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Deutschland: Niedriglöhner wählen Linkspartei, AfD oder gar nicht

Eingereicht on 20. Juli 2017 – 8:18

Ben Mendelson. Union und SPD werden sich nicht nur inhaltlich immer ähnlicher. Auch die Struktur ihrer Wähler hat sich stetig angeglichen. Zu diesem Schluss kommt eine am Mittwoch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin vorgestellte Studie. Dennoch hätten sich die Anhänger der etablierten Parteien stark verändert. Neben Nettoeinkommen, Erwerbsstatus, Stellung und Berufsausbildung analysierten die Forscher die größten Sorgen der Wähler. Ebenda liegen auch noch große Unterschiede zwischen den Parteien.

Studienverfasser Alexander Kritikos sagte am Mittwoch, vor allem bei der SPD-Anhängerschaft gebe es »massive Verschiebungen«: Sie sei keine Arbeiterpartei mehr, sondern eher eine »Rentner- und Angestelltenpartei«. Der wesentliche Unterschied zwischen den Wählern von SPD und Union sei, dass in den ländlichen Gebieten und kleineren Städten mehr CDU/CSU- und AfD-Wähler lebten, während in Großstädten eher links gewählt werde. »In allen anderen Bereichen« hätten sich die Klientel der ehemaligen Volksparteien »sehr stark angeglichen«, meinte Kritikos.

Das Prädikat »Arbeiterpartei« ließe sich demnach eher der AfD zuschreiben: Zumindest ist laut der DIW-Studie jeder dritte AfD-Wähler ein klassischer Werktätiger – bei der Linkspartei sei es nur knapp jeder fünfte. Einzig bei den Nichtwählern finde man noch mehr Arbeiter, dort sei auch der Anteil der Beschäftigten mit einfachen Tätigkeiten am höchsten, bemerkte der Koautor der Studie, Karl Brenke.

Insgesamt finden sich unter den Nichtwählern laut der Studie vor allem wirtschaftlich Abgehängte: Sie hätten doppelt so oft keine Berufsausbildung und keinen Hochschulabschluss wie der gesellschaftliche Durchschnitt. Zudem gingen überproportional viele junge Wahlberechtigte nicht wählen. Und: Wer bei der letzten Wahl nicht gewählt habe, werde mit etwa 90prozentiger Wahrscheinlichkeit im September erneut nicht an die Urne gehen. Vom »Einkommenswachstum der letzten 15 Jahre« hätten Nichtwähler kaum profitiert, schreiben die Verfasser der Studie in ihrer Einleitung. Im Vergleich mit anderen Wählergruppen verfügten sie über die niedrigsten Haushaltseinkommen: im Durchschnitt 2.462 Euro pro Monat. Linkspartei-Wähler (2.542 Euro) und Unentschlossene (2.611 Euro) gehörten zu den schlechter Verdienenden. An den politischen Rändern sei die Zufriedenheit mit der eigenen materiellen Lage am geringsten.

Auf der anderen Seite der Einkommensstatistik stehen – wenig überraschend – Anhänger der FDP mit einem durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen von 3.901 Euro. Immerhin haben 80 Prozent der FDP-Wähler scheinbar auch eine gute Selbsteinschätzung und halten ihre persönliche wirtschaftliche Lage für gut. Bei AfD- und Nichtwählern denken das nur etwa 50 Prozent der Befragten. Brenke merkte allerdings an, dass es bei allen Parteien einen erheblichen Anteil an Besserverdienenden sowie große Einkommensunterschiede innerhalb der Anhängerschaften gebe.

Den mit Abstand größten Anteil an Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben mit 40 Prozent die Grünen-Anhänger. Der durchschnittliche Grünen-Wähler war 2016 acht Jahre älter als 2000. Daraus schlussfolgerte Kritikos, dass die grüne Klientel mit ihrer Partei gealtert sei. Der Anteil der Rentner an den Wählern der Partei habe sich demzufolge mehr als vervierfacht. So etwas habe natürlich Auswirkungen auf die gesamte Struktur der Partei, sagte Brenke. Ob daraus auch eine inhaltlich kämpferische Aufstellung der Bündnisgrünen in der Rentenpolitik resultieren könnte, bleibe abzuwarten.

Wähler der Linkspartei, der AfD und Nichtwähler sind laut der Studie besonders häufig der Meinung, dass sie keinen gerechten Anteil am Lebensstandard erhalten. Ebenso sind vor allem Anhänger der Linken und der Rechtspopulisten davon überzeugt, dass es in der BRD ungerecht zugeht und die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit nicht gelingt. Auffallend ist, dass laut der DIW-Untersuchung in der Gesellschaft insgesamt die Meinung überwiegt, es gehe ungerecht zu.

Abschließend wurden die Personen zu ausgewählten Aspekten befragt: Kriege, Kriminalität und Fremdenhass waren demnach die besorgniserregendsten Themen. Allerdings wurden die Interviews hierzu bereits 2015 durchgeführt und haben deshalb nur bedingt eine aktuelle Aussagekraft. Auffällig sei aber, dass Linkspartei- und AfD-Wähler sich insgesamt häufiger Sorgen machten. Im Durchschnitt machten sich die Deutschen aber relativ wenige Sorgen, was den regierenden Parteien in die Karten spiele. Die Anhänger der AfD hingegen seien generell »bei fast allen Themen« besorgt gewesen – außer in den Bereichen Umweltschutz, Klimawandel und Fremdenhass

Quelle: jungewelt.de… vom 20. Juli 2017

 

 

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