Wer brachte Trump ins Weisse Haus ?
Kim Moody. Die vorherrschende Interpretation der Präsidentschaftswahlen von 2016 will, dass die Wahlen durch eine starke Abwanderung der traditionellen Wählerinnen und Wählern aus der Industriearbeiterklasse aus der Demokratischen Partei gezeichnet war und die Arbeiterklasse aus dem «Rust Belt» mit der Stimme für Donald J. Trump somit den «liberalen» Eliten eine saftige Ohrfeige verpasst hätte. Aber stimmt diese Geschichte?
Während in Wahrheit Trump nicht die Bevölkerungsmehrheit hinter sich hat, so hat er doch die Stimmen der Mehrheit der weissen Wähler (58 %) erhalten. Ferner hat er in den wählerstärksten Staaten aus dem «Rust Belt» gewonnen, auf denen die Medien ihre Interpretationen aufbauen, was an sich schon ernste Fragen auswirft. Wer waren diese weissen Stimmen? War es die Verschiebung der Mehrheit, die Trump zum Sieg verhalf?
Bereits während den Primärwahlen, als die Trump-Revolte einsetzte, zeigte sich in den Umfragen, dass die ganzen Wahlen durch einen starken Einschlag in Richtung der besser gestellten Teile der US-amerikanischen Gesellschaft gekennzeichnet sein werden, und dass dort Trump besser abschneiden würde als Clinton. Wenn wir die Wählersegmente der 26 % der Haushalte mit einem Einkommen über 100´000 $ betrachten, die heutzutage kaum zu den Arbeiterhaushalten gerechnet werden können, so sehen wir, dass Clinton daraus nur 34 % ihrer Stimmen erhielt und Trump mit 35 % leicht darüber lag.[i]
Mit anderen Worten waren die oberen Einkommensgruppen bei den Stimmenden überrepräsentiert und beide Kanditaten bezogen einen überproportionalen Anteil ihrer Stimmen aus den wohlhabenden Segmenten, wobei Trump noch etwas stärker von diesem Effekt profitierte. Dies als solches schliesst eine Verschiebung der Arbeiterklasse in Richtung von Trump noch nicht aus, doch ist die dahinterliegende Definition in der Medienversion problematisch.
Unter anderem stimmt die grosse Mehrheit ohne college-Abschluss überhaupt nicht ab. Dann sind Leute, die nicht abstimmen, im Allgemeinen links von denjenigen, die über wirtschaftliche Fragen und die Rolle der Regierung abstimmen. Von den 135,5 Millionen weissen Amerikanern und Amerikanerinnen ohne höheren Schulabschluss wählte etwa ein Fünftel Trump – eine Minderheit, die diesen grossen Bevölkerungsteil nur sehr schlecht repräsentiert.
Ein anderes Problem besteht darin, dass es lediglich etwa 18,5 Millionen weisse Industriearbeiter gibt, der als Prototyp des abtrünnigen weissen Arbeiters gelten.[ii] Wenn wir diese Zahl verdoppeln, um die Ehepartner bzw. Ehepartnerinnen einzurechnen, sind wir bei knapp 40 Millionen und wenn wir voraussetzen, dass niemand darunter einen höheren Schulabschluss hat, so haben wir immer noch nur einen Drittel dieser weissen Erwachsenen ohne den angeblich klassendefinierenden höheren Schulabschluss.
Sicherlich, es gibt noch etwa 14 Millionen weisse Angestellte im Dienstleistungsbereich, die zur Arbeiterklasse gerechnet werden. Wenn wir jedoch diese und ihre Ehepartner einschliessen, so liegen wir immer noch nur leicht über der Hälfte der 70 % unter den weissen Erwachsenen in den USA, die ohne einen höheren Schulabschluss sind.
Es gibt auch Millionen von Amerikanerinnen und Amerikanern ohne höheren Schulabschluss, die nicht zur Arbeiterklasse gehören und die mit höherer Wahrscheinleichkeit wählen als die «zurück gebliebenen» Industriearbeiter. So sind da die 17 Millionen Kleinstunternehmer und -unternehmerinnen ohne einen solchen Abschluss. Wie eine Aufstellung der National Small Business Association zeigt, sind 86 % Kleinstunternehmer Weisse, sind zweimal häufiger republikanisch als demokratisch, beinahe zwei Drittel sehen sich als konservativ an (78 % in wirtschafltichen Fragen) und 92 % von ihnen erklären, dass sie regelmässig an nationalen Wahlen teilnehmen.
