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Streiks in Venezuela dauern an – und weiten sich aus

Eingereicht on 23. Juli 2018 – 15:40

Seit mehreren Wochen dauern in Venezuela die Streikbewegung der Krankenschwestern an – nun haben auch Angestellte der Universitäten und des Einzelhandels begonnen, sich dem anzuschließen. Vor allem die enorme Inflation ist es, die die Menschen zum Protest und zum Kampf um Lohnerhöhungen treibt. In einer extrem komplizierten gewerkschaftlichen Situation: Der Gewerkschaftsbund der Regierungspartei ist dabei ebenso wenig eine Hilfe, wie Einzelgewerkschaften, die von der rechten Opposition beherrscht werden, während die einst starke unabhängige Gewerkschaftsbewegung längst zwischen diesen Polen zerrieben worden ist und sich mühsam neu formiert. Sein „Glück“ anderswo suchen, in Brasilien oder gar in Kolumbien ist gegenwärtig eindeutig mehr verbreitet, als der Versuch, selbstorganisiert zu kämpfen – und doch entwickelt sich da eine Bewegung, in der durchaus das Bewusstsein vorhanden ist, dass die Bestrebungen der USA und ihrer Partner auf dem Kontinent die Regierung zu stürzen, vor allem einem gelten: Den Errungenschaften, die sie sich erkämpft haben. Zur aktuellen Streikbewegung in Venezuela vier Beiträge:

„Streiks im Gesundheitswesen von Venezuela“ von Marta Andujo am 13. Juli 2018 bei amerika21.de berichtet über die Streiks vor allem der Krankenschwestern: „Seit mehr als zwei Wochen versorgen in Krankenhäusern aller Bundesstaaten Pflegekräfte und Krankenhausärzte nur noch medizinische Notfälle und bestimmte unaufschiebbare Therapien. Mit dem Streik soll in erster Linie ein existenzsichernder Lohn erreicht werden. Unter dem Slogan “Herr Präsident, wir laden Sie ein, von dem Gehalt zu leben, das wir verdienen” hatten Krankenschwestern und Krankenpfleger in einem von ärmerer Bevölkerung geprägten Stadtteil von Caracas, Catia, die Proteste eröffnet. Nach Angaben der Schule für Pflegeberufe in der Hauptstadt beteiligten sich nach einer Woche bereits weitere 26 Gesundheitszentren in Caracas am Streik. Medizinische Einrichtungen in 23 Bundesstaaten des Landes schlossen sich dem Protestaufruf an. Löhne und Gehälter in Venezuela wurden angesichts einer unkontrollierten Inflation in den vergangenen Monaten regelmäßig angehoben, jedoch kann dies die Wertverluste nicht ausgleichen. Für besonderen Unmut unter den Arbeitskräften des Gesundheitssektors hat eine in diesen Tagen erfolgte Aufstockung der Bezüge im Militär gesorgt. Die Präsidentin der Schule für Pflegeberufe in Caracas, Ana Rosario Contreras, stellte in einer heftigen Kritik an der Regierung entsprechende Zahlen gegenüber, die von einer Studie der Zentraluniversität von Caracas gestützt werden. Demnach liegen die Gehälter für Pflegekräfte gegenwärtig bei drei bis vier Millionen Bolívares, die für Offiziersränge bei etwa 25 Millionen. Der Mindestlohn war von Präsident Nicolás Maduro am 20. Juni auf rund fünf Millionen Bolívares angehoben worden. Laut Medienberichten kostet ein Kilogramm Reis in Venezuela derzeit rund 1,2 Millionen Bolívares. Durch die schwere Wirtschaftskrise und internationale Sanktionen hat das Gesundheitswesen in Venezuela viel von seiner Leistungsfähigkeit eingebüßt. Der Mangel an Medikamenten und Ausrüstung sowie die Abwanderung von Fachpersonal stehen einer effizienten Gesundheitsversorgung entgegen. Der Protest im Gesundheitsbereich scheint beide polarisierte politische Lager einzubeziehen. Medizinisches Personal aus privaten Einrichtungen wie auch aus den staatlichen Gesundheitsstrukturen beteiligen sich. Chavistische und linke Kräfte streben eine landesweit vereinheitlichte gewerkschaftliche Organisierung des Pflegepersonals an. Eine erste Tarifeinigung einer als regierungsnah bezeichneten Einzelgewerkschaft hat von den Streikenden mehrheitlich keine Zustimmung erhalten…

„Venezuelan Nurses’ Strike for Better Salaries and Work Conditions“ von Cira Pascual Marquina am 10. Juli 2018 bei Venezuelanalysis weist ebenfalls darauf hin, dass verschiedene politische Kräfte an der Streikbewegung beteiligt sind, beziehungsweise versuchen, sie zu beeinflussen. Während rechte Gruppierungen einmal mehr versuchen, aus den Streiks ein Mittel zum Sturz der Regierung zu machen, legen linke Kräfte vor allem Wert darauf, gewerkschaftliche Organisierung voran zu treiben. Die Fenisitra, Föderation der Gewerkschaften im Gesundheitssektor ist ein Zusammenschluss lokaler und betrieblicher Gewerkschaften und dem regierungsnahen sozialistischen Gewerkschaftsbund CSBT angeschlossen. Der Protest weitete sich erst so richtig aus, nachdem Fenisitra nach zunächst kämpferischen Bekundungen überraschend eine Einigung unterzeichnete, die eine Lohnerhöhung um gerade einmal 10% vorsah – angesichts der galoppierenden Inflation so gut wie gar nichts.

„Enfermeras y Trabajadores Universitarios marcan el camino: Unifiquemos las Luchas por un Salario Digno“ am 14. Juli 2018 bei Clajadep-LaHaine dokumentiert, ist eine Erklärung der Sozialistischen Arbeiter-Union UST, in der vor allem darauf orientiert wird, die verschiedenen Kämpfe zu vereinheitlichen, weil alle dasselbe Anliegen hätten – einen Lohn, der zum Leben reicht. Krankenschwestern und Universitäts-Angestellte zeigten den Weg, so die Erklärung, in dem ein Mindestlohn gefordert werde, der dem Preis des Warenkorbes der Grundversorgung entspreche. Berichtet wird dabei auch von Streiks in mehreren Fabriken der Zementindustrie und einigen Elektrizitätswerken und einem ersten Streik bei der Ölgesellschaft PDVSA.

„Protestas ante salarios de hambre surgen en toda Venezuela“ am 20. Juli 2018 bei aporrea ist ein Überblick über die aktuelle Entwicklung der Streikbewegung. Darin werden zahlreiche neue Streiks erwähnt – unter anderem einer Belegschaft, die unter dem Motto streikt, sie wollten nicht in die Emigration gezwungen werden – aber auch weitere soziale Proteste in den Armenvierteln der Städte, die weit entfernt von den verschiedenen politischen Hauptakteuren des Landes seien.

Quelle: labournet.de… vom 23. Juli 2018

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