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Waffen für die Ukraine für Hilfe gegen Mueller-Ermittlungen?

Eingereicht on 24. Juli 2018 – 10:27

Florian Rötzer. Auch der größte ukrainische Rüstungskonzern, der staatliche UkrOboronProm, setzt zu Rüstungseporten auf den Zugang zur Nato. Trotz Putin-Trump-Treffen geht der Konflikt um die Ukraine (und Georgien) weiter.

Letzten Freitag gab das Pentagon bekannt, der Ukraine im Rahmen der „Sicherheitskooperation“ weitere 200 Millionen US-Dollar zur Verfügung zu stellen (Verhältnis Russland-USA: Wie geht es weiter?. Finanziert werden damit Ausrüstung, Training und Beratung zum Aufbau der Verteidigungskapazitäten der ukrainischen Streitkräfte, so das Pentagon. Seit 2014 habe man damit mehr als eine Milliarde US-Dollar in die Unterstützung des ukrainischen „Sicherheitssektors“ investiert. Angeblich geht es dabei nicht um Waffen, sondern um Kommando-, Aufklärungs- und Kommunikationssysteme, Nachtsichtgeräte und medizinische Ausrüstung.

Im Mai hatte das Pentagon erstmals „tödliche Waffen“ in Form von Anti-Panzer-Raketen Javelin geliefert. Obgleich man mit ihnen selbstverständlich auch angreifen kann, wurden sie als rein defensive Waffen bezeichnet. Unter Barack Obama war die militärische Hilfe auf Lieferung von nichttödlichen Systemen beschränkt, das hat man damit aufgeweicht, aber es soll offenbar noch der Schritt unterbleiben, Angriffswaffen zu liefern, was den Konflikt mit Russland deutlich verschärfen würde.

Nach Medienberichten könnte US-Präsident Trump die ukrainische Führung damit bestochen haben, die Mitwirkung an den Ermittlungen von Robert Mueller einzustellen. Anfang Mai hatte die ukrainische Staatsanwaltschaft vier Ermittlungen gegen den früheren Wahlkampfchef von Trump, Paul Manafort, eingestellt. Manafort war Berater des 2014 gestürzten ukrainischen Regierungschefs Janukowitsch. Die Einstellung folgte wenige Tage nach dem Beschluss, der Ukraine 210 Javelin-Raketen und 35-Abschusssysteme zu liefern.

Ukraines Gesetz zur Nationalen Sicherheit

Die Mitteilung des Pentagon weist darauf hin, dass die Ukraine mit dem neuen Gesetz über Nationale Sicherheit die Voraussetzungen dafür geschaffen habe, die „nationale Sicherheitsarchitektur mit euro-atlantischen Prinzipien zu verbinden. So wird die ukrainische Armee also bereits für den von den USA – wenn auch nicht vielleicht von Trump – erwünschten Beitritt in die Nato vorbereitet. Um das richtig vorzubereiten, haben Nato-, EU- und Pentagon-Mitarbeiter den Gesetzestext mitverfasst.

Nach der Mitteilung soll es aber um die Stärkung der Fähigkeit der Ukraine gehen, „ihre territoriale Integrität zur Unterstützung einer sicheren und demokratischen Ukraine“ zu stärken. Bei der Verabschiedung des Gesetzes erklärte Präsident Poroschenko, es sei ein „entscheidender Schritt für unsere europäische und euro-atlantische Integration“. Jetzt würde der gesamte Sicherheitssektor die Kriterien erfüllen, ein Nato-Mitglied zu werden. Allerdings gibt es weiter keine Transparenz für die Beschaffung im Verteidigungsbereich, die Käufe stehen unter Geheimhaltung und gelten als Staatsgeheimnis. Und nachdem der Militärhaushalt mit mehr als 6 Milliarden US-Dollar für 2018 relativ hoch ist, wird es dort auch mit der Korruption ungehindert weitergehen.

Zum Sicherheitssektor gehört auch der aufgeblähte Geheimdienst SBU. Nach dem Gesetz wird er nicht weiter reformiert, es macht aber einen schlechten Eindruck, wenn gerade seine Abteilung zur Korruptionsbekämpfung, die als erfolgreich gilt, abgespalten wird, während der Geheimdienst nun auch offiziell für Informationsbeschaffung zur Spionageabwehr zum „Schutz der ökonomischen Sicherheit der Ukraine“ zuständig ist. Größer war der SBU zuletzt durch die fingierte Ermordung des Journalisten Babchenko aufgefallen.

