Das armselige Ende von Sanders‘ „politischer Revolution“
Patrick Martin. Am Dienstag beendete Bernie Sanders seinen Präsidentschaftswahlkampf nicht mit einem Knall, sondern mit einem Winseln. Der Senator aus Vermont vollführte einen würdelosen Kniefall vor dem Demokratischen Parteiapparat und der bevorzugten Kandidatin der Wall Street, der ehemaligen Außenministerin Hillary Clinton, und stellte sich offiziell hinter seine Rivalin.
Auf der Parteiveranstaltung in Portsmouth (New Hampshire), auf der Sanders und Clinton gemeinsam auftraten, herrschte so viel Spontanität und Begeisterung wie bei einem Ausverkauf wegen Geschäftsaufgabe. Die Begräbnisstimmung war aber auch angebracht, denn mit dem Scheitern von Sanders‘ Wahlkampf hat die Demokratische Partei zum tausendsten Mal ihre historische Rolle als Friedhof für progressive Bewegungen erwiesen, auf dem jeder Versuch, im Rahmen des kapitalistischen Zweiparteiensystems Reformen durchzuführen, zu Grabe getragen wird.
Für Millionen Jugendliche und Arbeiter, die den Senator aus Vermont unterstützt hatten, war Sanders‘ Wahlkampf eine wichtige politische Lektion. Er bezeichnete sich als „demokratischen Sozialisten“ und verurteilte die Herrschaft der „Millionäre und Milliardäre“ und die Macht der Wall Street über die amerikanische Politik.
Es überraschte die herrschende Elite, das Demokratische Parteiestablishment und zweifellos auch Sanders selbst, dass ein selbsternannter Sozialist eine solch starke Unterstützung gewinnen konnte. Obwohl die Medien seit Jahrzehnten unaufhörlich gegen Sozialismus und Kommunismus hetzen, werden Arbeiter und Jugendliche aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen nach links getrieben.
Das gilt vor allem für die jüngere Generation. Bei Erstwählern und Wählern unter dreißig Jahren hat Sanders mit riesigen Vorsprüngen von 70, 80 oder sogar 90 Prozent durchwegs gewonnen. Mehr als anderthalb Millionen Menschen nahmen an seinen Veranstaltungen teil, und die meisten von ihnen waren Studenten und Jugendliche im Hochschulalter.
Sanders‘ Wahlkampf ist nicht die Ursache für die verbreitete Radikalisierung, die durch diese Zahlen belegt wird. Die Bewerbung des Senators um die Nominierung zum Demokratischen Präsidentschaftskandidaten hat lediglich eine tiefer liegende Entwicklung enthüllt: Eine seit Jahrzehnten anwachsende wirtschaftliche Ungleichheit, immer neue Kriege, die endlosen Angriffe auf demokratische Grundrechte und die zunehmende Einsicht, dass das Profitsystem die Menschheit in eine Katastrophe führt.
Doch als der Demokratische Vorwahlkampf in vollem Gange war, hat die herrschende Elite klar erkannt, welche politische Aufgabe Sanders zukam. An ihm lag es, den Geist wieder zurück in die Flasche zu bringen. Er musste seine Millionen Anhänger, insbesondere die Jugendlichen, wieder zurück an das Demokratische Parteiestablishment und dessen Wunschkandidaten binden.
Dieses Ende war von Anfang an abzusehen. Sanders begriff schon zu Beginn seines Wahlkampfs, welche Rolle er zu spielen hatte. Er gab seine lang gepflegte Selbstdarstellung als politisch „Unabhängiger“ auf und versprach, in jedem Fall im Rahmen der Demokratischen Partei zu bleiben, wie auch immer der Nominierungswahlkampf ausgehen werde.
Sanders‘ Wahlkampf liess von Anfang an durchblicken, dass er keinesfalls ein Interesse hatte, eine unabhängige politische Kraft jenseits des reaktionären US-amerikanischen politischen Establishments aufzubauen. Sein Schweigen über die Außenpolitik und die wachsende Kriegsgefahr, und seine Weigerung, die Obama-Regierung für ihre Rettung der Wall Street und ihre Angriffe gegen die Arbeiterklasse zu kritisieren waren klare Indizien dafür. Die Obama-Regierung steht an der Spitze der Angriffe, die die Konzerne auf die Arbeitsplätze und den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung durchführen. Dazu zählte auch die fünfzigprozentige Lohnkürzung für neu eingestellte Autoarbeiter, auf die das Weiße Haus bestand.
