Mach dich bereit, Amerika!
Rüdiger Rauls. Unter dem Schlachtruf „Mach dich bereit, Russland“ hatte der Führer der größten Militärmacht der Welt Russland und Syrien einen ähnlichen Feuersturm angekündigt wie weiland dem kleinen Nord-Korea. Es blieb in beiden Fällen bei Schaumschlägerei und lächerlicher Symbolpolitik. Nur die Gemeinde der apokalyptischen Reiter im Westen sagte zum x-ten Mal den Weltkrieg 3.0 voraus und lag mal wieder glücklicherweise gehörig daneben.
Keine Aussichten auf Erfolg in Syrien
Die Westliche Wertegemeinschaft (WWG) erweist sich nicht nur zunehmend als inhaltsleer in Bezug auf die Werte, die sie zu vertreten vorgibt, sondern auch als zahnloser Papiertiger angesichts ihrer vollmundigen Drohungen. Im Interesse des Weltfriedens kann man nur hoffen, dass es dabei bleibt. Vom ursprünglichen Ziel des Regime-Change in Syrien ist die WWG jedoch weiter entfernt denn je. Selbst die FAZ, nicht bekannt für große Sympathien gegenüber Putin und Assad, schreibt in ihrem Kommentar „Raketenselig“ vom 12.4.18: „Der Machtkampf in Syrien ist entschieden, strategisch gibt es dort nichts mehr zu gewinnen“.
Das mag vielleicht etwas verfrüht sein angesichts der Asse, die westliche Politiker immer wieder zur Überraschung des Publikums in der Lage sind, aus dem Ärmel zu zaubern. Denn wer hätte vor Jahren damit gerechnet, dass es dem Westen gelingen könnte, beispielsweise ausgerechnet die Kurden für die eigenen Interessen in den Kampf und den Tod zu schicken, die doch über lange Zeit auf der Terroristenliste ganz oben standen. Die obigen Worte des FAZ-Kommentators verdeutlichen einerseits die Hoffnungslosigkeit, zeigen andererseits aber auch die Realitätsnähe des wichtigsten Meinungsbildungsorgan der herrschenden Klasse in Deutschland.
Die Zerrissenheit der WWG in Sachen Syrien offenbart niemand deutlicher als Trump selbst. Noch wenige Tage vor dem amerikanisch-britisch-französischen Raketen-Angriff auf syrische Einrichtungen hatte er den baldigen Abzug der amerikanischen Truppen aus Syrien in Aussicht gestellt. Diese Ankündigung trägt der oben bereits erwähnten Erkenntnis Rechnung, dass der Syrienkrieg unter den gegenwärtigen Bedingungen und Kräfteverhältnissen für den Westen verloren ist, gelingt es nicht, den westlichen Plänen auf Regime-Change neues Leben einzuhauchen. Nur, woher soll das kommen?
Wer soll für den Westen kämpfen?
Um dem Krieg neues Leben einzuhauchen, müssen Menschen gefunden werden, die bereit sind, ihr Leben für diesen Krieg zu opfern, ein Leben für ein Leben sozusagen. Und da sieht es im Moment schlecht aus für die WWG. In den eigenen Ländern hat alleine schon der vergangene Raketeneinsatz viel Kritik hervorgerufen innerhalb der politischen Elite, und dabei hat es noch nicht einmal Tote in der eigenen Bevölkerung gegeben. Die Proteste im eigenen Lande waren gering. Weite Teile der Bevölkerung stehen dem Krieg zwar ablehnend, aber auch gleichgültig gegenüber. Das könnte sich jedoch schnell ändern, wenn die eigenen Kinder aufs Schlachtfeld ziehen müssten. Unter diesen Umständen ist ein Militäreinsatz mit eigenen Bodentruppen vonseiten der drei Raketenländer sehr unwahrscheinlich.
