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Israels Nationalstaatsgesetz: der Zionismus am Ende der Sackgasse

Eingereicht on 23. Juli 2018 – 15:57

Barry Grey. Das am Donnerstag letzter Woche in der Knesset verabschiedete „Nationalstaatsgesetz“, das die jüdische Hegemonie als Rechtsgrundlage des Staates Israel festschreibt, markiert eine neue Etappe in der Krise des zionistischen Staats. Die Behauptung, Israel sei „die einzige Demokratie“ im Nahen Osten, hat damit den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verloren. Durch dieses offen rassistische Gesetz mit Verfassungsrang wird die Rechtsgrundlage des Staats in Einklang mit der Realität gebracht: Israel ist ein Garnisonsstaat, der auf der brutalen Unterdrückung der Palästinenser beruht.

Im Gesetzestext heißt es: „Die Realisierung des Rechts auf nationale Selbstbestimmung in Israel ist allein dem jüdischen Volk vorbehalten.“ Jerusalem wird zur „ganzen und geeinten“ Hauptstadt Israels erklärt.

Außerdem enthält das Gesetz eine Klausel, die besagt: „Der Staat sieht die Entwicklung jüdischer Siedlungen als nationalen Wert an und wird deren Entstehung fördern und unterstützen.“ Damit gibt der Gesetzgeber grünes Licht für umfassende ethnische Säuberungen und die Enteignung von Palästinensern auch innerhalb der Grenzen Israels.

Weder die nichtjüdischen Bürger, die über 20 Prozent der israelischen Bevölkerung ausmachen, noch Demokratie und Gleichberechtigung werden im neuen Gesetz erwähnt.

Im Namen der vermeintlichen Einheit des jüdischen Volkes wird dem Arabischen der Status als amtliche Landessprache aberkannt, der künftig allein dem Hebräischen zukommt. Den jüdischen Symbolen wird ein offizieller und exklusiver Stellenwert verliehen, u.a. wird die „Hatikva“ zur Nationalhymne erklärt.

Der Versuch, die nationale Einheit des Judentums durch das Hebräische und die Nationalhymne zu behaupten, unterstreicht lediglich den erzwungenen und künstlichen Charakter des zionistischen Projekts insgesamt. Die Hatikva geht auf die Überarbeitung eines italienischen Volkslieds durch den böhmischen Komponisten Bedrich Smetna zurück. Mit dem Hebräischen, der vermeintlichen Nationalsprache der Juden, wurde eine tote Sprache für ein Volk wiederbelebt, dessen eigentliche Muttersprache das Jiddische war.

Das neue Gesetz wird von vielen Angehörigen der jüdischen Gemeinschaft innerhalb und außerhalb Israels abgelehnt. Diese Opposition fand jedoch aufgrund der Feigheit und Komplizenschaft der oppositionellen Arbeitspartei keinen Ausdruck im Parlament, der Knesset.

In der einflussreichen israelischen Tageszeitung Haaretz schrieb Bradley Burston: „Sehen Sie sich um. Das Land sieht aus wie zuvor. Aber es fühlt sich nicht mehr so an. Nicht im Entferntesten.“

Diese Woche, fuhr er fort, „markiert das Ende dieses Landes, wie wir es kennen … Von Gleichberechtigung ist keine Rede mehr. Stattdessen haben wir Vorgaben, die Israel in Richtung einer echten Apartheid führen, einschließlich des herabgestuften Status der arabischen Sprache und damit der arabischen Bürger Israels.“

Mehrere tausend Israelis demonstrierten in Tel Aviv gegen das Gesetz. Eine Gruppe von 14 amerikanisch-jüdischen Organisationen erklärte ihre tiefe Besorgnis darüber, dass das Gesetz „das charakteristische Kennzeichen einer modernen Demokratie beseitigt: den Schutz der Rechte aller Menschen“.

