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Hitlers Krieg gegen die Sowjetunion: Zugleich ein US-Stellvertreter-Krieg

Submitted by on 23. Juli 2025 – 11:48

Werner Rügemer. Die USA unterstützten die Sowjetunion gegen den Überfall der Hitler-Wehrmacht – das ist weltweit bekannt. Aber zuvor hatten die USA Hitler politisch gefördert, die Hitler-Wehrmacht zur modernsten Armee ausgerüstet und auch die anderen faschistischen Diktaturen Mussolini, Salazar, Franco und Tschiang Kai-shek in China unterstützt. US- Konzerne und Wall Street-Banken unterstützten dann Hitler-Deutschland auch im Krieg, etwa durch die Wäsche von Raubgold und Raubaktien in weltmarktfähige Devisen. So wurde der Krieg verlängert, forderte noch mehr Opfer – und wurde durch die US-Förderung zum bisher größten US-Stellvertreterkrieg, gegen den gemeinsamen Hauptfeind – zu dem die Sowjetunion sofort nach dem Krieg auch offiziell erklärt wurde, logischerweise.

  1. Versailles: Gegenentwurf zur „kommunistischen Weltrevolution“

Die Versailler „Friedens“konferenz nach dem 1. Weltkrieg galt unter Führung von US-Präsident Woodrow Wilson nicht dem Frieden, sondern im „nationalen Interesse“ der USA dem Kampf gegen das Vordringen der „bolschewistischen Doktrin nach Westen“.

Als sich abgezeichnet hatte, dass die sozialistische Revolution unter Lenin erfolgreich blieb, wegen der Unterstützung im Volk, hatten die USA 1918 noch während des Krieges die Invasion in Russland organisiert, nicht nur mit den Alliierten, sondern auch zusammen mit dem Deutschen Kaiserreich, dem eigentlich verteufelten Todfeind: aber gegen den Sozialismus war man beste Freunde.

Auch wurden antikoloniale Kräfte von Wilson in Versailles abgewiesen, so etwa die vietnamesische Befreiungsbewegung unter Ho Chi Minh, die um Hilfe gebeten hatte. Die USA führten den Kolonialismus fort – die deutschen Kolonien wurden Japan, England und Frankreich zugeteilt.

US-Stellvertreter: Faschistische Diktatoren weltweit

Die USA hatten im 1. Weltkrieg die europäischen Alliierten kreditiert und ausgerüstet. Damit beschleunigten US-Konzerne und Banken nach dem Krieg ihre Investitionen in Europa. Zur Absicherung der Gewinne förderten die USA alle faschistischen Diktatoren, die Arbeiterbewegungen und Demokra- tie zerstörten und die Löhne niedrig hielten.

Italien: Mussolini

Es begann mit Benito Mussolini. Wie in vielen europäischen Staaten hatten auch in Italien seit 1917 Arbeiter gegen den Krieg gestreikt. Nach dem Krieg bildeten sich landesweit Arbeiterräte. 1920 hatten etwa eine Million Arbeiter ihre Fabriken besetzt. Die Zeitung L’Ordine Nuovo (Die neue Ordnung) der Kommunistischen Partei unter Antonio Gramsci fand Zuspruch.

Doch die faschistischen Schwarzhemden-Trupps des gewendeten Ex-Sozialisten Benito Mussolini knüppelten und schossen den Generalstreik brutal nieder. Nach dem Marsch auf Rom 1922 wurde Mussolini von König Emmanuele III. als neuer Regierungschef inthronisiert. Er war der »Führer«, der Duce.

Er wurde in den USA als europäische Leitfigur gefeiert. Elbert Gary, mit den Bankern John Pierpont Morgan und Andrew Carnegie Gründer des fusionierten Stahlkonzerns US Steel, forderte 1923: „Auch wir brauchen einen Mann wie Mussolini“. Henry Luce, Herausgeber der Magazine Time, Fortune und Life, präsentierte den Duce als „den wichtigsten politischen Führer der Gegenwart.“ Der US-Botschafter in Italien, Washburn Child, trat gegen alle diplomatischen Gepflogenheiten in die faschistische Partei ein.

