Wer sind die USA, dass sie Venezuela „Demokratie“ predigen?
Andrea Lobo & Bill Van Auken. Während Washington und Israel den gesamten Nahen Osten in Brand setzen, nutzt die Biden-Harris-Regierung die Präsidentschaftswahlen in Venezuela am vergangenen Sonntag, um einen Staatsstreich gegen Präsident Nicolás Maduro anzuzetteln, dessen Regierung enge Beziehungen zu China, Russland und Iran unterhält.
Überall auf der Welt wird der US-Imperialismus von demselben Imperativ geleitet, seine Hegemonie über die Energiequellen des Planeten und seine strategischen Mineralienvorkommen zu behaupten, um vor allem seinem vermeintlichen geopolitischen Hauptkonkurrenten China seine Ressourcen vorzuenthalten.
Auf der Grundlage der vorläufigen Ergebnisse erklärte die venezolanische Wahlkommission, dass Maduro und seine Vereinigte Sozialistische Partei (PSUV) einen „uneinholbaren“ Vorsprung von 51 Prozent gegenüber 44 Prozent für Edmundo González haben, einem bisher unbekannten Diplomaten, der als Ersatz für die faschistische Führerin der von den USA finanzierten Vereinigten Plattform, María Corina Machado, kandidierte.
Machado und González haben darauf bestanden, dass ihre Koalition gewonnen hat, und zu Demonstrationen aufgerufen, um ihren angeblichen Sieg zu verteidigen. Beide Seiten haben jedoch noch keine ausreichenden Beweise für ihre Behauptungen vorgelegt.
Maduro hat den Obersten Gerichtshof um die Beilegung des Wahlstreits ersucht und versprochen, in naher Zukunft alle Wahldaten vorzulegen.
Washington gab sich nicht damit zufrieden, auf verifizierte Ergebnisse oder gerichtliche Entscheidungen zu warten, sondern veröffentlichte am Donnerstag sein eigenes Urteil.
„Angesichts der überwältigenden Beweise ist es für die Vereinigten Staaten und vor allem für das venezolanische Volk klar, dass Edmundo González Urrutia bei den Präsidentschaftswahlen am 28. Juli in Venezuela die meisten Stimmen erhalten hat“, so US-Außenminister Antony Blinken in einer Erklärung.
In Fernsehansprachen hat Maduro erklärt, dass er sich einem von den Vereinigten Staaten inszenierten „faschistischen Staatsstreich“ gegenübersieht, und das Militär aufgefordert, „wachsam und zu allem bereit zu sein.“
Bis auf Weiteres hat der Chef der Streitkräfte, Verteidigungsminister Vladimir Padrino, Maduro „absolute Loyalität und bedingungslose Unterstützung“ zugesichert.
Seit dem Tag der Wahlen hat sich das gesamte politische Establishment Washingtons daran beteiligt, die Voraussetzungen für einen von den USA unterstützten Staatsstreich zu schaffen.
Am Dienstag schrieb US-Vizepräsidentin Kamala Harris auf X und forderte die sofortige Freigabe der Wahldaten. Dann hielt sie ein Plädoyer: „Gewalt, Schikanen und Drohungen gegen friedliche Demonstranten und politische Akteure sind inakzeptabel. Die USA stehen an der Seite des venezolanischen Volkes, und der Wille des Volkes muss respektiert werden.“
Wovon redet sie?
Die Opposition hat eine Welle von Unruhen, Plünderungen und Brandstiftung von PSUV-Büros, Regierungsgebäuden, Schulen und Gesundheitseinrichtungen angezettelt. Das ausdrückliche Ziel von Machado war es, Spaltungen in den Streitkräften zu provozieren, um einen Staatsstreich, einen Bürgerkrieg und eine mögliche ausländische Militärintervention zu erreichen.
Das ist nichts Neues. Seit mehr als zwei Jahrzehnten haben Washington und seine bezahlten Agenten in Venezuela wiederholt zu ähnlich rücksichtslosen und illegalen Methoden gegriffen.
