Schweiz
International
Geschichte und Theorie
Debatte
Kampagnen
Home » Debatte, Geschichte und Theorie

Asow will mit seiner Offensivbrigade russische Siedlungen besetzen

Eingereicht on 28. April 2023 – 9:51

Florian Rötzer. Für die geplante Offensive setzt Kiew vor allem auf Freiwilligenverbände wie Asow, die versuchen, ihre Macht und iht Einkommen zu vergrößern, auch mit riskanten Aktionen.

Das ukrainische Militär setzt für die geplante Offensive nicht so sehr auf die reguläre Armee, sondern wie schon seit 2014 auf Freiwilligenverbände. Für die Offensive wird eine „Offensivgarde“ aufgebaut und trainiert, die vor allem aus kampferfahrenen Leuten bestehen soll, die lieber bei den Freiwilligenverbänden als bei den regulären Truppen kämpfen wollen, die dadurch geschwächt werden. 6 der 8 ursprünglich geplanten Kampfbrigaden werden Freiwilligenverbänden wie Asow, Spartan oder Kara-Dag angegliedert, insgesamt untersteht die Offensivgarde ebenso wie die die Freiwilligenverbände der Nationalgarde und damit eigentlich nicht dem Verteidigungs-, sondern dem Innenministerium (Ukraine baut „Offensivgarde“ mit Freiwilligenverbänden zum Angriff auf).

Mit der Einführung des Kriegsrechts wurde die Nationalgarde dem Verteidigungsministerium unterstellt. Dennoch ist die Verlagerung des Schwerpunkts auf die Freiwilligenverbände ein Versuch der politischen Führung, das militärische Kommando zu umgehen und direkteren Einfluss auch auf Informationen zu erhalten. Schon länger schwelt ein Konflikt zwischen Selenskij und dem obersten Kommandeur Walerij Saluschnyj, der Bandera-Fan ist („Die Richtlinien von Stepan Bandera sind dem Oberbefehlshaber wohlbekannt“) und mit Dmitri Jarosch verbandelt zu sein scheint. Anfang April wurde die Formation einer neunten Brigade beschlossen, die dem Freiwilligenverband Khartiia angehört. Angeblich sollen es insgesamt 12 Offensivbrigaden mit 30.000-40.000 Kämpfern werden. Mit dem Aufbau der Offensivgarde erhalten die Freiwilligenverbände auch mehr schwere Waffen und Ausrüstung.

Ob der Absturz des Hubschraubers Mitte Januar in Kiew, bei dem der Innenminister Denys Monastyrskyj und weitere hohe Mitarbeiter starben, etwas mit dem geplanten Aufbau der Offensivgarde und damit der Machterweiterung des Innenministeriums zu tun hat, ist eine offene Frage. 2014 hatte der damalige Innenminister Awakow, die außer Kontrolle geratenden Freiwilligenverbände wie Asow oder Donbass und die Mitglieder der „Maidan-Selbstverteidigung“, die oft von Oligarchen finanziert wurden, der von ihm wieder gegründeten Nationalgarde unterstellt und damit seine Machtposition gestärkt, weswegen er mehrere Regierungswechsel trotz wachsender Kritik überstehen  und seinen Reichtum mehren konnte. Nur beim Rechten Sektor und seinem Ukrainischen Freiwilligenkorps, der sich auch nicht entwaffnen ließ, scheiterte Awakow.

Awakows Nähe zu den rechten Freiwilligenverbänden zeigte sich beispielsweise daran, dass er Ende 2014 Vadym Troyan, einen Asow-Kommandeur, zum Polizeichef des Oblast Kiew ernannte. Auch unter Selenskij konnte Awakow erst einmal auf seinem Posten bleiben und räumte erst im Juli 2021 seinen Stuhl. Sein Nachfolger Monastyrskyj war Parteimitglied in Selenskijs „Diener des Volkes“ und soll einer seiner Vertrauten gewesen sein. Ihor Klymenko, war bereits Vizeinnenminister und davor Chef der Nationalen Polizei und Polizeipsychologe. Er soll 2014 auch im Donbass gekämpft haben, in welcher Einheit und ob er persönlich mit Freiwilligenverbänden verbunden ist, konnte ich nicht herausbekommen. Kurz nach dem Tod seines Vorgängers und vor seiner offiziellen Ernennung verkündete er den Aufbau der Offensivbrigade.

Asow, das sich im Krieg mit zahlreichen Einheiten vergrößert hat, sieht in der geplanten Offensive offenbar eine Chance, seine Truppenstärke zu erhöhen. Für die geplante Offensive sollen nach der Washington Post 6500 neue Kämpfer geworben werden. Asows amtierender Kommandeur Bohdan “Tavr” Krotevych, der im September aus der russischen Gefangenschaft freigelassen wurde, erklärt: „Wir sind bereit zur Befreiung der Territorien.“  Asow-Leute kämpfen auch in Bachmut.