Sie verdienten 2016 im Durchschnitt 112´000 $, demgegenüber beträgt der jährliche Durchschnittslohn 48´320 $.[iii] Wenn man deren Lebenspartner bzw. -partnerin dazurechnet so könnte diese typisch kleinbürgerliche Gruppe allein leicht die 29 Millionen Stimmenden für Trump ausgemacht haben, die über keinen höheren Abschluss verfügen.[iv]
Dann gibt es 1,8 Millionen Manager, 8,8 Millionen Vorgesetzte und 1,6 Millionen Polizisten, die für ihre Stelle keinen höheren Abschluss benötigen. Dazu können wir Versicherungs- und Grundstückmakler und -angestellte zählen und so weiter.[v] Einige von ihnen mögen über einen solchen Abschluss verffügen, aber es ist klar, dass es in den USA Dutzende Millionen Lohnabhängige ohne einen höheren Abschluss ausserhalb der Arbeiterklasse gibt und die sehr wahrscheinlich traditioneller und häufiger republikanisch wählen, als dies die Mehrheit der weissen Industriearbeiter tut.
Das vergleichsweise hohe Einkommen eines grossen Teils der Trump-Stimmenden verweist auf eine überwiegend mittelklassengebundene und kleinbürgerliche Basis von Trump – eine Hypothese, die der Economist in seiner kürzlichen Übersicht zu den Trumpwählern aufstellte, als er schrieb: «… die Idee, dass vor allem die armen, bildungsfernen Stimmenden zu Trump hingezogen werden, ist ein wenig ein Mythos.» [vi] Die erste Schlussfolgerung daraus ist, dass der Wahlsieg Trumps vor allem den Mittelschichten und höheren Einkommen zuzuschreiben ist.
Trumps Stimmen aus den Gewerkschaften
Um zu untersuchen, wie die weissen Industriearbeiter und -arbeiterinnen und die ähnlich gestellten Segmente der Arbeiterklasse zu Trumps Sieg beitrugen, werfen wir einen Blick auf die Verschiebungen im Stimmverhalten in gewerkschaftlich organisierten Haushalten bei nationalen Wahlen. Natürlich ist diese Methode nicht perfekt, da heute nurmehr eine Minderheit der Arbeiterinnen und Arbeiter einer Gewerkschaft angehört, etwa die Hälfte im öffentlichen Bereich arbeitet und nichtweisse Arbeiterinnen und Arbeiter etwa einen Viertel von allen ausmachen.
Trotzdem können wir als sicher annehmen, dass die Verschiebungen in der Arbeiterklasse in Richtung Republikaner meistens von weissen Gewerkschaftsmitgliedern und ihren Familien herkommen. Dabei ist es wichtig zu bedenken, dass bei den Präsidentschaftswahlen die Gewerkschaftsstimmen einen immer kleineren Anteil an der Gesamtstimmenzahl ausmachen; sie fielen von 26 – 27 % 1980 auf 18 % 2016, so dass die Auswirkung der Gewerkschaftsstimmen zurückging, wenn auch nicht verschwunden ist. [vii]
Stimmen der Gewerkschaftshaushalte in Präsidentschaftswahlen, 1976 – 2016
Jahr Dem. Rep. Andere
2016 51% 43% 6% andere/Leerstimmen
2012 58% 40%
2008 59% 39%
2004 59% 40%
2000 59% 37% 1% Buchanan, 3% Nader
1996 60% 30% 9% Perot
1992 55% 24% 21% Perot
1988 57% 43%
1980 48% 45% 7 % Anderson
1976 62% 38%
Quelle: Roper Center, “How Groups Voted”, 1976-2012; CNN politics, election2016, “Exit Polls, National President”.
Zwei Dinge fallen in der Tabelle auf. Erstens hat im Durchschnitt ein Viertel der Gewerkschaftshaushalte in Präsidentschaftswahlen über lange Zeit republikanisch gewählt, wobei die Demokraten über die vergangenen 40 Jahre leicht weniger als 60 % der Gewerkschaftshaushalte hinter sich hatten. Nur 1948 und 1964 wählten die Gewerkschaftshaushalte mit über 80 % einen demokratischen Kandidaten, Harry Truman bzw. Lyndon B. Johnson. [viii]
Dessenungeachtet gab es eine kleine Verschiebung zugunsten Trumps mit 40 % im Jahre 2012 an republikanischen Stimmen gegenüber von 43 % 2016. Diese drei Prozentpunkte entsprechen über das ganze Land knapp 800´000 Stimmen aus Gewerkschaftshaushalten.