Der Imperialismus hat versucht, die venezolanische Führung zu entführen und zu ermorden, und ein brutales Sanktionsregime verhängt, das die Wirtschaft ruiniert, Millionen Menschen in Armut und ins Exil getrieben und unzählige Menschenleben gefordert hat. Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter Alfred de Zayas schätzte, dass es bis 2020 mehr als 100.000 Tote gegeben habe, weil lebenswichtige Lebensmittel und Medikamente nicht mehr geliefert wurden.
Washington hatte einen gescheiterten Militärputsch unterstützt, durch den der inzwischen verstorbene ehemalige Präsident Hugo Chávez 2002 kurzzeitig abgesetzt wurde. Es hat Millionen von Dollar ausgegeben, um rechtsextreme Kräfte wie Machado zu fördern und gewalttätige Kampagnen zur Destabilisierung der Regierung zu organisieren. Im Jahr 2019 ernannte Washington den vom Volk nicht unterstützten Juan Guaidó zum „Interimspräsidenten“ und übergab seinen Lakaien Staatsvermögen in Milliardenhöhe, darunter das Gasunternehmen CITGO. Und im Jahr 2020 organisierten ehemalige US-Spezialeinheiten und militärische Auftragnehmer das Fiasko einer Invasion, die die Regierung stürzen und ihre Führer ermorden sollte.
In einem aufschlussreichen Leitartikel, der von der Washington Post unmittelbar nach der Wahl veröffentlicht wurde, hieß es: „Die Vereinigten Staaten und andere Demokratien haben viel in einen friedlichen demokratischen Übergang in Venezuela investiert. In diesem Sinne wird diese Wahl auch ihnen gestohlen.“ Mit anderen Worten: All das Geld, das die CIA und USAID in die Förderung einer rechten Opposition, in das Schüren von Gewalt und in den Regimewechsel gesteckt haben, muss die gewünschten Ergebnisse bringen.
Am Mittwoch erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, mit erhobenem Zeigefinger: „Unsere Geduld und die der internationalen Gemeinschaft ist am Ende, sie ist am Ende. Ich warte darauf, dass die venezolanische Wahlbehörde reinen Tisch macht und alle detaillierten Daten zu dieser Wahl veröffentlicht.“
Was gibt der US-Regierung das Recht, den Ablauf der Wahlen in Venezuela zu diktieren? Beherrscht von zwei Parteien, die von einer herrschenden Oligarchie von Milliardären gekauft und bezahlt werden, unterdrückt sie im eigenen Land systematisch demokratische Rechte, um Kriege vorzubereiten, die von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden.
Während US-Vertreter davon sprechen, dass ihnen „die Geduld ausgeht“ und sie den „Willen des Volkes“ verteidigen, werden die Wahlen in den USA nicht einmal durch die eigentliche Abstimmung, sondern durch ein undemokratisches Wahlmännerkollegium bestimmt. Im Jahr 2000 brauchte der Oberste Gerichtshof der USA mehr als einen Monat, um ein Urteil zu fällen, das der unterlegenen Seite den Sieg zusprach, während im Jahr 2020 die Bundesstaaten wochenlang nicht über die Anfechtungen entschieden, während die Republikanische Partei versuchte, ihre klare Wahlniederlage abzuwenden.
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im November gibt die Demokratische Partei Millionen von Dollar aus, um einen – wie sie selbst sagt – „Krieg“ gegen die Kampagnen dritter Parteien und insbesondere der Socialist Equality Party zu führen, die bereits extreme Hürden überwinden müssen, um auf den Stimmzetteln zu erscheinen.
Auf internationaler Ebene führen Washington und seine Nato-Verbündeten einen Stellvertreterkrieg gegen Russland, indem sie Milliarden in die Bewaffnung und Unterstützung eines Regimes in der Ukraine stecken, das die Wahlen auf unbestimmte Zeit verschoben hat, mit Hilfe ausgesprochener Faschisten das Kriegsrecht ausübt und Linke und Kriegsgegner unter erfundenen Anschuldigungen inhaftiert, darunter den prominenten Trotzkisten Bogdan Syrotiuk.
