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«Mainstream»-Medien bedienen die Interessen des Globalen Nordens

Eingereicht on 9. November 2024 – 17:39

Der Neue Norden. Die Berichterstattung öffentlicher und privater Medien über internationale Themen ist auffallend einheitlich, sowohl inhaltlich als auch bezüglich der Perspektive, aus der berichtet wird.

Schweizer Mainstream-Medien beziehen Nachrichten zu ausländischen Themen meist von drei Nachrichtenagenturen im Globalen Norden: die US-basierte Associated Press (AP), die in Kanada ansässige Reuters und die französische Agence France Press (AFP). Die Einbettung Medienschaffender in transatlantische Netzwerke sorgt dafür, dass die Interessen der US-Aussenpolitik bedient werden.

Massive Medienkonzentration

Ein Grund für die oft über alle Mainstream-Medien hinweg einheitliche Berichterstattung ist die massive Zunahme der Medienkonzentration.

In der Schweiz kontrollieren vier Konzerne die Mehrheit der Medien: Ringier (u.a. Blick, Handelszeitung, L’Illustré), CH Media (u.a. Aargauer Zeitung, Solothurner Zeitung, Schweiz am Wochenende, Tele Zürich, Watson), NZZ Mediengruppe und die TX Group (u.a. Tages-Anzeiger, 20 Minuten, Schweizer Familie, Der Bund, Tribune de Genève, Der Landbote). Sie verdienen immer weniger Geld mit traditionellem Journalismus und immer mehr mit digitalen Marktplätzen und Plattformen. Mit deren massiven Ausweitung werden Werbegelder zunehmend von Zeitungen, Radio und Fernsehen abgezogen und in Online-Plattformen investiert, wo gezielte, individuell auf die User und Userinnen angepasste Werbung gemacht werden kann.

Angesichts schwindender Ressourcen verlassen sich traditionelle Medien immer mehr auf Copy-Paste-Journalismus, also Inhalte, die von externen Instanzen aufbereitet und zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehören Pressemitteilungen von Unternehmen und Regierungen und Inhalte von Nachrichtenagenturen.

Internationale Nachrichtenagenturen

Die von AP, Reuters und AFP produzierten Texte werden von Online-, Print- und Rundfunkmedien auf der ganzen Welt aufgegriffen und meist ungeprüft weiterveröffentlicht. Die 1894 gegründete Schweizer Nachrichtenagentur SDA-Keystone lagerte 2020 ihren deutschsprachigen Auslanddienst an die Deutsche Presse-Agentur dpa aus, die ihrerseits exklusive Vertriebspartnerin der US-amerikanischen AP in Deutschland ist.[1]

Keine Pressefreiheit für Medienschaffende

Bei Themen, die für die Aussenpolitik der Länder des Globalen Nordens relevant sind, unterliegen Medienschaffende in den Mainstream-Medien oft strengen Regeln. Für die Berichterstattung über Gaza zum Beispiel gab die ARD am 18. Oktober 2023 ein 44-seitiges internes Glossar heraus, das genau vorschreibt, wie über den Konflikt und die beteiligten Akteure geschrieben werden muss.[2] Auch die Unternehmensverfassung des deutschen Axel Springer Verlags gibt Richtlinien vor, die Medienschaffende bei der Berichterstattung befolgen müssen. Dazu gehören das Eintreten für ein vereinigtes Europa, die Unterstützung des Existenzrechts des Staates Israel und die Befürwortung des transatlantischen Bündnisses zwischen den USA und Europa.[3] Eine im Januar 2024 veröffentlichte Studie über die Berichterstattung der New York Times, der Washington Post und der Los Angeles Times zum Krieg in Gaza vom 7. Oktober bis zum 24. November 2023 zeigt, dass Begriffe wie «Massaker» und «entsetzlich» fast nur im Zusammenhang mit von Palästinensern getöteten israelischen Zivilisten, aber kaum für Palästinenser, die durch israelische Angriffe sterben, verwendet werden.[4]

Transatlantische Einbindung

Mainstream-Medien unterhalten enge Verbindungen zu US-amerikanischen und westeuropäischen Regierungsstellen, Denkfabriken und Konzernen, die die Interessen des Globalen Nordens vorantreiben. Eine davon ist die Bilderberg-Gruppe. Sie bringt einmal im Jahr nordamerikanische und europäische Staatsoberhäupter, hohe Militärs, Nato-Vertreter, Energie- und Pharmakonzerne, Banken und Investoren sowie Vertreterinnen und Vertreter von Hochschulen und Medien zusammen.

2023 nahm der Schweizer Aussenminister, Bundesrat Ignazio Cassis, am Bilderberg-Treffen teil. Von den Medien waren u.a. der CEO des Axel Springer Verlags, die Chefredakteurin des italienischen Fernsehkanals La7 TV, die Chefredakteurin der Westschweizer Tageszeitung Le Temps, die Chefredakteure von Bloomberg LP und The Economist, der Auslandkommentator von The Financial Times und die Direktorin des Museum of Modern Art in New York anwesend.