Andere Varianten der Kriegsfortsetzung sind mit erheblichen Risiken verbunden. Der Rückgriff auf professionelle Anbieter von Söldnern würde die immensen Kosten, die die bisherigen Einsätze solcher Kämpfer alleine in Afghanistan und Irak schon verursacht hatten, ins Unermessliche steigern. Wobei sich diese Kriege auf einer niedrigeren Stufe von Beteiligung an Kampfhandlungen befinden, als dies in Syrien zu erwarten wäre.
Bisher, zumindest zu Beginn der kriegerisch geführten Auseinandersetzung, hatte die WWG sich in Syrien weitgehend auf ideologisch motivierte Kämpfer gestützt, wenn auch viele von ihnen Zahlungen und und sonstige Leistungen des Westens erhielten. Mit jeder weiteren Niederlage der Rebellen wird die Zahl dieser Kämpfer geringer. Zudem zeigt die Entwicklung von Teilen dieser Rebellen hin zum IS, dass sie gerade aufgrund dieser ideologischen Ausrichtung wesentlich schwerer zu kontrollieren sind und im Falle des Irak sich sogar zu einer zusätzlichen Bedrohung für die Pläne der WWG entwickelten.
Zuletzt blieben nur noch die Kurden, die bereit waren für die WWG zu kämpfen. Aber auch diese hatten ihre eigenen Interessen und Pläne, die sie besonders in der Frage der nationalen Unabhängigkeit in Konflikt mit der Türkei brachten. Dieser Konflikt ist im Interesse der WWG im Moment anscheinend nicht zu lösen. Denn die Türkei wird sich erst wieder den Plänen des Westen, Assad zu stürzen, anschließen, wenn er Garantien stellen kann, dass am Ende nicht die kurdische Unabhängigkeit steht. Im Moment scheint die Türkei, nicht zuletzt wegen des Putschversuchs, hinter dem sie nicht zu unrecht den Westen vermutet, ihre Interessen in der Allianz mit den Russen, dem Iran und Assad besser gewahrt zu sehen.
Trump unter Druck
Vermutlich wird dem Geschäftsmann Trump der Krieg mittlerweile angesichts seiner Erfolgsaussichten zu teuer, weshalb er noch vor wenigen Tagen den Truppenabzug in Aussicht gestellt hatte. Trump ist ja nicht nur Geschäftsmann, er ist auch Volkstribun, der die Interessen der kleinen Leute zu vertreten vorgibt. Vermutlich wird es immer schwieriger zu erklären, weshalb in einen aussichtslosen Krieg in Syrien, aber auch in Afghanistan und Irak immer weitere Milliarden hineingepumpt werden, während im eigenen Land gerade die wirtschaftliche Lage großer Teile der Bevölkerung immer schwieriger wird. So äußerte sich Trump zur Lage und den Aussichten in Syrien, dass „kein noch so großer Einsatz von amerikanischem Blut und und Geld im Mittleren Osten dauerhaft Frieden und Sicherheit herstellen kann“ (FAZ vom 16.4.18: Wo verlaufen die roten Linien).
Die Finanz-Defizite der USA weiten sich immer mehr aus. Trumps protektionistische Maßnahmen lassen sich nicht so einfach umsetzen, wie er es sich in seinem kopflosen Aktionismus gedacht hatte. Die Probleme werden nicht geringer sondern immer größer. Ständig sieht er sich neuen Drohungen von Gegenmaßnahmen und Forderungen nach Ausnahmeregelungen vonseiten anderer Wirtschaftsnationen gegenüber. Unlängst mahnte dann auch noch die IWF-Chefin Lagarde an, die USA sollen Maßnahmen ergreifen, um die Kosten der Steuersenkung für die Unternehmen durch Verbesserung der Einnahmen oder Senkung der Ausgaben gegen zu finanzieren. Auch von dieser Seite drohen also neue Schwierigkeiten, die sich auf die Investitionsbereitschaft von Anlegern in den USA auswirken könnten.
