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Die Krise in Griechenland spitzt sich zu

Eingereicht on 30. Juni 2015 – 10:51

Die Entscheidung der europäischen Finanzbehörden, das Hilfsprogramm der Europäischen Union (EU) zu stoppen und die Versorgung der griechischen Banken mit Notkrediten zu begrenzen, hat das Land an den Rand eines sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenbruchs gebracht. Es ist das jüngste Stadium eines gnadenlosen fünfjährigen Angriffs, der dem Land drakonische Sparmaßnahmen aufgezwungen und seine Wirtschaft zerrüttet hat.

Nachdem die EU das Ende des Hilfsprogramms angekündigt hatte, erklärte die Europäische Zentralbank (EZB), sie werde die Obergrenze der Notkredite von 89 Milliarden Euro für die griechischen Banken beibehalten, aber nicht erhöhen. Dieses Geld ist zum größten Teil schon verbraucht. Angesichts eines möglichen Bankenzusammenbruchs verhängte Athen Kapitalverkehrskontrollen und ordnete eine einwöchige Schließung der Banken an.

Das Programm, das die EU, die EZB und der Internationale Währungsfond (IWF) Griechenland hatten aufzwingen wollen, hätte dessen wirtschaftlichen und sozialen Selbstmord, wie auch den politischen Zusammenbruch der Syriza-Regierung bedeutet. Schon bisher ist das Land bis aufs Blut ausgesaugt worden.

Das Programm verlangt neue tiefe Einschnitte bei den Renten, eine Erhöhungen der Mehrwertsteuer, die die Kaufkraft der Arbeiter vermindern wird, und die Privatisierung der Energiewirtschaft, der Häfen und anderer Transportinfrastruktur. Financial Times-Kolumnist Wolfgang Münchau nannte es «eine Wirtschaftsversion von Dantes Hölle» und fuhr fort: «Es hätte zur völligen wirtschaftlichen Zerstörung Griechenlands geführt.»

Mit der Verordnung dieser Hölle haben die europäischen Eliten klargemacht, dass sie vor nichts Halt machen werden, wenn sie alle demokratischen Normen und Prinzipen zerstören, um die Diktatur des Kapitals durchzusetzen. Die Arbeiterklasse muss eine politische Bilanz der bitteren Erfahrungen der vergangenen fünf Monate ziehen und in diesem Kampf auf Leben und Tod für ihre eigenen Interessen kämpfen.

Syriza hat immer behauptet, dass ein Kampf für den Sozialismus und eine politische Machtergreifung der Arbeiterklasse unrealistisch wären. Die Ereignisse haben diesen Standpunkt widerlegt. Es ist die Politik Syrizas, die sich als vollständig bankrott erweisen hat.

Fünf Monate lang hat Syriza nichts getan, um die griechische Arbeiterklasse gegen den Angriff der herrschenden Klasse zu verteidigen. Sie lehnte es sogar ab, gleich bei ihrem Regierungsantritt Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, als die griechischen Oligarchen Milliarden auf ausländischen Konten verschwinden ließen. Das Geld war vorher durch die bereits umgesetzten Austeritätsmaßnahmen aus den griechischen Arbeitern herausgepresst worden.

Erst jetzt hat Syriza solche Kontrollen verhängt, und sie dienen nur dazu, die griechischen Arbeiter daran zu hindern, an ihr Geld zu kommen, um ihre Familien zu ernähren.

Syriza hat nichts vorausgesehen.

Ihre Politik stützt sich auf die sozialen Interessen von Teilen der oberen Mittelschicht. Diesbezüglich unterscheidet sie sich in nichts von der europäischen Sozialdemokratie. Ihre gesamte Strategie war auf die vergebliche Hoffnung gebaut, dass einen Teil der europäischen Bourgeoisie überzeugt werden könnte, Griechenland zu Hilfe zu kommen und ein verändertes Austeritätsprogramm zu akzeptieren.

Vor allem aber ist Syriza gegen eine unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse für ein sozialistisches, revolutionäres Programm. Dies im Gegensatz zu den revolutionären Gruppen, die im politischen Bündnis Antarsya zusammenarbeiten und ihren Fokus in dieser Phase der grossen politischen Krise weniger auf die Machtergreifung durch Wahlen, als auf die politische Stärkung und ihre Verankerung in den sozialen Bewegung richten. Stattdessen bestand ihre Reaktion auf die Forderung, die griechische Arbeiterklasse müsse vollkommen verarmt werden, in Beruhigungspillen und Lügen, die sie der Bevölkerung verabreicht hat, um den Sozialkahlschlag schmackhaft zu machen.