Im Nahen Osten verfolgt der US-Imperialismus seine geostrategischen Interessen, indem er dem Apartheidregime in Israel unbegrenzte Milliarden an Hilfe und Waffen zur Verfügung stellt, damit es seinen völkermörderischen Krieg fortsetzen kann, der darauf abzielt, eine „Endlösung“ für das palästinensische „Problem“ zu erreichen, indem Millionen unschuldiger Zivilisten ermordet, ausgehungert und vertrieben werden.
Dies sind die Referenzen der Apostel der „Demokratie“ und der „Menschenrechte“, die ihre Predigten gegen Venezuela halten.
Während Washington behauptet, die Demokratie zu verteidigen, wurde und wird die Politik Washingtons gegenüber der Region von der Monroe-Doktrin bestimmt, die die uneingeschränkte Hegemonie des US-Imperialismus über seinen „Hinterhof“ bekräftigt. Hitler, Ribbentrop, Carl Schmitt und andere Naziführer beriefen sich auf diese berüchtigte Doktrin als Inspiration für ihre Vorstellungen, die dem Vernichtungskrieg des Dritten Reichs um „Lebensraum“ in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion zugrunde lagen. Die Doktrin hat für das Pentagon neue Bedeutung erlangt, da es versucht, Lateinamerika als Ausgangspunkt für einen Weltkrieg zu nutzen, wie ein kürzlich in Washington veranstaltetes Forum mit dem Titel „Overlooking Monroe? Schutz unserer Hemisphäre und unseres Heimatlandes“ zeigt. Hauptrednerin war General Laura Richardson, Leiterin des US Southern Command, das die Operationen des Pentagons in Süd- und Mittelamerika überwacht.
General Richardson argumentierte, dass die Doktrin nicht länger in der Schublade bleiben könne. „Unsere strategischen Konkurrenten versuchen, uns in unserer Hemisphäre zu ersetzen“, sagte sie, und es sei an der Zeit, „Gas zu geben“, um den wachsenden Einfluss Chinas und Russlands zu stoppen.
„Diese Region ist sehr reich an Ressourcen“, fügte sie hinzu und nannte Lithium, Gold, Kupfer, Sojabohnen, Zucker, Rindfleisch, Mais, leichtes Erdöl aus dem Meer und „schweres Erdöl in Venezuela.“
Seit mehr als einem Jahrhundert bestehen die Methoden Washingtons zur Beherrschung der Region aus grenzenloser Aggression, einschließlich zahlloser militärischer Invasionen, Militärputsche und der Einsetzung faschistischer Diktaturen. Dies hat sich ununterbrochen fortgesetzt, vom Sturz der gewählten Regierung von Jacobo Árbenz in Guatemala im Jahr 1954 durch die CIA über die Errichtung faschistischer Militärdiktaturen in Brasilien, Chile, Argentinien und in den meisten Teilen der Hemisphäre in den 1960er und 1970er Jahren, die Unterstützung von Todesschwadronen in Mittelamerika in den 1980er Jahren und die jüngste Unterstützung rechter Putsche in Honduras im Jahr 2009, in Bolivien im Jahr 2019 und Peru im Jahr 2022.
Das heutige Vorgehen Washingtons in Venezuela stammt direkt aus dem Drehbuch des ehemaligen Außenministers Henry Kissinger, der in einem Telefongespräch mit Richard Nixon die Notwendigkeit erklärte, ein „Putschklima“ zu schaffen, um den gewählten chilenischen Präsidenten Salvador Allende zu stürzen. Unmittelbar vor dem Staatsstreich äußerte sich Kissinger in berüchtigter Weise: „Ich sehe nicht ein, warum wir zusehen sollten, wie ein Land aufgrund der Verantwortungslosigkeit seiner eigenen Leute kommunistisch wird.“
Angesichts dieser langen und blutigen Geschichte, der kriminellen Rolle, die der US-Imperialismus bei seinem Streben nach einem dritten Weltkrieg spielt, und der eklatanten Verrottung aller demokratischen Institutionen in den USA selbst, stellt sich die offensichtliche Frage: Wer zum Teufel ist Washington, dass es den Venezolanern oder sonst jemandem „Demokratie“ predigt?