Sanders‘ gemeinsamer Auftritt mit Hillary Clinton am Dienstag hat dies nur noch bestätigt. Während seiner dreißigminütigen Rede kam Sanders kein einziges Mal auf die Außenpolitik zu sprechen. Das, obwohl Obama nur wenige Tage zuvor eine Ausweitung der US-Militärintervention in Afghanistan angekündigt und die Entsendung von weiteren 560 US-Soldaten in den Irak abgesegnet hatte.
In seiner Lobrede erwähnte Sanders auch nicht, dass Clinton in ihrer vierjährigen Amtszeit als Außenministerin zu den kriegslüsternsten Mitgliedern in Obamas Kabinett zählte. Sie zettelte den Nato-Krieg gegen Libyen an und setzte sich für eine Ausweitung der US-Intervention im syrischen Bürgerkrieg ein.
Was die innenpolitischen Leistungen der Demokraten anging, so lobte Sanders Obama für sein Vorgehen während des Wall Street-Crashs von 2008–2009. „Ich danke Präsident Obama und Vizepräsident Joseph Biden. Durch ihre Führung haben sie uns aus dieser schrecklichen Rezession geholt“, erklärte Sanders. In Wirklichkeit haben Obama und Biden die Banker und Milliardäre auf Kosten der Arbeiterklasse gerettet.
Über Clinton äußerte er sich ähnlich. Er erklärte, ihre Zustimmung zu mehreren geringfügigen und bedeutungslosen Änderungen am Parteiprogramm der Demokraten, u.a. bei den Themen Gesundheitsversorgung, Studentenverschuldung und dem Mindestlohn, hätte der Partei das „fortschrittlichste Parteiprogramm ihrer Geschichte“ verschafft.
Clintons eigene Rede war genauso demagogisch und verlogen. Sie sprach sich gegen die „angebotsorientierte Wirtschaftspolitik mit Trickle-down-Effekten“ aus, die angeblich „dreißig Jahre lang für eine katastrophale Republikanische Philosophie“ verantwortlich gewesen sei und der Spitze der Gesellschaft „riesige Erleichterungen“ verschafft habe. Natürlich ließ sie dabei unerwähnt, dass in diese „dreißig Jahre“ auch die achtjährige Regierungszeit ihres Ehemanns fällt, der die Diktate der Finanzmärkte genauso sklavisch befolgte wie die Republikaner.
Sie versprach, allen „die Tür zu öffnen, die unsere progressiven Werte teilen“. Sie und ihr Ehemann Bill Clinton haben im Verlauf ihrer politischen Karriere die Demokratische Partei jedoch ständig weiter nach rechts gerückt. Unter Clintons Regierung wurden Sozialleistungen abgeschafft, härtere Polizeimaßnahmen und Masseninhaftierung eingeführt und die Banken dereguliert. In dieser Zeit rückten die Demokraten von jeder Assoziation mit liberaler Reformpolitik ab.
Sanders erklärte in seiner Rede in New Hampshire, er werde seinen Wahlkampf fortsetzen, allerdings mit dem obersten Ziel, Hillary Clinton zur Präsidentin zu machen und den Demokraten Mehrheiten im Senat und dem Repräsentantenhaus zu verschaffen. Ein solches Ergebnis als „politische Revolution“ zu verkaufen, ist mindestens ein zynischer Betrug.
Die Demokratische Partei ist genau wie die Republikanische ein Werkzeug der Finanzaristokratie. Während die Republikaner die hemmungslose Gier der herrschenden Klasse nach Reichtum und Macht ungeschminkt ausdrücken, sind die Demokraten seit längerer Zeit das wichtigste Instrument, um jede Gefahr für die Finanzelite von unten zu neutralisieren.
Trotz aller Bemühungen der Medien, der Demokratischen Partei, des politischen Establishments und sogar von Sanders selbst wird der Widerstand, der anfangs in der Unterstützung für Sanders zum Ausdruck kam, nicht einfach verschwinden. Der Wahlsieger vom November wird sich in einer Gesellschaft wiederfinden, die von sozialen Konflikten zerrissen ist und in der er zutiefst unpopuläre Maßnahmen wie die Ausweitung der Kriege im Ausland und die sozialen Angriffe im Innern umsetzen wird.
Arbeiter und Jugendliche, die von Sanders‘ Wahlkampf angezogen waren, müssen jetzt die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen. Die Demokratische Partei kann nicht transformiert und der Kapitalismus kann nicht reformiert werden. Die Arbeiterklasse braucht eine neue Führung, um ihre Kämpfe in einer revolutionären Bewegung gegen die Wirtschafts- und Finanzelite und gegen das Profitsystem zusammenzuschließen.
Quelle: wsws.org… vom 14. Juli 2016 mit einigen Änderungen durch die Redaktion maulwuerfe.ch
Tags: Breite Parteien, Imperialismus, Neoliberalismus, Postmodernismus, Sozialdemokratie, USA
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