Noch interessanter ist die Tatsache, dass die demokratischen Stimmen bei Gewerkschaftshaushalten seit 2012 um sieben Prozent gefallen sind; dies deshalb, weil diese eine andere Partei wählten, die Frage bei der Umfrage nicht beantworteten oder nicht wählten und nicht an der Umfrage teilnahmen. Dieser Rückgang deutet klar auf einen Verlust des Rückhaltes der Demokraten in Gewerkschaftshaushalten seit 2012.
Allerdings ist diese Verschiebung von Gewerkschaftshaushalten zugunsten von Trump weniger dramatisch als der Umschwung zwischen 1976 und 1980 zugunsten von Reagan; dies umso mehr, als damals die Demokraten unter Carter zwar 14 % verloren, aber davon die Hälfte dem Unabhängigen Anderson und nicht Reagan zugute kamen. Bei jenen Wahlen machten zudem die Gewerkschaftshaushalte noch 26 % der gesamten Wählerschaft aus.[ix]
In anderen Worten, Trump zog sowohl einen kleineren Anteil als auch eine kleinere Anzahl dieser Stimmen auf sich als Reagan oder Anderson. Die gleichen Wählerinnen und Wähler, die sich gelegentlich zwischen Demokraten, Republikanern und starken Kandidaten von Drittparteien hin- und herbewegen, wie Anderson, Ross Perot, der 1992 21 % der Gewerkschaftshaushalte für sich gewann und Ralph Nader, der 2000 drei Prozent gewann.[x] Die Bedeutung der Verschiebung von 2016 ist sicherlich unheilvoller, aber seine Vorgeschichte reicht auf die lange Zeit der Rechtsbewegung der Demokraten zurück.
All dies besagt nicht, dass die Wende in den Gewerkschaftshaushalten oder der Stimmenden aus der weissen Arbeiterklasse nicht mit einer konservativen Werthaltung, mit Rassismus und gerade in den Wahlen von 2016 mit Sexismus bei vielen weissen Angehörigen der Arbeiterklasse und der Mittelschichten zusammenhängt, wie auch mit ihrer wachsenden Wut über ihre sich verschlechternde Lage.
Trump gewann 10 Millionen Gewerkschaftshaushalte gegenüber von 12 Millionen für Clinton. Diese Zahlen sind sicher bedeutsam, wir wissen jedoch, dass es sich dabei nicht um ein neues Phänomen handelt und viele bereits länger republikanisch wählen. Dies ist natürlich kein Trost, sondern es ist eine Folge aus der betonten Hinwendung der Demokratischen Partei zu höheren Einkommenssegmenten, die unter Bill Clinton und ihrem Führungsgremiums einsetzte.[xi]
Es scheint klar zu sein, dass viele aus der weissen Arbeiterklasse Trump wählten, die 2008 oder 2012 Obama wählten, selbst wenn noch mehr einfach nicht wählen gingen.
Das selbstverschuldete Debakel der Demokraten
Selbst wenn es eine Verschiebung bei der weissen Industriearbeiterschaft und bei den Gewerkschaftshaushalten zugunsten von Trump gab, so war sie doch deutlich kleiner als der gesamte Rückgang der demokratischen Wählerschaft.
Während neuere Gesetze zur Kontrolle der Wähler, wie staatliche beglaubigte Photos in 17 Gliedstaaten und die rassenmässige Bereinigung von Wählerlisten in vielen Staaten viele Schwarze, Latinos und arme Weisse zweifellos vom Wählen abgehalten hat, so haben doch die meisten, die den Wahlen ferngeblieben sind, keinen wirklichen Grund gesehen, einen der Kandidaten, eine der Kandidatinnen zu wählen.
Gleichzeitig verharrte die Wahlbeteiligung der Arbeiterklasse zum Teil auch auf tiefem Niveau, weil die politischen Parteien den direkten Kontakt, zum Beispiel über Hausbesuche, gerade mit den unteren Schichten zugunsten von bezahlten Kampagnenmitteeln, wie Fernsehwerbung oder neuen Medien aufgegeben haben, um ihnen nahestehende Wählerinnen und Wähler anzusprechen.[xii]
Zu diesem Zwecke wurden von spezialisierten Firmen riesige Mengen von persönlichen Daten gesammelt, diese werden mit wähleranzielenden Algorithmen verarbeitet und verkauft. Gemäss John Aristotle Phillips, dem Leiter von Aristotle, vermögen sie der Kundschaft «bis zu 500 verschiedene Datenelemente für jede Person liefern.»[xiii] Die Parteien oder Kampgnen, die diese Dienstleistung kaufen, nutzen diese, um zielgerechte Botschaften an bestimmte Gruppen oder sogar an einzelne Wähler via Internet oder spezielle Plattformen auszusenden; Facebook machte mit den Wahlen von 2016 ein Vermögen.