Zu den Teilnehmenden des diesjährigen Treffens zählten Vertreter von Google und Microsoft, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und die Präsidentin der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne, EPFL.[5]

Auch die öffentlich-rechtlichen Medien sind atlantisch eingebunden. «10vor10»-Moderator Arthur Honegger ist ein Young Leader der American Swiss Foundation, einer Stiftung, die den Austausch zwischen der Schweiz und den USA fördert. Der Fokus liegt auf «vielversprechenden jungen Menschen beider Länder, die in den kommenden Jahren auf beiden Seiten des Atlantiks die öffentliche Meinung formen werden»[6] (unsere Betonung).

Aktuelle und ehemalige Redaktionsmitglieder der NZZ und des Tages-Anzeigers gehören auch zu den Young Leaders. Sie treffen sich mit hochrangigen Diplomaten, Regierungsvertretern sowie Vertretern aus Wirtschaft und Kultur. Die Liste der Sponsoren der American Swiss Foundation zeigt, in wessen Interessen dies geschieht: UBS, Nestlé, Winterthur Versicherung (heute AXA), Crédit Suisse, die Pharmaunternehmen Ciba-Geigy, Hoffman-La Roche und Novartis, Zürich Versicherung, Swiss Re, Holcim, Schindler, Rolex, Syngenta, Adecco, Swiss und die Schweizerische Nationalbank.

Medienschaffende wehren sich

Journalistinnen und Journalisten beginnen, sich gegen die Einflussnahme von Politik und Wirtschaft auf die Berichterstattung zu wehren. Im April dieses Jahres kritisierten Mitarbeitende von ARD, ZDF und Deutschlandradio in einem Manifest ihr Management, weil sie ihren «journalistisch-ethischen Standards nicht mehr genügen können».[7] Kernaussagen von Beiträgen würden bereits vor Reportage-Beginn definiert und der Zeitdruck bei der Recherche sei zu gross. Zudem erschwere die Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und Lobbygruppen einen unabhängigen Qualitätsjournalismus. Dazu kommt, dass die Mehrheit des redaktionellen Personals Zeitverträge hat oder als sogenannt Freischaffende arbeitet. Die damit verbundenen Existenzängste begünstigten gemäss den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Manifests «angepassten» Journalismus.

Medienschaffende der italienischen öffentlich-rechtlichen Rai protestierten am 6. Mai 2024 mit einem Streik gegen die «allgegenwärtige Kontrolle der Informationsräume durch die Politik».[8]

Wir brauchen unabhängige Medien

Werktätige, wirtschaftlich, sozial und politisch entrechtete Menschen und Medienschaffende brauchen eine Presse, die unabhängig über die Interessen von Regierungen und der Wirtschaft des Globalen Nordens berichtet.

Mit Neue Presse schaffen wir Medien, die in der Bevölkerung verankert sind und die drängenden Probleme unserer Zeit aus der Perspektive der betroffenen Menschen behandeln. Neue Presse braucht mehr Freiwillige, die mithelfen, eine unabhängige Presse aufzubauen.

Ruft an auf 032 517 81 81 oder schreibt an neuepresse@gmx.ch, um mehr darüber zu erfahren, wie ihr Teil einer unabhängigen Presse werden könnt.

Dieser Artikel erschien zuerst in Der Neue Norden (DNN), 4, 11/2024.

DNN wird von Neue Presse herausgegeben, einer unabhängigen Medienorganisation, die 2022 gegründet wurde, um Werkstätigen und wirtschaftlich, sozial und politisch entrechteten Menschen eine Stimme zu geben, die von den Mainstream-Medien ignoriert oder verzerrt dargestellt werden.

Neue Presse wird 100 % ehrenamtlich geführt. Für ein Abo für Der Neue Norden und/oder mehr Informationen über Neue Presse und dazu, wie ihr euch am Aufbau einer unabhängigen Presse im Interesse der werktätigen Bevölkerung beteiligen könnt, ruft an auf 032 517 81 81 oder schreibt an neuepresse@gmx.ch

[1] https://www.dpa.com/de/ap-weltnachrichten

[2] www.nachdenkseiten.de/?p=105894

[3] https://www.axelspringer.com/de/werte

[4] https://theintercept.com/2024/04/15/nyt-israel-gaza-genocide-palestine-coverage/

[5] Die Teilnehmerlisten der Bilderberg-Treffen sind auf der Webseite zu finden: https://bilderbergmeetings.org/meetings/meeting-2024/participants-2024 (besucht am 17.9.2024)

[6] https://www.americanswiss.org/young-leaders-conference/#notable: «ASF’s flagship Young Leaders Conference focuses on promising young people from both countries who will shape public opinion on both sides of the Atlantic in the years to come.» (besucht am 15.9.2024)

[7] https://meinungsvielfalt.jetzt/manifest.html

[8] https://www.fnsi.it/sciopero-giornalisti-rai-usigrai-e-fnsi-e-in-corso-un-attacco-ai-diritti-costituzionali (besucht am 19. September 2024)

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