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Amsterdam: War es ein antisemitisches Pogrom?

Eingereicht on 15. November 2024 – 10:29

Nathaniel Flakin.  Hooligans der ultra-rassistischen israelischen Fußballmannschaft Maccabi Tel Aviv haben Einwohner:innen von Amsterdam angegriffen. Vermeintlich seriöse Publikationen haben daraus eine Fantasie über antijüdische Gewalt gemacht.

Am Donnerstag vergangener Woche kam es nach einem Fußballspiel zwischen dem niederländischen Verein AFC Ajax und dem israelischen Verein Maccabi Tel Aviv zu Handgreiflichkeiten auf den Straßen von Amsterdam. Die New York Times behauptete in einer Schlagzeile (die sie später änderte), es handele sich um „Angriffe im Zusammenhang mit Antisemitismus“. Bret Stephens, ein rechter Kolumnist der Zeitung, bezeichnete die Kämpfe als „Pogrom“ und verglich sie mit dem Pogrom von Kischinew im Jahr 1903. Der israelische Staatspräsident Isaac Herzog verwendete denselben Begriff in einem Tweet. Premierminister Benjamin Netanjahu behauptete, es sei eher mit den antisemitischen Pogromen der Nazis vom 9. November 1938 vergleichbar.

Diese Vergleiche sind fragwürdig.

Während des Pogroms von Kischinew wurden 49 Juden:Jüdinnen getötet und 1.500 Häuser beschädigt. Die Gewalt wurde durch erfundene Zeitungsberichte über Juden:Jüdinnen ausgelöst, die zwei Kinder ermordeten, um deren Blut zu trinken. Angeführt wurde der Mob von Priestern und Regierungsbeamten.

Bei den Novemberpogromen, die auch als „Reichspogromnacht“ bekannt sind, zerstörten die Nazis 7.000 jüdische Geschäfte, während 30.000 Männer in Konzentrationslager gesteckt wurden. Die Nazis hatten die Gewalt angezettelt, nachdem der 17-jährige jüdische Flüchtling Herschel Grynszpan in Paris einen deutschen Diplomaten erschossen hatte.

Ein Pogrom ist ein Massaker an einer unterdrückten Minderheit, in der Regel mit Unterstützung des Staates. Was geschah in Amsterdam? Mehrere hundert extrem rechte israelische Hooligans zogen durch die Stadt und provozierten arabische und pro-palästinensische Einwohner:innen, von denen sich einige wehrten. Nach Angaben der Polizei erlitten 20 bis 30 Israelis leichte Verletzungen. Einige von ihnen wurden in ein Krankenhaus gebracht und bald wieder entlassen, wobei keiner mehr als Kratzer und blaue Flecken erlitt.

Maccabi Tel Aviv ist ein bekannter rassistischer und gewalttätiger Fußballverein. Am Tag vor dem Spiel marschierten seine Anhänger:innen durch Amsterdam und skandierten völkermörderische Parolen wie „Es gibt keine Schulen in Gaza, weil es keine Kinder mehr gibt“. Sie rissen mindestens eine palästinensische Flagge von einem Privathaus herunter und griffen Personen an, die sie als Muslime einstuften, und verprügelten einen Taxifahrer. Während des Spiels hatten sie eine Schweigeminute für die Überschwemmungen in Spanien gestört (weil die spanische Regierung die Staatlichkeit Palästinas anerkannt hatte). Unzählige Videos in den sozialen Medien zeigen, wie die Hooligans mit Holzbrettern und Metallstangen durch die Straßen marodieren.

Doch die Berichterstattung in den westlichen Medien, insbesondere die Schlagzeilen, blenden diesen Zusammenhang bewusst aus. Stattdessen wird leichtgläubigen Lesern der Eindruck vermittelt, dass israelische Fußballfans angegriffen wurden, nur weil sie Juden:Jüdinnen sind.