Die Ausgaben für digitale politische Werbekampagnen betrugen 2009 22 Millionen $, 2012 158 Millionen $ und für 2016 geht man von einer Milliarde $ aus; 2020 sollen es 3 Milliarden $ sein. Jedenfalls werden sie weiterhin steigen, da sie weiter entwickelt werden und bis zu lokalen Wahlen hinunter eingesetzt werden, wie die digitale Plattform DSPolitical der Demokraten andeutet.[xiv]
Abgesehen von den steigenden Kosten und der wachsenden Erosion unserer Privatsphäre, wird diese aufdringliche gezielte Werbung bei US-Wahlen die politischen Kampagnen immer weiter vom direkten menschlichen Kontakt loslösen. So kommentieren die Reporter vom Guardian, dass «die zukünftigen Kampagnen ebensosehr von der Fähigkeit abhängen, die Leute quer durch ihre Bildschirme und Apps zu verfolgen, wie von Hausbesuchen und dem Verteilen von Flugblättern.»[xv]
Nicht dass keine Hausbesuche oder keine Telefonanrufe mehr gemacht würden. Aber die Algorithmen, die die beschränkte Anzahl der tatächlichen Wählerinnen und Wähler, die zu besuchen sind oder denen angerufen wird, bestimmen, zielen letztendlich auf den wohlhabenderen Teil der Bevölkerung. Die Kampagne zur Wahlaufforderung wurde zur Kampagne zur Wahlaufforderung an die Wohlhabenderen. Wichtiger noch, die Gestaltung des politischen Prozesses – bereits als solches eine Art Auktion – wird noch mehr an profitorientierte «Expertenfirmen» ausgelagert, die die erforderlichen Dienstleistungen anbieten.
Kurzum, trotz der grossen Summen gesammelten und verteilten Geldes, trotz aller digitalen und Expertenweisheit dieser «Partei des Volkes» und Clinton’s angeblich massiv eingesetzter «Basisarbeit» in den entscheidenen Gliedstaaten, kann die Demokratische Partei – und sie versucht dies auch nicht – genügend ihrer traditionellen Anhänger und Anhängerinen (Schwarze, Latinos, die weisse Arbeiterklasse und Gewerkschaftsmitglieder) zu mobilisieren, um nationale oder bundesstaatliche Wahlen in diesen entscheidenden Bundesstaaten zu gewinnen.
Sicherlich gewann Clinton landesweit von der Stimmenzahl her die Wahlen, vielleicht gar, wie sich John Nicols in The Nation brüstet, mit einem «noch nie dagewesenen» Vorsprung von 2 Millionen Stimmen. Das Problem dabei ist, dass allein 1,5 Millionen davon Clintons Vorsprung in New York City zuzuschreiben sind.[xvi] Die Mehrheiten in den Küstenstaaten Kalifornien und New York machen ihren Vorsprung aus, im Rest des Landes stagnieren die Demokraten oder sind im Rückzug begriffen.
Die Demokraten sind und waren über Jahrzehnte die Partei des (neoliberalen) Status quo, wobei Millionen aller Rassen sehen, wie sich ihr Lebensstandard verschlechtert und ihre Zukunftsperspektiven verdüstern und sie von daher den Status quo verabscheuen. Und die vielen demokratischen Millionäre im Kongress (das durchschnittliche Vermögen der demokratischen Abgeordneten beträgt 5,7 Millionen $) und von deren Kumpels führen allen vor Augen, dass diese zur nationalen Elite gehören.
Der Rückgang der Arbeitsplätze in der Industrie, das Schrumpfen der gewerkschaftlichen Präsenz, der Vormarsch von lausigen Jobs, der Abbau der Unterstützung für Städte, usw. haben nicht nur «zornige weisse Männer» geschaffen, die Trump gewählt haben, sondern auch Schwarze, Latinos und Asiaten, Männer wie Frauen, die aus guten und vernünftigen Gründen die Demokratische Partei nicht mehr als die Verteidiger ihrer Interessen ansehen.
