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Das Ultimatum der chilenischen Gewerkschaften an die Regierung

Eingereicht on 8. November 2019 – 16:22

Der chilenische (ex?) Präsident Pinera hat sich gleich dreimal verkalkuliert. Die blutige Repression, die seine Regierung gegen die protestierenden Menschen Chiles wochenlang jeden Tag organisierte, hat diese Hunderttausende nicht daran gehindert, Protest und Widerstand fortzusetzen. Im Gegenteil, die Fratze der Diktatur hat noch mehr Menschen mobilisiert, die in den cabildos (Ratschlägen) und asambleas (Versammlungen) immer wieder ihre Vorstellungen, wie sich Chile verändern müsste und wie der Weg dahin aussehen könne, diskutieren – und dabei immer deutlicher die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung als beste Option sehen. Auch seine zweite Taktik, soziale Reformen zu versprechen, hat nicht funktioniert. Spätestens zerschellt ist sie in dem Augenblick, als er seine Direktive für einen neuen Mindestlohn veröffentlichen ließ: 350.000 Pesos wollte er gnädigerweise zubilligen, obwohl die Forderung nach 500.00 Pesos extrem populär ist. „Das ist noch nicht einmal eine Provokation, das ist nur eine Schande“ war die – weitgehend offensichtlich exemplarische – erste Reaktion eines Sprechers der Hafenarbeitergewerkschaft Union Portuaria. Und auch die dritte Vorgehensweise, die orchestrierte Medienkampagne gegen die DemonstrantInnen, ihre Kriminalisierung versuchend, hat offensichtlich zumindest bei weitem nicht solche Ergebnisse erbracht, wie erwartet: Er stürzt weiterhin in Umfragen und ähnlichem ab. Alles das hat dazu geführt, dass sich in der Gewerkschaftsbewegung jene Kräfte in den Vordergrund geschoben haben, die bereits seit längerem entschiedeneren Kampf fordern. Das „Ultimatum der Neun“ an die Regierung ist mit einigen wenigen konkreten und zentralen Forderungen begründet – und läuft am 12. November 2019 ab. Siehe dazu unsere Dokumentation des Briefes mit dem Ultimatum (inklusive einer deutschen Zusammenfassung) und fünf aktuelle Beiträge zu den Reaktionen darauf von Seiten der Regierung und aus der Bewegung – auch zur Frage, ob es ein Protest-Generalstreik am 12. November sein soll oder ein andauernder…

Das Update zu den Reaktionen vom 08. November 2019: 

„Insólito: Piñera convoca Consejo de Seguridad Nacional y redobla agenda represiva. Hay que derrotarlo en las calles“ von Pablo Torres am 07. November 2019 bei La Izquierda Diario ist ein Beitrag über die jüngste Maßnahme des Präsidenten, der bekannt gab, dass er den sogenannten Nationalen Sicherheitsrat einberufen habe – und diese Drohung ergänzte um die Bekanntgabe weiterer Repressionsmaßnahmen, wozu der Autor unterstreicht, Pinera müsse „auf der Straße besiegt“ werden…

„URGENTE La medida represiva de Piñera está tomando un descontrol sin límites“ am 08. November 2019 beim Twitter-Kanal von Piensa Prensa ist ein Videobericht über die Auswirkungen von Pineras reaktionärer Gegenoffensive: Demonstrierende SchülerInnen werden mitten in Santiago von einer Horde angegriffen, die mit Macheten bewaffnet war…

„HUELGA GENERAL 12 DE NOVIEMBRE: AQUÍ EL INSTRUCTIVO, CONVOCATORIA Y PETITORIO DEL PUEBLO DE CHILE“ am 07. November 2019 beim Colegio de Profesores ist der Aufruf der LehrerInnen-Gewerkschaft zum Generalstreik am 12. November – bei dem deutlich wird, dass jedenfalls die Mehrheit des Vorstandes der Gewerkschaft es für selbstverständlich hält, dass es sich dabei um einen eintägigen Protest-Generalstreik handeln soll.

„Asamblea Uchile llama a organizar la Huelga General y democratizar Unidad Social“ von Juan Andres Vega am 05. November 2019 ebenfalls bei La Izquierda Diario ist ein Bericht über eine Vollversammlung an der Universität von Chile, bei der nachdrücklich debattiert wurde, wie der Kampf gegen die reaktionäre Regierung weiter zu führen sei – und auch Kritik an dem gewerkschaftlich-sozialen Zusammenschluss Unidad Social geübt (der den Aufruf zum Generalstreik am 12. November beschlossen hat), der Beschlüsse fasse ohne Debatte mit der Bewegung, weswegen gefordert wurde, die Versammlungen der Unidad Social als offene, für alle zugängliche Versammlungen zu organisieren (eine Kritik, vorgebracht im Zusammenhang mit einer an dem Tag deutlichen Vorgehensweise, als eben kein Beschluss zum Generalstreik gefasst worden war, ohne das weiter gegenüber der Bewegung zu begründen).

„Portuarios del Bio Bio anuncian masiva marcha para el 12 de noviembre … „ von Pablo carrasco am 06. November 2019 im Portal Portuario ist die Meldung über die Erklärungen der regionalen Gewerkschaft der Hafenarbeiter, wie sie zum 12. November mobilisieren wollen – worin auch berichtet wird, dass über die Dauer des Generalstreiks noch debattiert werde…

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Bloque Sindical da ultimátum al Gobierno

Las organizaciones sindicales que suscriben vienen a notificar que el mundo del trabajo se ha articulado, organizado y ha puesto su voluntad de unidad por sobre cualquier consideración gremial, con la finalidad de respaldar las reivindicaciones que el pueblo chileno ha exigido en las calles durante las últimas semanas.