Die USA verklärten ihr Eindringen in Italien als Hilfe für den Wiederaufbau des kriegsgeschädigten Landes – wie in Deutschland und anderen Staaten Europas. Der Duce versprach den staatlichen Schutz für ausländische Investitionen und förderte die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen. Der von den US-Konzernen gelobte

corporate state und sein Verbot der Gewerkschaften garantierten niedrige Löhne. US-Konzerne kauften Anteile an den wichtigsten italienischen Unternehmen, so an FIAT (Autos), Pirelli (Autoreifen), Montecatini (Chemie). Ford eröffnete eine Fabrik.

1935 überfiel Italien die Kolonie Äthiopien (»Abessinienkrieg«). Es wurde der bis dahin höchstmotorisierte Krieg, durch die Kriegsfahrzeuge und das Benzin aus den USA, von Ford, General Motors (GM) und Standard Oil.

Portugal: Salazar

In Portugal entstand 1910 durch eine Revolution eine demokratisch-parlamentarische Republik, die Monarchie wurde abgeschafft. Auch hier waren die alten Kräfte der Großagrarier, der Kirche, der wenigen Industriellen und des Militärs dagegen. Nach einem Generalsputsch wurde der Ökonomie-Professor Antonio Salazar 1928 zunächst als Finanzminister eingesetzt, regierte dann ab 1932 als Diktator nach Mussolinis Vorbild, ebenfalls in enger Verbindung mit dem Vatikan. Sein wichtigstes Ziel: „Portugal vor dem Kommunismus retten!“

In den USA schwärmte das Magazin Life 1940 vom „bei weitem besten Diktator der Welt, dem größten Portugiesen seit Heinrich dem Seefahrer.“ Die Fordham University in New York verlieh Salazar 1938 die Ehrendoktorwürde.

Spanien: Franco

General Franco, verheiratet mit der Erbin eines adligen Großgrundbesitzers, ließ sich ebenfalls als „Führer“ (Caudillo) feiern. Er organisierte 1936 den Putsch gegen die Regierung in Madrid. Hitler half mit Soldaten, Waffen, Geld, Kriegsschiffen, Flugzeugen.

Trotz des vom US-Kongress beschlossenen Neutralität lieferte DuPont Bomben, Ford, Studebaker und GM lieferten 12.000 Militärfahrzeuge, Texas Oil und Standard Oil lieferten Treibstoffe. Die Roosevelt-Regierung anerkannte 1939 die faschistische Franco-Regierung sofort nach deren Sieg, gemeinsam mit Hitler-Deutschland und dem Vatikan.

China: Tschiang Kei-shek

1925, nach dem Tod Sun Yatsens, des Initiators der 1912 gegründeten Republik China, setzten sich die alten feudalen Oligarchen-Clans durch. Ihre Führungsfigur war der Hitler-Fan Tschiang Kaishek: „Was China am meisten braucht ist Faschismus.“

Neben Hitler-Deutschland unterstützten die USA den chinesischen Diktator: General Joseph Stilwell wurde Tschiangs Generalstabschef. Für den Kampf gegen die Volksbefreiungsarmee unter Mao Tse-tung zahlten die USA die Gehälter der 4,3 Millionen Militärs sowie für Flugzeuge, Artillerie, Gewehre und Munition. Auch die persönliche luxuriöse Lebensführung Tschiangs wurde finanziert, nach dem Motto: „Er ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn.“

Deutschland: Adolf Hitler

Henry Ford war nach dem 1. Weltkrieg der erfolgreichste US-Unternehmer, auch international. Ab 1919 gründete er Filia- len in Europa, in Irland, Dänemark, Spanien, Frankreich, 1922 in Italien, 1924 in den Niederlanden und Schweden, 1925 die erste Filiale in Deutschland – die zweite sollte 1930 folgen.