Die Europäische Union äußerte ebenfalls Besorgnis über die Auswirkungen des Gesetzes auf die im Scheitern begriffene „Zweistaatenlösung“ – unter der die Palästinenser in einen verarmten und militärisch umzingelten Ministaat gepfercht würden. Die EU hat das Gesetz nicht ausdrücklich verurteilt und auch keine Maßregelungen in Erwägung gezogen.

Auf der Website des US-Außenministeriums findet sich keine Reaktion. Es war jedoch die Trump-Regierung, die mit Unterstützung beider großer Parteien den Weg für das Gesetz ebnete, indem sie im Mai die US-Botschaft nach Jerusalem verlegte und dabei die Ermordung und Verwundung Tausender unbewaffneter palästinensischer Demonstranten an der Grenze zwischen Gaza und Israel durch die israelischen Streitkräfte unterstützte.

Die amerikanischen Leitmedien signalisierten ihre stillschweigende Unterstützung, indem sie die Berichterstattung über diese Ereignisse größtenteils auf den hinteren Seiten versteckten und in den Nachrichtensendungen des Fernsehens kaum darüber berichteten.

Die New York Times veröffentlichte in ihrer Freitagsausgabe eine Titelgeschichte, die das neue Gesetz in einem möglichst günstigen Licht erscheinen lassen sollte: „Israel verankert Rechte für Juden“. Diesem Orwellschen Neusprech folgte eine mitfühlende Beschreibung des demografischen Dilemmas der herrschenden Klasse Israels aufgrund des Wachstums der arabischen Bevölkerung in Israel und den besetzten Gebieten, wo es bald mehr Palästinenser als jüdische Israelis geben wird.

So schrieb die Times: „Befürworter des neuen Gesetzes berufen sich auf anhaltende demografische Bedrohungen. Einige Vertreter der arabischen Minderheit in Israel, die kollektive Rechte fordern, bilden im nördlichen Distrikt Galiläa bereits die Mehrheit.“

Das israelische Nationalstaatsgesetz ist Teil des Aufstiegs extrem nationalistischer Regierungen und Parteien, die den Mythos der Nationalität auf der Grundlage von „Blut und Rasse“ verbreiten. Das Netanjahu-Regime in Israel ist mit solchen Kräften in Osteuropa und anderswo verbündet.

Am selben Tag, an dem das neue Gesetz in der Knesset verabschiedet wurde, befand sich der ungarische Premierminister Viktor Orbán auf einem Freundschaftsbesuch bei Netanjahu. Er wurde von der Bevölkerung mit Protesten empfangen, weil er Admiral Miklós Horthy bewundert, den Diktator, der im Zweiten Weltkrieg an der Vernichtung der ungarischen Juden durch die Nazis beteiligt war.

Israels offene Hinwendung zu einer solchen Politik wird die prekäre Lage der Juden außerhalb Israels verschlimmern. Wie soll man verhindern, dass die gleiche Logik, die Israel gegen die Palästinenser anwendet, auch gegen Juden gerichtet wird, die von Faschisten und extremen Nationalisten seit jeher als „Fremdlinge“ und „Kosmopoliten“ beschimpft werden?

Innenpolitisch wird der verstärkte Angriff auf Palästinenser mit härteren Angriffen auf die sozialen und demokratischen Rechte aller Arbeiter, seien sie jüdisch oder palästinensisch, einhergehen. Netanjahu hat bereits Maßnahmen gegen oppositionelle Medien ergriffen und versucht, abweichende politische Meinungen zu kriminalisieren.

Bei allem Gerede über die jüdische Einheit ist Israel tief gespalten. Neben der Vorbereitung eines militärischen Angriffs auf den Iran (im Bündnis mit Saudi-Arabien und den USA) war auch der zunehmende Widerstand der Arbeiterklasse innerhalb Israels ein wichtiger Faktor für die Verabschiedung des Nationalstaatsgesetzes. Israel ist eines der Länder mit der höchsten wirtschaftlichen Ungleichheit der Welt. Die Armutsquote ist mit mehr als 21 Prozent so hoch wie in keinem anderen Industrieland. In den letzten Monaten haben die Proteste und Streiks der Arbeiterklasse zugenommen. Das Regime versucht, diese Bewegung einzudämmen und in die Kanäle von anti-arabischem Rassismus und jüdischem Chauvinismus zu lenken.

