Schweiz
International
Geschichte und Theorie
Debatte
Kampagnen
Home » Debatte, Schweiz

Bankenkrise in der Schweiz: Vergesellschaftung statt Monsterkoloss!

Eingereicht on 21. März 2023 – 9:12

BFS Zürich. Seit Sonntag, 19. März 2023 ist klar, dass die kriselnde Schweizer Grossbank Credit Suisse von der Konkurrentin UBS übernommen wird. Dieser neue Monsterkoloss ist aber nur zustande gekommen, weil einmal mehr der Schweizer Staat in die Bresche springt und somit die Lohnabhängigen von der Regierung verpflichtet werden, für einen Teil der Verluste einer Grossbank aufzukommen. Die Bevölkerung bezahlt also für das Versagen der Banken und sichert die Bonis und Dividenden der Verantwortlichen des Kollapses.

Keine Sozialisierung der Verluste: Wir zahlen eure Krisen nicht!

Am Sonntagabend gaben der Schweizer Bundesrat, die Spitzen von Nationalbank und Finanzmarktaufsicht (Finma) sowie die beiden Präsidenten Axel Lehmann (CS) und Colm Kelleher (UBS) bekannt, dass die Credit Suisse für drei Milliarden Franken geschluckt wird. Möglich wurde die Übernahme allerdings nur, weil der Bund der UBS Garantien in der Höhe von 209 Milliarden Franken ausstellte. Mit neun Milliarden beteiligt sich die öffentliche Hand an den Verlusten der CS und 200 Milliarden werden den beiden Banken als Kredite zur Verfügung gestellt, für die zu jeweils der Hälfte der Bund und die Nationalbank bürgt. Das heisst, es werden allfällige Kreditausfälle übernommen, welche insbesondere dann wahrscheinlich werden, wenn sich die in den USA nach dem Bankrott Silicon Valley Bank begonnene Finanzkrise weiter ausweitet. Die Konsequenzen für die private Abzockerei zahlen also einmal mehr die Lohnabhängigen mit ihren Steuergeldern. Darüber wird es in den nächsten Monaten zur Entlassung von über 10’000 Angestellten kommen, darunter wohl auch Dutzende Lernende, die nicht von der UBS übernommen werden.

Der Verwaltungsrat und die Manager:innen der CS haben wiederum nichts zu befürchten, obwohl sie einen global agierenden Finanzkonzern an die Wand gefahren und in den letzten zehn Jahren 3,2 Milliarden Franken Verluste geschrieben haben. In derselben Zeitspanne hat die CS dutzende Milliarden an Boni ausbezahlt. So viel zu „unternehmerischer Verantwortung“. Der Gipfel der Frechheit ist, dass die CS gleich nach der Übernahme durch die UBS angekündigt hat, auch weiterhin Boni auszuzahlen. Die nächste Runde ‚Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit‘ steht bereits am 24. März an.

Der bürgerliche Rechtsstaat ist eine Farce

Es ist zudem bemerkenswert, wie wenig Rücksicht die Schweizer Behörden auf ihren eigenen Rechtsstaat nehmen, wenn ihre Freund:innen aus der Privatwirtschaft in Bedrängnis geraten. Wie schon bei der Rettung der UBS 2008 hat der Bundesrat per Notrecht über Parlament und Bevölkerung hinweg die Rettung der CS beschlossen. Die Wettbewerbskommission, die in der liberalen Logik solche Fusionen kontrollieren und Monopolbildungen bekämpfen sollte, wurde auf einen Beobachterstatus degradiert. Und das Aktionärsrecht wurde kurzerhand ausgehebelt, um ein Veto der Bankaktionär:innen zu verhindern.

Gerechtfertigt wird das undemokratische Manöver von den Protagonist:innen und den bürgerlichen Politiker:innen mit der Finanzmarktstabilität, die durch einen unkontrollierten Kollaps der CS gefährdet würde. Die Schweizer Behörden hätten gar keine andere Möglichkeit gehabt, als die CS mit öffentlichen Geldern zu retten, weil man sonst ein globales Erdbeben an den Finanzmärkten riskiert hätte.

Die kapitalistischen Sachzwänge – und nicht etwa unbestimmte Elitenkreise, wie es Verschwörungserzählungen nahelegen wollen –, nehmen die Bevölkerung wie schon bei der Rettung der UBS 2008 in Geiselhaft. Finanzmarktstabilität ist auch nur ein anderes Wort für die Garantie der Konzernprofite und die Bereicherung der Reichen.

Ein Untergang mit Ansage

Der Untergang der CS ist das Ende einer langen Kette von Skandalen, Korruption und selbstverschuldetem Verspekulieren in den letzten Jahren.