Man will sich natürlich weißwaschen und tut so, als habe man die ultranationalistische faschistische und rassistische  Ideologie hinter sich gelassen. Die Washington Post gibt Asow-Offiziere wieder, die sagen, dass die Bewerber nicht wegen der Ideologie, sondern wegen der unter anderem in Mariupol demonstrierten Kampffähigkeiten kommen würden. Als Erklärung, warum der nationalistische Hintergrund angeblich gerade im Krieg gegen den Erzfeind unwichtiger werden soll, wird angegeben, dass es jetzt nicht mehr um Ideologie, sondern um effektives Kämpfen gehe, allerdings ist zentraler Bestandteil der Ideologie der Kampf

Zur Verklärung trägt bei, dass die Asow-Kämpfer sich erst aufgrund eines Befehls ergeben haben, auch wenn sie zuvor auf eine Befreiungsaktion gedrängt haben. Die meisten der aus der Kriegsgefangenschaft befreiten Kämpfer hätten sich wieder Asow angeschlossen. 1000 sind noch in Gefangenschaft.  Krotevych sagt, Asow verfolge keine politischen Ziele: „Als Militäreinheit teilen wir die Position des Staates und der Regierung.“ Aber es gibt auch das Nationale Korps als politische Organisation, und die Rituale – beispielsweise die Heldenverehrung eines gefallenen Asow-Kämpfers („Ehre dem Nationalisten“) – und Symbole oder hier muss man nicht anders als zumindest faschistoid bezeichnen.

In den USA ist man sich dessen offenbar bewusst. So wurde in dem Consolidated Appropriations Act, der im Dezember 2022 in kraft trat, beschlossen, dass dem Asow-Bataillon aus den bewilligten Geldern keine „Waffen, Ausbildung oder andere Unterstützung“ zukommen dürfe. Das heißt aber nicht, dass Asow-Verbände nicht seit langem von den USA mit Waffen versorgt und ausgebildet würden, schließlich tourten Asow-Vertreter zu Propagandazwecken in den USA und wurden auch im Kongressgebäude empfangen. Die Washington Post zitiert einen Sprecher des US-Außenministeriums, der auch sagte, das Verbot habe „keine praktischen Folgen“, da es das Asow-Bataillon als nichtstaatliche Miliz seit 5 Jahren nicht mehr gegeben habe. Das jetzige Asow sei eine „andere Einheit“. So kann man es auch machen.

Nach Krotevych läuft die Rekrutierung gut, Zahlen wollte er nicht nennen. Daraus kann man aber auch schließen, dass man von einer Einsatzfähigkeit nicht sprechen kann. Gemurmelt wird, die Offensive werde im Laufe des Mai beginnen, dann wäre die Zeit für eine „Frühjahrsoffensive“ abgelaufen. Auch nach dem Leak der Pentagon-Dokumente besteht berechtigter Zweifel, ob die Ukraine dazu überhaupt in der Lage sein wird.  Kommt die Offensive nicht zustande oder bricht sie schnell zusammen, könnte die Unterstützung der Selenskij-Regierung im Land, aber auch im Westen schnell erodieren.

Der Asow-Kommandant macht auch deutlich, dass durchaus die Absicht besteht, Russland nicht nur mit Drohnen und Raketen anzugreifen. Vorbild könnte die Aktion des Freiwilligenverbands „Russisches Bataillon“ gewesen sein, das im März schnell in ein russisches Dorf an der Grenze vorgestoßen war (Der Coup des „Russischen Freiwilligenkorps“ offenbart die ukrainische Neonazi-Szene). Krotevych verweist lieber auf den ersten Tschetschenien-Krieg und kündigte an, die Ukraine könne auch die damals praktizierte Strategie anwenden, kleine russische Städte im Grenzgebiet zu besetzen, um sie gegen von Russland besetzte Gebiete einzutauschen. Das wäre freilich eine Garantie dafür, dass die Kriegsführung noch hässlicher wird. Macht nichts, meint Krotevych: “Unsere Asovstal-Erfahrung zeigt uns, dass es keine Situationen ohne Ausweg gibt.“ Die Reporter der Washington Post, die mit ihrem Artikel wohl für Asow Werbung machen wollten, fragten nicht nach. Der Ausweg war damals die Kapitulation.

#Bild: Präsident Selenskij ehrte am 24. Februar die Einheit AZOV-Kyiv SSO und übergibt ihr eine Flagge. Bild: president.gov.ua

Quelle: overton-magazin.de… vom 28. April 2023

Tags: , , , , , ,