Die Krise in Venezuela, die zu einem großen Teil auf die imperialistische Aggression der USA zurückzuführen ist, kann nur von der venezolanischen Arbeiterklasse in einem gemeinsamen Kampf mit den Arbeitern Lateinamerikas, der USA und der Welt gelöst werden.
Die Wahl am vergangenen Sonntag bot keine echte Alternative. Sie war von Anfang an illegitim, nicht das Ergebnis von Forderungen des venezolanischen Volkes, sondern von Gesprächen hinter verschlossenen Türen zwischen Caracas und Washingtons Lakaien in Barbados, die als Mittel für den US-Imperialismus organisiert wurden, um seine Agenda voranzutreiben, die Kontrolle über die Ölreserven des südamerikanischen Landes, die größten des Planeten, zu behaupten.
Die Maduro-Regierung versucht, Venezuela zu ihren eigenen Bedingungen an die Ölkonzerne zurückzugeben, um ihre Fraktion der Bourgeoisie zu begünstigen und ihr Regime zu sichern. Erst letzte Woche berichtete das Wall Street Journal, dass Maduro den Ölmanagern insgeheim „großzügige Renditen und operative Kontrolle über Joint Ventures“ und „ausschreibungsfreie Verträge ohne Umweltaufsicht“ sowie „künftige Öleinnahmen und direkte Verhandlungen über eine Umstrukturierung von rund 60 Milliarden Dollar Schulden“ gegenüber ausländischen Anleihegläubigern verspricht.
Sowohl das Programm Maduros als auch das seines Gegners Machado, der von den westlichen Medien anerkennend als „venezolanische Margaret Thatcher“ bezeichnet wird, würde gleichermaßen massive polizeistaatliche Repression erfordern. Der einzige wesentliche Unterschied besteht darin, dass die rechtsextreme Opposition schwört, russische und chinesische Interessen zu verdrängen, was für den US-Imperialismus von strategischer und dringender Bedeutung ist.
Nur die trotzkistische Bewegung, die heute vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale angeführt wird, hat die entscheidende Lehre aus den tragischen Erfahrungen der verratenen Revolutionen und der Kriege des 20. Jahrhunderts gezogen: Die Arbeiter und die unterdrückten Massen werden ihre Kräfte nur dann vollständig und erfolgreich auf die Vernichtung von Faschismus, imperialistischer Unterdrückung und Krieg richten können, wenn dies bedeutet, für bessere Lebensbedingungen und die Kontrolle über die Fabriken, Ressourcen und Technologien zu deren Sicherung zu kämpfen, d.h. im Kampf für eine Arbeiterregierung und die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft.
Das bedeutet, dass die dringende Aufgabe heute in Venezuela, den Vereinigten Staaten und international darin besteht, eine internationale Bewegung der Arbeiterklasse aufzubauen, die sich allen bürgerlichen und nationalistischen Kräften entgegenstellt, um den Kapitalismus und sein nationalstaatliches System zu stürzen und ein globales System zu errichten, das auf echter sozialer Gleichheit beruht.
#Titelbild: Präsident Nicolas Maduro bei einer Kundgebung vor dem Präsidentenpalast Miraflores in Caracas, 31. Juli. [Photo: @PresidencialVen]
Quelle: wsws.org… vom 3. August 2024
Tags: Arbeitswelt, China, Imperialismus, Lateinamerika, Politische Ökonomie, Repression, Venezuela, Widerstand
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