El gobierno que usted preside tiene alta responsabilidad en esta crisis social y política, a la vez que es un actor en un modelo neoliberal que ha sido indolente a las necesidades reales de la gente. Por lo anterior, exigimos que sean capaces de dar la cara al pueblo que hoy exige cambios profundos. Es momento que transparenten su disposición política y social ante las exigencias y necesidades que se han articulado en el Pliego de los Trabajadores y Trabajadoras de Chile. Les exigimos estar a la altura del momento histórico y dar una muestra de entendimiento con el movimiento social, respondiendo por escrito, en un plazo de 5 días si están disponibles a realizar los cambios profundos constitucionales y democráticos que todo un país exige hoy en las calles.

Antes que todo, le exigimos que retire del Congreso los proyectos de ley que merecen un mayor debate democrático, con las organizaciones sociales y sindicales como protagonistas. Nos referimos al proyecto de reforma tributaria, al de modernización de la Dirección del Trabajo y la reforma previsional. En relación a esta última, exigimos la separación del proyecto de ley, tramitando por separado lo referente al pilar solidario, retirando todo aquello que fortalezca la capitalización individual.

La reivindicación central es la necesidad de una Nueva Constitución a través de una Asamblea Constituyente. No queremos que el Congreso actual redacte el texto constitucional. Queremos que el pueblo chileno sea protagónico respecto de las decisiones sobre su destino. Para lo anterior, hemos confeccionado un pliego que contiene un plan de emergencia. Querernos conocer vuestra disposición respecto de los siguientes planteamientos, los que se encuentran detallados en el adjunto:

  • Nueva Constitución vía Asamblea Constituyente.
  • Derechos humanos: juicio y castigo a los culpables de violaciones a los DDHH.
  • Salario Mínimo de 500 mil pesos para trabajadores públicos y privados.
  • Reconocimiento pleno de la libertad sindical: negociación ramal y huelga efectiva.
  • Pensión mínima equivalente al salario mínimo que proponemos.
  • Canasta de servicios básicos protegidos.
  • Derecho al transporte público.
  • Reducción de la jornada de trabajo.
  • Protección de los derechos sociales a salud, educación, vivienda.

Este pliego está desarrollado en documento que se hizo público el día Lunes 28 de Octubre y que ha circulado profusamente por redes sociales y medios de comunicación. Les comunicamos que vamos a profundizar las medidas de presión y vamos a organizar una nueva Huelga General que avance hacia la Asamblea Constituyente y permita ir dando cumplimiento al Pliego de las y los Trabajadores.

Suscriben y esperan respuesta, por escrito, dentro de los próximos 5 días:

  • Coordinadora Nacional de Trabajadores y Trabajadoras No Más AFP
  • Central Unitaria de Trabajadores
  • Unión Portuaria de Chile
  • Unión de Sindicatos de la Minería
  • Sindicato Interempresa Nacional de Trabajadores de la Construcción y Montaje Industrial (SINTEC)
  • Colegio de Profesores
  • Asociación Nacional de Empleados Fiscales (ANEF)

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Kurze Zusammenfassung auf Deutsch

Die unterzeichnenden Organisationen unterstreichen, dass die arbeitende Bevölkerung des Landes sich in den letzten Wochen für Forderungen ausgesprochen hat, für deren Erfüllung die Organisationen das Verlangen nach Einheit über alles Andere gestellt hätten.

Die Regierung trage die Verantwortung für die aktuelle Krise, als Akteur eines neoliberalen Modells, das auf die Bedürfnisse der Menschen nicht reagiere.

Die Regierung wird aufgefordert, sich „auf der Höhe des historischen Moments“ zu zeigen und auf dieses Schreiben binnen 5 Tagen schriftlich zu antworten, ob sie bereit sei, die grundlegenden verfassungsmäßigen und demokratischen Veränderungen, die auf den Straßen gefordert werden, zu verwirklichen.

Die Regierung wird zum einen aufgefordert, alle jene aktuellen Gesetzgebungsverfahren, die eine größere demokratische Debatte erfordern, sofort zu beenden (ein Beispiel darin: Steuerreform). Vor allem aber muss die Regierung den Weg frei machen für eine neue Verfassung, die von einer Verfassungsgebenden Versammlung zu verabschieden sei – und keinesfalls von diesem Parlament.

Für diesen Prozess haben die Organisationen einen Forderungskatalog verabschiedet, der seinen Rahmen abstecken soll: Die Bestrafung jener, die in den letzten Wochen die Menschenrechte verletzt haben, die Gewährleistung der Organisationsfreiheit, die soziale Grundversorgung, sowie einen Mindestlohn von 500.000 Pesos (gleichzeitig auch die Mindestrente) sind Kernpunkte dieses Katalogs. Komme keine Antwort, oder eine negative, so werde am 12. November 2019 ein erneuter Generalstreik beginnen „que avance hacia la Asamblea Constituyente“ – bis zur [ist – absichtlich? – etwas ungenau formuliert] Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung

hrw

Siehe zum Thema zuletzt: Erschießen, verprügeln, einsperren, überwachen, entführen und vergewaltigen: Die chilenische Regierung lässt ihrer Soldateska „freie Hand“ um die Protestbewegung zu brechen: Bisher erfolglos…

Quelle: labournet.de… vom 8. November 2019

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