Der Gewerkschaftshasser Ford entdeckte neben Mussolini 1922 auch den noch unbekannten Adolf Hitler – und Hitler hatte auch schon Ford entdeckt. Der Reporter der New York Times besuchte Hitler im Dezember 1922 in dessen Hauptquartier in München, berichtete über das Foto Fords und die antisemitischen Schriften Fords auf Hitlers Schreibtisch sowie über die bereits begonnene Unterstützung Fords für den „antisemitischen bayerischen Parteichef“. So unterstützte Ford den Putschversuch der Hitler-Truppe 1923 in München und zahlte ab dann jährlich 50.000 Dollar an Hitler zu dessen Geburtstag. Großindustrielle aus Deutschland, dann auch aus der Schweiz und den Niederlanden kamen erst Jahre später als Sponsoren hinzu.

So hatten sich US-Konzerne 1929 mit 1.300 Filialen in Westeuropa etabliert, hatten auch Aktien wichtiger Unternehmen gekauft, hatten den Markt für US-Waren geöffnet, vor allem in Deutschland, hier auch mithilfe der Kreditprogramme Dawes-Plan (1924) und Young-Plan (1930). So waren in Deutschland Anfang der 1930er Jahre die führenden US-Konzerne präsent, etwa Ford, GM, Otis Elevator, Remington, Goodyear, DuPont, Coca Cola, IBM, ITT, Texaco, United Fruit, American Metal, John Deere, International Harvester, Standard Oil, Singer.

Fox Tönende Wochenschau, die deutsche Tochterfirma des Hollywood-Konzerns 20th Century Fox, produzierte schon vor 1933 Werbefilme für Hitlers Wahlkämpfe mit Titeln wie „Der Führer“ und „Hitlers Kampf um Deutschland“. Goebbels war überzeugt: Hollywood-Filme sind die bessere Propaganda, weil man die Propaganda nicht bemerkt. Goebbels schickte Regisseure wie Leni Riefenstahl nach Hollywood zum Lernen. Nazi-Deutschland wurde zum größten Käufer von Hollywood-Filmen.

US-Konzerne: Hitler ist besser als Roosevelt

Die Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft (DAPG, später Esso) war eine 100-Prozent-Tochter von Standard Oil: DPAG-Chef Emil Helfferich wurde 1933 sofort Mitglied im Freundeskreis Reichsführer SS, auch Himmler­ Kreis genannt.

Den US-Konzernen war Hitler näher als Roosevelts New Deal: In den USA bekämpften sie die Arbeitsgesetze und setzten professionelle Gewerkschaftsfeinde (union buster, spezialisierte Agenturen wie die Pinkerton Detective Agency) gegen Gewerkschaften und Belegschaftsvertreter ein.

Mit der Aufrüstung unter Hitler ab 1935 produzierten Ford, GM und Chrysler in ihren westeuropäischen und vor allem deutschen Filialen zehntausende Militärfahrzeuge für die Wehrmacht. GM und Ford produzierten schließlich fast 90 Prozent der gepanzerten 3-Tonnen-Leichtkraftwagen und 70 Prozent der mittleren und Schwer-Lkw. Ford stellte von Pkw auf Kriegs-Lkw um und erreichte den weitaus größten Produktionsumfang im Kriegsjahr 1944.

Pratt&Withney und Boeing produzierten Antriebe für Raketen und Kampfflugzeuge. ITT war am Hersteller von Jagdflugzeugen beteiligt, Focke-Wulf. ITT produzierte in der aufgekauften Firma Huth Radarteile.

US-Konzerne: Wir sind „judenfrei“

Schon 1930, drei Jahre vor Hitlers Machtantritt, stellte GM in Rüsselsheim ein NSDAP- Mitglied in der Werkszeitschrift Opel­-Geist als Redakteur ein. Dieses Blatt propagierte im Nazi-Jargon den „Willen zur Werksgemeinschaft“. Das sei ein Bestandteil des Wiederaufstiegs „unseres Volkes“ bis zum „endgültigen Sieg“.

Auch die Aussonderung von Juden vollzogen US-Filialen nach 1933 mit. Ford Deutschland erklärte 1936, man werde „nur noch mit arischem Personal“ arbeiten. GM trennte sich von jüdischen Zulieferern. Als „judenfrei“ präsentierten sich auch andere US-Unternehmen. „Coca-Cola eiskalt“- Transparente hingen bei Goebbels’ Propagandareden im Sportpalast neben dem Hakenkreuz. Coca-Cola-Wagen begleiteten Aufmärsche der Hitlerjugend. Coca-Cola schaltete Werbung im Reichsrundfunk, in Partei- und Tageszeitungen, in populären Illustrierten und im führenden Antisemitenblatt „Der Stürmer“. Coca Cola wurde offizieller Getränkesponsor der Olympiade 1936 in Berlin. Das Unternehmen agierte als Teil des Hitler-Staates – wie es auch als Teil des US-Staates agierte.