Empörenderweise veröffentlichten zahlreiche Medien Aufnahmen, auf denen angeblich Juden:Jüdinnen durch die Straßen gejagt wurden. Die Fotografin musste erklären, dass das Video genau das Gegenteil zeigte: Israelische Fans, die Jagd auf Amsterdamer Bürger:innen machen – die Angreifer:innen sind an den Farben ihrer Mannschaft leicht zu erkennen. Die Tagesschau beispielsweise hat eine oberflächliche Korrektur herausgegeben – ohne näher darauf einzugehen, inwiefern dieses Geständnis ihr gesamtes Narrativ diskreditiert.

Antizionistische jüdische Einwohner:innen von Amsterdam verurteilten die Gewalt der Hooligans und gaben bekannt, dass sie gezwungen waren, eine geplante Gedenkveranstaltung zur Kristallnacht abzusagen. Der AFC Ajax ist seit langem mit der jüdischen Gemeinde verbunden, und die Fans bezeichnen sich selbst als „Superjoden“ (Superjuden).

Wie DiEM25 anmerkt:

„Seltsam ist, dass das tatsächliche rechtsextreme Verhalten von Fußballfans in Europa, wie das des italienischen Clubs Lazio, der für offensichtliche antisemitische Aktionen bekannt ist, nie eine vergleichbare Aufmerksamkeit von Politikern:innen oder Medien erhalten hat.“

Westliche Politiker:innen haben sich über dieses erfundene „Pogrom“ mehr empört als über Israels genozidalen Angriff auf Gaza und den Libanon, bei dem Zehntausende von Kindern getötet wurden. Im letzten Jahr haben wir gesehen, wie die bedingungslose Unterstützung der zionistischen Kriegsverbrechen die Demokratie untergräbt, mit Angriffen auf demokratische Grundrechte und einem Absinken des ohnehin schon niedrigen journalistischen Niveaus der bürgerlichen Medien.

In Deutschland, den USA und fast allen Ländern, die Israel finanziell und militärisch unterstützen, lehnen große Mehrheiten der Bevölkerung Waffenlieferungen ab. In den Vereinigten Staaten zeigten Umfragen, dass 62 Prozent der jüdischen Wählerschaft die Unterstützung der Regierung Bidens für Israel ablehnt.

Da sie nicht in der Lage sind, ihre Unterstützung für den Völkermord moralisch zu rechtfertigen, greifen westliche Politiker:innen und Medien auf immer unsinnigere Propagandakampagnen zurück und behaupten, die Palästina-Solidaritätsbewegung sei antisemitisch. Jeder kann jedoch sehen, dass antizionistische Juden:Jüdinnen bei allen Protesten gegen den Völkermord eine wichtige Rolle spielen.

Dem Zionismus ging es nie um den Schutz jüdischen Lebens. Er war von Beginn an ein reaktionäres und koloniales Projekt – weshalb jüdische Linke ihn immer abgelehnt haben. In Amsterdam haben wir ein weiteres Beispiel dafür gesehen, wie Zionisten:innen ihr Bestes tun, um neue Wellen des Antisemitismus zu erzeugen, indem sie den Völkermord im Namen des jüdischen Volkes feiern. Israel, das sich mit den schlimmsten Antisemiten der Welt verbündet, versucht nur das jüdische Leiden im Interesse eines kolonialen Projekts zu instrumentalisieren.

Im Rahmen dieser lächerlichen Kampagne zum Verbot der Palästina-Solidarität hat sich der niederländische König bei Herzog entschuldigt und zugegeben: „Wir haben die jüdische Gemeinschaft der Niederlande während des Zweiten Weltkriegs im Stich gelassen.“ Wer ist mit „wir“ gemeint? Wenn er damit sein Haus Oranien-Nassau meint, dann ja – der Großvater des Königs war ein überzeugtes Mitglied der NSDAP. Dennoch organisierte die niederländische Arbeiter:innenklasse heldenhaften Widerstand gegen die Nazis. Bei den von Kommunist:innen organisierten Februarstreiks riskierten Hunderttausende von Arbeiter:innen ihr Leben, um jüdische Kolleg:innen zu schützen.

Die niederländische Regierung hat weitere Proteste verboten, aber die Menschen gehen trotzdem auf die Straße. Es ist diese Art von Solidarität der Arbeiter:innenklasse, die Antisemitismus und alle Formen von Rassismus bremsen kann.

Quelle: klassegegenklasse.org… vom 15. November 2024

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