Viele unter diesen Vielen haben wirklich mit ihren Füssen gewählt. Bei den Kongresswahlen von 2014 belief sich die Zahl der Wahlabstinenten auf nahezu 128 Millionen erwachsene Bürgerinnen und Bürger – die Mehrheit der Wahlberechtigten[xvii] -, der grösste Teil davon gehörte zur unteren Mittelschicht und zur Arbeiterklasse.
Ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Demokraten in weiten Teilen des Landes keine Mehrheit mehr zustande bringen, ist die Tatsache, dass die Millionen von Nichtwählerinnen und -wählern im Durchschnitt links von denjenigen liegen, die an Abstimmungen über wichtige wirtschaftliche Fragen teilnehmen.
In einer Studie wird festgestellt, dass «Nichtwähler und- wählerinnen um 17 % eher dazu neigen, mehr Regierungsleistungen und -ausgaben, mehr Arbeitsplatzgarantien und Massnahmen für abnehmende Ungleichheit zu befürworten», als dies Wähler und Wählerinnen tun.[xviii]
Die Demokraten haben keine Möglichkeit, die nötigen Kräfte zu mobilisieren, um die Rechte zu schlagen, teilweise weil sie keine Politik anbieten können, um die Not der Mehrheit anzusprechen um so diese eher nach links tendierenden Nichtwählerinnen und -wähler auf sich zu lenken.
Landesweit haben die Demokraten seit 2009 eigentlich auf allen Ebenen Wahlen verloren. In jenem Jahr hatten die Demokraten im 111. Kongress 257 Abgeordnete im Repräsentantenhaus, 2015, im 114. Kongress war diese Zahl auf 118 gesunken, der tiefste Wert seit dem 80. Kongress 1947 – 49; seitdem fiel die Wahlbeteiligung an Kongresswahlen in den Jahren ohne Präsidentschaftswahlen von 48 % auf 42 %.
2016 gewannen die Demokraten im Repräsentantenhaus gerade mal sechs Sitze zurück.[xix] Zwischen 2009 und 2015 verloren die Demokraten 203 Sitze in den Senaten der Gliedstaaten und 716 Sitze in den grossen Kammern der Gliedstaaten. Ein Hinweis auf das, was 2016 in Ohio und Pennsylvania bevorsteht, wurde im Verlust von 21 Sitzen der Demokraten in den Parlamenten dieser Staaten zwischen 2009 und 2015 deutlich.[xx]
Konsequenzen des Scheiterns
Dieses Mal jedoch brachte der fallende demokratische Rückhalt nicht den Sieg eines gewöhnlichen Konservativen oder gar eines stumpfsinnigen Grobians, sondern eines demaggischen Rassisten, der wirklichen Schaden anrichten will. Und das wird er.
Es wird Widerstand geben. Eher noch mehr Widerstand. Und dies wird auch neue Möglichkeiten für die Organisierung bieten, sogar in einem noch feindlicheren Umfeld. Gleichzeitig werden viele, einschliesslich nicht weniger unter der sozialistischen Linken versuchen, im «grossen Zelt» der Demokraten Unterschlupf zu finden. Sie werden ins Feld führen, dass jetzt nicht die Zeit sei, sich die Demokraten vorzuknöpfen, sondern dass die wichtigste Aufgabe nun die Wahl eines demokratischen Kongresses sei, irgendeines demokratischen Kongresses, um Trump 2018 zurückzubinden, wie dies die Republikaner mit Obama nach 2010 taten, und so weiter.
Dieses politische Vorgehen wird jedoch lediglich den Neoliberalismus der Demokraten, ihre digitale Abhängigkeit und ihre gescheiterten Strategien verstärken. Wie würden uns besser daran erinnern, zu welchen Folgen diese Ausrichtung über die vergangenen vierzig Jahren geführt hat und in der Zukunft führen wird.
Dies wird zu keiner höheren Wahlbeteiligung unter der Arbeiterklasse führen, gerade nicht unter den Schwarzen und den Latinos. Die Wahlbeteiligung ist in den vergangenen Jahrzehnten gefallen, gerade bei den Wahlen zum Kongress.
Die Wahlbeteiligung der Schwarzen und der Latinos in Jahren ohne Präsidentschaftswahlen, die lange unterhalb des Durchschnittes lag, ist seit 2010 stark zurückgegangen und hat sich 2016 nicht erholt, trotz der Drohung eines Sieges von Trump.[xxi]
Noch viel weniger als der Neoliberalismus wird der zentristische Liberalismus der Amtsinhaber und der aussichtsreichsten Kandidatinnen und Kandidaten diejenigen weissen Wahlberechtigten aus der Arbeiterklasse oder in Gewerkschaftshaushalten zurückgewinnen, die seit Jahrzehnten die Republikaner wählen und noch weniger diejenigen, die sich aus Wut Trump zugewandt haben.