Mit ihrem Referendum am 5. Juli über Zustimmung oder Ablehnung des letzten Sparplans der EU setzt Syriza diese Politik fort. Es ist ein zynisches Manöver der Syriza-Regierung. Sein Hauptziel besteht darin, der griechischen Bevölkerung die Verantwortung für die Zustimmung zu einer neuen Runde brutaler Kürzungen unterzuschieben.

Politisch hat die griechische Regierung schon ein klares Mandat, die Kürzungsforderungen zurückzuweisen. Als sie vor bald einem halben Jahr gewählt wurde, geschah dies auf der Grundlage tiefer Empörung über das Diktat der europäischen Banken und der europäischen Bourgeoisie. Allerdings hat Syriza von Anfang an betont, dass sie das Hilfsprogramm und seine Bedingungen akzeptiere und eine Einigung mit den europäischen Institutionen anstrebe.

Im Moment ist nicht einmal klar, worüber in dem Referendum abgestimmt werden soll. Wie die EU-Vertreter betont haben, wird das ganze Abkommen Ende Juni hinfällig, falls Griechenland zahlungsunfähig werden sollte und seine fälligen Kredite nicht zurückzahlen kann. Zudem hat Syriza nicht einmal versucht zu erklären, was sie tun will, wenn das Referendum mit «Nein» ausgeht.

Selbst jetzt noch ist Syriza auf eine einvernehmliche Lösung aus. Am Sonntag wurden in Brüssel Bemühungen unternommen, einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden. Viele sorgen sich über die Folgen der harten deutschen Linie für die europäischen Märkte. US-Präsident Barack Obama telefonierte am Sonntag mit Kanzlerin Merkel und diskutierte mit ihr über die Notwendigkeit, «in Griechenland den Reformprozess wieder in Gang zu bringen und in der Eurozone wieder auf den Wachstumspfad zu kommen».

Die europäischen Institutionen behalten sich auch die Möglichkeit eines «Regimewechsels» vor. Die Financial Times kritisierte Syriza in einem Leitartikel vom Sonntag und warnte vor dieser Möglichkeit. «Giorgos Papandreou versuchte 2011 ein ähnliches [Referendums-]Manöver, als er Ministerpräsident war. Das harte Bailout-Abkommen überlebte; Herr Papandreou verlor seinen Job.»

Es besteht kein Zweifel, dass hochrangige Generäle bereits hinter verschlossenen Türen zusammensitzen, um die Möglichkeit eines direkten Eingreifens des Militärs zu erörtern. Sie bereiten sich auf Massenproteste und den Widerstand der Arbeiterklasse vor, den sie gewaltsam unterdrücken wollen. Syriza hat durch ihre eigenen Versuche, die Unterstützung der Polizei und der Streitkräfte gegen die Arbeiterklasse sicherzustellen, den Weg für einen solchen Kurs bereitet.

Die Arbeiterklasse befindet sich in einer bedrohlichen Lage. Es geht nicht nur um die Zukunft der Arbeiterklasse in Griechenland, sondern in ganz Europa. Die europäischen Banken wollen Syriza am Boden sehen, um klarzumachen, dass Wahlen wie die Anti-Austeritätswahl vom Januar keinerlei Auswirkungen auf die Politik haben. An Griechenland wird ein Exempel statuiert, dass gegen den Sparkurs keine Opposition geduldet wird.

Die Troika, die Stimme des internationalen Kapitals, hat Griechenland den wirtschaftlichen Krieg erklärt. Die Arbeiterklasse muss mit ihrem Programm darauf antworten: mit einem revolutionären Kampf gegen das kapitalistische System.

Die Arbeiterklasse kann sich nicht verteidigen, ohne sofort gegen die Verschwörung der griechischen und internationalen herrschenden Klassen vorzugehen und die Macht selbst in die Hand zu nehmen. Dazu muss sie eine Arbeiterregierung bilden. Die Banken, die strategischen Industrien, wie z.B. die Reedereien, und die Konten und Vermögen der Oligarchen, die Griechenland kontrollieren, müssen enteignet werden. Auf jeden Fall müsste ein solcher Kampf in einem internationalen Zusammenhang einsetzen, um eine Chance zu haben, einen Prozess der politischen Herausforderung der Bourgeoisie – der griechischen, der europäischen, der US-amerikanischen – auf die Beine zu bringen. Die politischen Aufgaben der revolutionären Linken sind auf dieser Achse zu finden. Die politisch-organisatorischen Voraussetzungen dazu sind in Griechenland um vieles besser als sonstwo – aber immer noch sehr ungünstig. Aber wir haben keine andere Chance!

Quelle: wsws.org, mit einigen Änderungen

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