IBM hatte 1925 das deutsche Datenverarbeitungs-Unternehmen Dehomag gekauft. Mit Hitlers Regierungsantritt gingen die Umsätze in Deutschland sprunghaft in die Höhe. „Wir sezieren den deutschen Volkskörper“, erklärte der Geschäftsführer der 1934 eröffneten IBM-Produktionsstätte in Berlin.

Hitler-Orden für US-Konzernchefs: Ford, IBM, GM

1937 hatte Hitler den Verdienstorden vom Deutschen Adler (DAO) eingerichtet, für Ausländer, die sich um das Deutsche Reich verdient machten. Als einer der ersten er- hielt ihn IBM-Chef Thomas Watson: Er hatte durchgesetzt, dass die Jahrestagung der Internationalen Handelskammer 1937 mit 2.500 Delegierten aus 42 Staaten in Berlin stattfand. Man tagte unter Hakenkreuzfahnen in der Kroll-Oper, dem Sitz des Reichstags. Henry Ford erhielt den Orden 1938 zu seinem 75. Geburtstag. James Mooney, als Vizepräsident von GM für die Auslandsfilialen zuständig, erhielt im selben Jahr den Adlerorden in Gold.

USA retten die Olympiade 1936 für Hitler in Berlin

1931 hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Olympiade 1936 an Deutschland vergeben. Doch ab 1933 wurden in NS-Deutschland Juden aus Sportvereinen ausgeschlossen.

Deshalb wurde weltweit gegen die Abhaltung der Spiele in Deutschland protestiert. Als einzige Regierungen schlossen sich die sowjetische und die republikanische in Spanien an. Doch der Präsident des Amerikanischen Olympischen Komitees (AOC), Avery Brundage, organisierte die internationale Gegenbewegung. Brundage, größter Immobilieninvestor in Chicago, bewunderte Hitler und war bekennender Antisemit: „In meinem Club in Chicago sind auch keine Juden zugelassen.“ Die Boykottbewegung sah er als „jüdisch-kommunistische Verschwörung“.

Auch der IOC-Vizepräsident Sigfrid Edström zog mit: Der Chef des schwedischen Elektronikkonzerns ASEA machte mit dem Deutschen Reich gute Geschäfte. Ebenso beteiligte sich Karl Ritter von Halt, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, Mitglied im Freundeskreis Reichsführer SS, führender deutscher Sportfunktionär und seit 1929 Mitglied des IOC. Auch die faschistischen Achsenmächte Italien und Japan sowie das Apartheidregime Südafrika warben für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin – sie fanden glänzend statt. Der erfolgreiche Organisator Brundage stieg danach auf, wurde 1952 IOC-Präsident und blieb es bis 1972. Noch 1971 bekannte er: „Die Berliner Spiele waren die schönsten der modernen Zeit.“

Nazikritischer US-Botschafter in Berlin: durch Hitler-Fan ersetzt

1933 hatte US-Präsident Roosevelt den Historiker William Dodd als neuen Botschafter in Deutschland berufen. Er war überzeugter Liberaler und Bewunderer deutscher klassischer Kultur. Er kritisierte Nazi-Deutschland – und machte sich bei US-Konzernen, der Wall Street und im State Department immer unbeliebter.

Auf ihr Drängen wurde Dodd 1937 durch den Hitler-Fan Hugh Wilson ersetzt. Der lobte: Hitler habe „sein Volk aus moralischer und wirtschaftlicher Verzweiflung herausgeholt und zu Stolz und Wohlstand geführt … und Deutschland gegen kommunistische Einflüsse widerstandsfähig gemacht und Arbeiterforderungen nach höheren Löhnen unterdrückt“.

Quelle: hintergrund.de… vom 23. Juli 2025

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