Die Politik hat versagt, wie immer! Wer brachte Trump ins Weisse Haus? Die Demokraten.
Quelle: internationalviewpoint.org/… vom 9. Januar 2017; Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch
[i] Nate Silver (2016) “The Mythology of Trump’s ‘Working Class’ Support,” FiveThirtyEight, May 3, 2016,; CNN politics (2016).
[ii] US Census (2014) Table 1, “Educational Attainment of the Population 18 years and Over, by Age, Sex, Race, and Hispanic Origin: 2014” CPS, 2104.
[iii] NSBA (2016) NSBA 2016 Politics of Small Business Survey. Washington DC: National Small Business Association, 4-6; SBA (2016) Demographic Characteristics of Business Owners and Employees, 2013. Washington DC: US Small Business Administration Office of Advocacy, 1; BLS (2015) Occupational Employment Statistics, “May 2015 National Occupational Employment and Wage Estimates United States”; Indeed (2016) “Small Business Owner Salary,”.
[iv] CNN politics (2016), “national president,”.
[v] BLS (2014b) “Occupational employment, job openings and worker characteristics,” Table 1.7.
[vi] The Economist (2016) “Where Donald Trump’s support really comes from,” April 20, 2016.
[vii] Harry Enten (2014) “How Much Do Democrats Depend on the Union Vote?” FiveThirtyEight, July 1, 2014; CNN politics (2016) “national president”.
[viii] Kim Moody (2007) US Labor in Trouble and Transition: The Failure of Reform from Above, The Promise of Revival from Below. London: Verso, 145.
[ix] Roper Center, “How Groups Voted,”1980, 2014; CNN politics (2016).
[x] Roper Center, “How Groups Voted,” 1996, 2000.
[xi] McElwee, Sean (2015) “Why Non-Voters Matter,” The Atlantic, September 15, 2015.
[xii] Donald Green and Michael Schwam-Baird (2016) “Mobilization, participation, and American democracy: A retrospective and postscript,” Party Politics, March 2016, 22(2):158-164; NCSL (2016b) “Voter Identification Requirements / VoterID Laws,” National Conference of State Legislatures.
[xiii] Politics & Policy (2016) “Campaigns and Voter Infor¬mation: Elections in a Digital Age,”; Max Willens (2016) “Election 2016Ads: Xaxis Will Target Voters Using Their Digital And Real-Life Data”, ibtimes, November 9, 2015; DSPolitical (2016) “NGP VAN and DSPolitical Join Forces Bringing Self-Service Voter Targeted Digital Advertising to Nearly Every Democratic Campaign in America,”; Sreenivasan, Hari (2012) “The Digital Campaign” transcript, PBS.
[xiv] Davies, Harry and Danny Yadron, “How Facebook tracks and profits from voters in a $10bn election,” The Guardian, January 28, 2016; Green and Schwam-Baird (2016), 158-164; Willens (20126; DSPolitical (2016).
[xv] Harry Davies and Danny Yadron, “How Facebook tracks and profits from voters in a $10bn election,” The Guardian, January 28, 2016.
[xvi] John Nichols (2016) “Hillary Clinton’s Popular-Vote Victory Is Unprecedented — and Still Growing,” The Nation, November 17, 2016; New York Times (2016c) Election 2016 “New York Results,”.
[xvii] United States Elections Project (2016) “2016 November General Election Turnout Rates,”; Thom File (2015), 3.
[xviii] Sean McElwee (2014) “Why The Voting Gap Matters,” Demos, October 23, 2014; Sean McElwee (2015); Pew Research Center (2014) “The Party of the Nonvoters” October 11, 2014.
[xix] US House of Representatives (2016) “Party Divisions of the House of Representatives,”; Thom File (2015) Who Votes? Congressional Elections and the American Electorate: 1978-2014. Washington DC: U.S. Department of Commerce, 3; NCSL (2009) “2009 State and Legislative Partisan Composition,” National Conference of State Legislatures.
[xx] NCSL (2009); NCSL (2015) “2015 State and Legislative Partisan Composition,” National Conference of State Legislatures.
[xxi] File (2015), 1-4.
Tags: Neoliberalismus, Neue Rechte, USA
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