  • In der Spygate-Affäre 2019 wurde bekannt, dass der damalige CS-CEO Tidjane Thiam den Chef der Vermögensverwaltung Iqbal Khan bespitzeln liess aus Angst, dieser nehme vertrauliche Informationen mit zu seinem neuen Arbeitgeber (der UBS).
  • 2021 und 2022 verspekulierte sich die CS und machte bei der Pleite der US-Hedgefonds Archegos (2021) und der Finanzfirma Greensill (2022) Milliardenverluste.
  • In den „Suisse Leaks“ enthüllten Journalist:innen 2022, wie die CS bis heute Diktatoren und Verbrecher:innen als Kund:innen hofiert und ihnen beim Verstecken und Waschen ihrer Gelder hilft.
  • Schliesslich führten die kriminellen Praktiken der CS dazu, dass sie in mehreren Fällen gerichtlich verurteilt und zu Bussen und Schadensersatzzahlungen in Milliardenhöhe verpflichtet wurde, weil sie ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigt und dadurch Geldwäscherei und Steuerhinterziehungen ermöglicht hatte.

Dies alles führte dazu, dass die Kund:innen ihre Gelder von der CS abgezogen haben und die Bank trotz vorhandenem Eigenkapital Liquiditätsprobleme bekam und schliesslich Gefahr lief, ihren laufenden Verpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können. Und trotz all dieser Skandale besitzen sowohl der CS-Präsident Lehmann als auch die Schweizer Behörden die Frechheit, an der Pressekonferenz am 19. März zu behaupten, dass vor allem „Gerüchte auf Sozialen Medien“ Schuld am Kollaps der CS gewesen seien.

Konzentration des Kapitals

Nicht nur die Sozialisierung der Verluste ist typisch dafür, wie im Kapitalismus mit wirtschaftlichen Krisensituationen umgegangen wird. Jede Krise führt auch zu einer weiteren Konzentration und Zentralisation des Kapitals. Die sterbenden Wirtschaftszweige und Unternehmen werden eliminiert, gleichzeitig aber werden neue Investitionen mittels direkter oder indirekter staatlicher Hilfsgelder durchgeführt. Firmen werden aufgekauft und ihre Marktanteile einverleibt. Dadurch können die „Herrscher des Marktes“ (hier: die UBS) noch mehr Reichtum und Macht in ihren Händen konzentrieren. Ständig versuchen sie, ihre Produktivität (Erhöhung der Güterproduktion oder Dienstleistung innerhalb einer gegebenen Zeit) sowie ihre Rentabilität (Profitrate) zu steigern. Durch die Übernahme der CS entsteht nun ein Finanzkoloss, der erst recht „too big to fail“ sein wird. Daran ändern auch die Beteuerungen der Schweizer Behörden nichts, dass die erweiterte UBS ihr Eigenkapital nochmals erhöhen müsse und die staatlichen Regulierungen des Finanzmarktes nochmals verschärft werden sollten. Dass diese Regulierungen bei Grossbanken Papiertiger bleiben, zeigt ja genau der Kollaps der CS, der laut den seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/08 aufgestellten Anforderungen an Banken eigentlich gar nicht mehr hätte passieren sollen.

Für die Vergesellschaftung des Finanzsektors!

Der Bundesrat hat gezeigt, dass es einer Regierung grundsätzlich möglich ist, rasch zu handeln und Milliarden locker zu machen, wenn’s brennt und sich beispielsweise der Untergang einer der grössten Klimasündern des Landes, der CS, abzeichnet. Der Klimastreik Schweiz fragte in den Sozialen Medien deshalb zu Recht, ob denn unsere Lebensgrundlagen nicht auch „too big to fail“ seien? Gleichzeitig zeigt das Verhalten des Schweizer Staates, dass dieser eben nicht ein neutrales Gebilde ist, welches man mal für eine Bankenrettung, mal für die Rettung des Klimas einsetzen kann. Bürgerliche Staaten inkl. Parlament und Regierung sind im 19. und 20. Jahrhundert entstanden, um den privaten Unternehmen möglichst profitable Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen, und nicht um den Lohnabhängigen ein möglichst sorgen- und arbeitsfreies Leben in Einklang mit der Umwelt zu bescheren. Das ist bis heute nicht anders.

Deshalb ist es der völlig falsche Ansatz, wenn linke Parteien nun dazu aufrufen, es den Bürgerlichen in den Nationalratswahlen – also innerhalb des bürgerlichen Parlaments – im Herbst heimzuzahlen. Was wir benötigen ist der Aufbau einer gesellschaftliche Gegenmacht: Wir brauchen eine breite soziale Bewegung, die mit den Spielregeln der Herrschenden bricht und das Privateigentum der Konzerne strategisch ins Visier nimmt. Die UBS und CS investier(t)en Milliarden in fossile, klimaschädliche Unternehmen und Projekte. Dadurch verursach(t)en die zwei Grossbanken einen doppelt so grossen CO2-Ausstoss wie die restliche Schweiz. Den Banken muss also die Entscheidungsgewalt über die Investitionen entzogen werden. Der Bankensektor gehört enteignet und in den Dienst der Gesellschaft und des sozial-ökologischen Umbaus der Wirtschaft gestellt.

Wir zahlen nicht für eure Krisen: CS und UBS enteignen!

Für die Vergesellschaftung des Finanzsektors und einen ökologisch-sozialen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft!

Quelle: sozialismus.ch… vom 21. März 2023

Tags: , ,