Die Hinwendung zu einer offen rassistischen Politik geht im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurück: die akute Krise des zionistischen Staates und die Logik des Zionismus selbst.

Der Zionismus ist ein Hohn auf die fortschrittlichen und aufgeklärten Ideen, durch die sich die besten Vertreter der jüdischen Bevölkerung historisch auszeichneten. Wegen ihrer Verfolgung und erzwungenen Isolation strebten die Juden in der Regel danach, als vollwertige Bürger auf Augenhöhe mit Christen akzeptiert zu werden. Sie ließen sich von den großen Errungenschaften der europäischen Kultur und den Idealen des Weltbürgertums und der Demokratie inspirieren. Aus diesem Grund waren sie in der sozialistischen Bewegung unverhältnismäßig stark vertreten.

Isaac Deutscher schreibt in „Der nichtjüdische Jude“: „Der jüdische Ketzer, der über das Judentum hinausgeht, gehört einer jüdischen Tradition an … Sie alle gingen über die Grenzen des Judentums hinaus. Sie alle – Spinoza, Heine, Marx, Rosa Luxemburg, Trotzki und Freud – empfanden das Judentum als zu beschränkt, zu archaisch und zu einengend. Sie alle suchten jenseits des Judentums nach Idealen und Erfüllung, und sie verkörpern die Summe und Substanz vieler großartiger Errungenschaften des modernen Denkens, die Summe und Substanz der tiefsten Umwälzungen, die in den letzten drei Jahrhunderten in der Philosophie, der Soziologie, der Wirtschaft und der Politik stattgefunden haben …

Sie lebten am Rande oder in den Nischen ihrer jeweiligen Nationen. Sie alle waren in der Gesellschaft und doch nicht in ihr, Teil davon und doch nicht Teil davon. So konnten sie sich in ihrem Denken über ihre Gesellschaften, Nationen, Zeiten und Generationen erheben und ihren Blick auf weite, neue Horizonte und in die ferne Zukunft richten.“

Israel hingegen ist das Ergebnis einer völkisch-nationalistischen Ideologie des 19. Jahrhunderts, die auf Vorstellungen von rassischer, religiöser und sprachlicher Überlegenheit zurückgreift, um die Errichtung eines jüdischen Staates durch die gewaltsame Enteignung der einheimischen arabischen Bevölkerung zu rechtfertigen. Der Geburtsfehler Israels ist die tragische Ironie, dass die Schrecken des Holocaust als Rechtfertigung für die Unterdrückung eines anderen Volkes herhalten mussten.

Das Nationalstaatsgesetz kennzeichnet das historische Scheitern und den reaktionären Höhepunkt des zionistischen Projekts ebenso wie aller ähnlichen nationalistischen Programme.

Der heute beginnende neue Aufschwung der Arbeiterklasse führt den jüdischen und arabischen Arbeitermassen vor Augen, dass der Weg vorwärts in einem gemeinsamen Kampf liegt, um den zionistischen Staat und die verschiedenen bürgerlichen arabischen Regime zu stürzen und durch Vereinigte Sozialistische Staaten des Nahen Ostens zu ersetzen. Das ist die Perspektive der permanenten Revolution, für die […] nur mehr einige wenige Formationen aus der trotzkistischen Tradition kämpfen. In Israel und im gesamten Nahen Osten müssen Sektionen […] solcher Strömungen aufgebaut werden, um die für diesen Kampf notwendige Führung zu schaffen.

Quelle: wsws.org… vom 23. Juli 2018 mit kleinen Änderungen durch die Redaktion maulwuerfe.ch

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