenswürdig“. Es sei auch dieses Mal das gleiche System zur Anwendung gekommen wie bei den vorherigen Abstimmungen, „eingeschlossen 2015, als die Opposition die Parlamentswahl gewonnen hat“. Präsident Maduro forderte indes den CNE auf, die reglementarisch festgelegten Überprüfungen nach der Wahl „zu 100 Prozent durchzuführen“.

Quelle: amerika21.de… vom 5. August 2017

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