Zu guter Letzt hat Trumps Ankündigung des Truppenabzugs aus Syrien nun auch diejenigen aufgeschreckt, die Angst haben vor dem Herunterfahren des amerikanisches Engagement im Nahen Osten. Das sind vor allem Israel und Kräfte im eigenen Lande, die aus strategischen Gründen den Krieg nicht beenden wollen. Sie befürchten einen Machtzuwachs Russlands und des Iran zulasten der Bedeutung und Macht der USA in der Region. Denn bereits eine Woche zuvor hatten sich „die Führungen der Türkei, Russlands und Irans in Ankara über das Vorgehen in Syrien verständigt“ (FAZ vom 10.4.18: Luftschläge gegen ein altbekanntes Ziel), während der Westen nicht vorankommt mit eigenen Plänen für eine Nachkriegsgestaltung. Es droht also neben dem Machtverlust im Nahen Osten, auch die Entfremdung des NATO-Partners Türkei zugunsten der Russen sich immer mehr zu vertiefen.
Am Montag, den 8.4., griffen dann feindliche Flugzeuge den syrischen Stützpunkt T4 auf syrischem Territorium an. Wenn auch keine offizielle Bestätigung vorliegt, deutet alles auf einen israelischen Militärschlag hin, nachdem es Netanjahu in der Woche zuvor nicht gelungen war, Trump davon zu überzeugen, „in Syrien zu bleiben und sich stärker dort zu engagieren“ (ebenda). Darüber hinaus meldete der amerikanische Sender NBC, „Israel habe Washington über den Angriff informiert, die Russen jedoch nicht“ (ebenda), was nicht der bisherigen Praxis entsprach. Die Vermutung liegt nahe, dass man eine syrische, vielleicht sogar eine russische Reaktion provozieren wollte, um den Konflikt zu eskalieren und dann angesichts der Bedrohungslage für Israel Trump zur einer Aufgabe seiner Abzugspläne zu bewegen.
Ebenso unmittelbar auf die Trump’sche Rückzugsankündigung erfolgte der erneute westliche Vorwurf gegenüber Assad, Giftgas „gegen das eigene Volk“ eingesetzt zu haben. In der Situation in Ost-Ghuta, wo mit etwa 90% der Rebellen bereits eine Kapitulation und der Abzug der Kämpfer vereinbart war, hätte dieser Gasangriff weder militärisch noch politisch Sinn gemacht. Die einzigen Nutznießer einer solchen Attacke und der darauf aufgebauten Propaganda waren die Gegner eines amerikanischen Truppenabzuges aus Syrien. Dennoch sah sich Trump nun unter Druck, das vorgeblich wiederholte Überschreiten der roten Linie Giftgas durch Assad nicht ebenso tatenlos hinzunehmen wie seinerzeit Obama, den er gerade für diese seinen Tatenlosigkeit immer wieder heftig kritisiert hatte.
Raketenangriffe und ihre Folgen
Mit dem Angriff der Dreierkoalition auf Syrien zeigte der Westen Handlungsfähigkeit. Das was aber auch alles. Entschlossenheit und Stärke, die man damit vermitteln wollte, waren nicht zu erkennen und veränderte nichts an der Lage und den Kräfteverhältnissen in Syrien. Folgerichtig gaben sich nach dieser lauwarmen Reaktion des Westens auch die letzten Rebellen in Ost-Ghuta geschlagen. Nach den Militärschlägen begann die Arbeit der Deuter. Sie mussten aus den ehemals vollmundigen Drohungen, die den Beginn des 3. Weltkriegs vermuten lassen konnten, nun eine Strategie zusammenbasteln, die die Militäraktion trotz ihre Wirkungslosigkeit und Harmlosigkeit dennoch als Erfolg erscheinen lassen konnten.
Von dem schmetternden Fanfarenstoß „mach dich bereit, Russland“ war nun nichts mehr übrig geblieben. Nach den Verlautbarungen der „heldenhaften“ Raketenkämpfer war es im Nachhinein nur noch um die starke „Abschreckung gegen die Herstellung, Verbreitung und Nutzung chemischer Waffen“ (FAZ vom 16.4.18: Wo verlaufen die roten Linien) gegangen. Dieses Ziel hätte man aber einfacher erreichen können. Mit der Zerstörung der amerikanischen, britischen und französischen C-Waffen-Arsenale wäre die Welt ein gutes Stück sicherer geworden.