Auch der militärisch-industrielle Komplex der Ukraine, in dessen Zentrum der staatliche Rüstungskonzern UkrOboronProm steht, dem 130 Rüstungsfirmen angehören, wird im Gesetz nicht einmal erwähnt. Welchen Marktanteil der Staatskonzern hat, ist nicht wirklich bekannt. Die Ukraine war 2012-2016 immerhin der neuntgrößte Waffenexporteur der Welt, auch wenn der Anteil gegenüber den größten Exporteuren USA, Russland, Frankreich, Deutschland oder China mit 2,6 Prozent klein ist und das Land nach SIPRI 2018 nicht unter den Top-Ten-Exporteuren ist. Die Annäherung an die Nato ist auch ein Versuch, den Ausfall der Rüstungsexporte nach Russland zu ersetzen. So wird von UkrOboronProm Ende Mai auch gemeldet: „Die Nato öffnet die Türen für die ukrainische Verteidigungsindustrie.“

Putin warnt vor weiterer Nato-Erweiterung, aber mit was will er drohen?

Am Donnerstag hatte bereits der russische Präsident Wladimir Putin gewarnt, weitere Länder an der Grenze zu Russland in die Nato aufzunehmen. Explizit nannte er die Ukraine und Georgien. Wichtig sei, Sicherheit in Europa durch den Ausbau der Kooperation und die Wiederherstellung von Vertrauen herzustellen, aber nicht „durch den Bau neuer Nato-Stützpunkte und militärischer Infrastruktur in der Nähe der russischen Grenzen, wie das jetzt geschieht“. Man werde auf solche aggressiven Schritte, die eine direkte Bedrohung Russlands sind, entsprechend antworten. Und was Versuche angeht, weitere Länder in die Allianz herzuziehen, sollte „an die möglichen Konsequenzen einer solchen unverantwortlichen Politik“ gedacht werden.

Das sind Standarddrohungen, allerdings hat Russland mit einer Reihe von „gefrorenen Konflikten“, zuletzt in der Ostukraine, gezeigt, dass es sich nicht ganz kampflos weiter zurückdrängen und von der Nato umschließen lässt. In Georgien ließ sich Russland auf einen militärischen Konflikt ein, nachdem die Nato auf dem Bukarest-Gipfel doch kein Beitrittsverfahren für Georgien und die Ukraine beschlossen hatte, worauf George W. Bush massiv gedrängt hatte, sondern nur ein solches mit Kroatien und Albanien. Nach sich steigernden Konflikten zwischen Georgien und Russland startete Georgien eine militärische Offensive gegen Abchasien und Südossetien, wahrscheinlich auch mit dem Hintergedanken, die Nato in den Konflikt hineinzuziehen. Russland trat in den offenen Krieg ein, vertrieb die georgischen Truppen und erklärte Abchasien und Südossetien für unabhängig.

Tatsächlich drängelt die Nato darauf, sich weiter zu vergrößern, nachdem 2017 mit der Aufnahme Montenegros vorerst Schluss war. Aber da gibt es eben noch Bosnien und Herzegowina, Georgien, Mazedonien und die Ukraine, Serbien und Moldawien oder auch Schweden, Finnland oder Irland. Während im Hinblick auf die Ukraine wegen des ungelösten Konflikts im Donbass eher gezögert wird, schließlich könnte man hier schnell durch die Beistandspflicht in einen Krieg gezogen werden, würde man gerne Georgien endlich aufnehmen. Aber auch hier gibt es mit Abchasien und Südossetien einen ähnlichen Konflikt. Der wäre nur aufzulösen, wenn die Unabhängigkeit der bei den Provinzen anerkannt würde oder wenn man trickreich die Nato-Satzung umgeht (Nato drängt auf Beitritt von Georgien zur Osterweiterung).

Putin machte deutlich, dass er vor allem bei Georgien und der Ukraine keine weiteren Schritte dulden werde, aber was Russland wirklich machen könnte, falls die Nato beschließt, in Aufnahmeverhandlungen zu treten, bleibt unklar. Die Hilflosigkeit zeigt sich etwa in dem Konflikt, der nun zwischen Russland und Griechenland wegen des möglichen Nato-Beitritts von Mazedonien ausgebrochen ist. Russland verärgert einen langjährigen Verbündeten in der Nato, dürfte aber nichts gewinnen (Eiszeit zwischen Athen und Moskau).

Quelle: Telepolis… vom 24. Juli 2018

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