Hatte man anfangs noch den Eindruck erweckt, als wolle man Russland „in die Steinzeit zurückbomben“, seit dem Vietnam-Krieg eine amerikanische Spezialtaktik, so erklärte man nach dem Raketengewitter, „dass sich die Verbündeten mit ihrer Aktion nicht in den syrischen Bürgerkrieg hätten einmischen wollen“ (ebenda). Anscheinend gibt man sich nun alle Mühe, an der Nachkriegsgestaltung, aus der man sich durch die Ablehnung des Astrana-Format ausgeschlossen hatte, wieder beteiligt zu werden.
Jedenfalls „stellte das Pentagon nach den Luftschlägen seine großen Anstrengungen heraus, russische Kollateralschäden zu vermeiden“ (ebenda). Zudem seien „Russen und Iraner im Vorfeld über den „begrenzten“ Charakter der Aktion informiert gewesen. Hier ging es nicht um einen Regimewechsel oder darum, im Syrien-Krieg das Blatt zu wenden“. (ebenda) Und „weitere Militärschläge seien derzeit nicht geplant, man habe zunächst einen „einmaligen Schuss“ abgegeben“ (ebenda). Das hört sich alles sehr bemüht an, die Wogen wieder zu glätten. Anscheinend hat man sich mit der Niederlage arrangiert, wenn Außenminiser Johnson feststellt, „dass der Rest des syrischen Krieges so weitergehen wird“ (ebenda). Zudem betonte er, dass Großbritannien „nicht die Eskalation mit Russland“ (ebenda) suche.
Vielleicht hofft man auch darauf, an den großen Aufträgen beim Neuaufbau des Landes beteiligt zu werden, die auf 300 Mrd Dollar geschätzt werden. Denn da haben Russen und Chinesen schon die Nase vorn. Es wird sich zeigen, was von diesen Beteuerungen zu halten ist. Syrien wäre es zu wünschen. Doch steht immer auch zu befürchten, dass all diese Vorsätze wieder über den Haufen geworfen werden, sobald sich günstige Gelegenheiten bieten, den Krieg doch noch zugunsten des Westens zu wenden.
Neben der Aussichtslosigkeit des Krieges scheint ein neuer Aspekt an Bedeutung zu gewinnen: die öffentliche Meinung in der eigenen Bevölkerung. „Laut Umfragen steht die Mehrheit der Briten Militärschlägen skeptisch gegenüber…“ (ebenda). Zudem ist deutlich „die Absicht zu erkennen, auch den Informationskrieg um die Strafaktion zu gewinnen“ (ebenda).
Es geht also offensichtlich mittlerweile um mehr als nur den Sieg in Syrien. Es geht zunehmend auch um die Glaubwürdigkeit der Regierenden bei ihrer eigenen Bevölkerung. „Im Beraterstab des französischen Außenministers hieß es, dass Desinformation in dem Syrien-Konflikt zu einer der wichtigsten Waffen des von Moskau und Teheran gestützten Regimes um den Diktator Assad zähle“ (ebenda). Wohlgemerkt wird hier als Desinformation bezeichnet, was an Gegenöffentlichkeit in den westlichen Gesellschaften zu wirken beginnt. Man scheint zu merken, dass die Bevölkerung sich nicht mehr so einfach mit unbewiesenen Beschuldigungen der eigenen Regierungen abspeisen und aufhetzen lässt. „Die Debatte über die „Beweislage“, die im Westen geführt werde, sei von diesen von interessierter Seite verbreiteten Falschmeldungen geprägt“ (ebenda). Damit meint der französische Minister nicht die eigenen Verlautbarungen sondern die, die die eigenen Darstellungen in Zweifel ziehen.
Aber egal! Es ist jedenfalls ein gutes Zeichen, wenn die Regierenden zu solchen Maßnahmen greifen müssen, weil sie sich des eigenen Volkes nicht mehr sicher sein können. Also Amerika und WWG, macht Euch bereit!
Quelle: ruedigerraulsblog…. vom 21. April 2018
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