Ein „Tag ohne Eisenbahner“ soll den Streik nochmals anspornen
Bernard Schmid. Aus Sicht im Streik engagierter Bahnbeschäftigter soll dieser Aktionstag eine Wende im Arbeitskonflikt bei der Eisenbahngesellschaft SNCF bringen: Am heutigen Montag, den 14.05.18 soll ein <<Tag ganz ohne Eisenbahner>> (journée zéro cheminot) stattfinden. Über die „gewöhnlichen“ Streiktage hinaus, von denen seit dem 03. April dieses Jahres je zwei in einem fünftägigen Zyklus stattfinden – unterbrochen durch je drei Arbeitstage dazwischen -, soll an diesem Tag die Mobilisierung gebündelt werden. (Vgl. als Niederschlag in der bürgerlichen Presse und sonstigen Medien etwa: „«Journée sans cheminots» : les syndicats veulent booster la grève » von Vincent Vérier am 13. Mai 2018 in Le Parisien„ und „La SNCF se prépare à une “journée sans cheminots” lundi » am 13. Mai 2018 bei La Tribune„, sowie “Journée sans cheminots” lundi : “Le mouvement pourrait encore se durcir” à la SNCF, selon un syndicaliste » am 13. Mai 2018 bei FranceTVinfo„).
Dieser Aktionstag soll dazu dienen, auch jene zu mobilisieren, die bislang nur an ein paar Tagen vom „offiziellen“ (durch die Gewerkschaftsverbände CGT, CFDT und UNSA beschlossenen) Streikkalender streikten – sich sozusagen à la carte ein paar der insgesamt 36, zwischen Anfang April und Ende Juni vorab festgelegten Tage der Arbeitsniederlegung herauspickten. Auch ist damit zu rechnen, dass an einigen Orten versucht werden dürfte, den Verkehr zu blockieren. Diese Bündelung der Mobilisierung an einem Stichtag soll dazu dienen, den Mängeln der bisherigen Streikstrategie gegenzusteuern. Aufgrund der starren Festlegung eines Streikkalenders „von oben herab“ hatte die Strategie der drei Mehrheitsgewerkschaft (gegen die Position der linksalternativen Schienengewerkschaft SUD Rail) die bislang bei Eisenbahnstreiks wichtigen Basisversammlungen an den Arbeitsplätzen ihrer Dynamik beraubt.
Ferner muss erwähnt werden, dass die jeweils auf zwei Tage begrenzten Streikaufrufe es der Bahndirektion erlaubt, manchen ihrer Beschäftigten – vor allem die auf Fernzügen eingesetzten – de facto effektive Möglichkeiten zur Ausübung ihres Streikrechts zu nehmen. Greifen wir das Beispiel eines Lokführers auf, welcher am 18. und 19. Mai zum Streik aufgerufen ist, welchen die Direktion jedoch am 17. Mai am Abend auf einen Zug von Paris nach Marseille oder München setzt: Dieser Bahnbeschäftigte wird zwar sein Streikrecht ausüben, jedoch zugleich nicht in der Mittelmeer- oder der bayerischen Metropole festsitzen wollen. Vielmehr wird er mit einem Zug der SNCF zurückfahren, und für diese Rückkehr sich nicht vom Dienst abmelden, um nicht doch noch festzuhocken. In den öffentlichen Diensten, darunter im Schienentransport, muss jedoch ein Streik 48 Stunden zuvor durch eine als représentatif (ungefähr: „tariffähig“) anerkannte Gewerkschaft angemeldet werden. Dies hat unter anderem zur Auswirkung, dass Bahnbeschäftigte außerhalb der zuvor angemeldeten Streiktage nicht rechtmäßig ihre Arbeit niederlegen können.
Zwar hatte SUD Rail anfänglich für die seit dem 03. April d.J. laufendePeriode ihrerseits einen nicht auf zwei Tage im je fünftägigen Zyklus beschränkten,sondern unbefristeten Streik – über dessen Fortführung jeweils vor Ort in Vollversammlungen alle 24 Stunden abgestimmt wird – angemeldet. Also eine so genannte grève reconductible. Doch dürfte es für Mitglieder anderer, konkurrierender Gewerkschaften innerorganisatorisch schwierig ausfallen, sich auf den Streikaufruf einer anderen Organisation (d.h. Sud Rail) zu beziehen. In Einzelfällen geschieht dies jedoch in den Reihen der CGT.
Es hat örtlich Versuche gegeben, den Streik in diesem oder jenem Bahnhof bereits im Laufe des April in eine grève reconductible weiterzutreiben. Beispielsweise in der Gare du Nord (dem Nordbahnhof) in Paris. Jedoch waren diese Unternehmungen bislang nicht durch besonderen Erfolg gekrönt. Laut linksgewerkschaftlichen Quellen liegt die Beteiligung daran, über die „offiziellen“ Streiktage des Kalenders von CGT / CFDT / UNSA hinaus, „zwischenfünf und acht Prozent“.
Nun hoffen wir auf die Auswirkungen des heutigen Aktionstags. Am morgigen Dienstag oder spätestens übermorgen, am Mittwoch folgt dazu auf Labournet.de unsere vorläufige Bilanz. Zusammen mit folgenden Analysen (Vorankündigung):
An einigen (einzelnen) Hochschulen konnten Proteste die Durchführung von Abschlussprüfungen verhindern; doch insgesamt bleibt die universitäre Protestbewegung minoritär / Vorläufige Bilanz einer Periode, die die soziale Protestbewegung zwischen die Klippen von hooligan-anarchistischer Kleingruppengewalt (1. Mai) einerseits und der linkssozialdemokratischen Vereinnahmung (05.05.) andererseits führte / Nächstes wichtiges Datum wird die Mobilisierung am 26. Mai d.J. / Eine der entscheidenden Fragen wird die eventuelle – derzeit noch nicht offiziell beschlossene – Teilnahme, oder Nichtteilnahme, der CGT daran bilden.
Quelle: labournet.de… vom 14. Mai 2018
Tags: Arbeiterbewegung, Arbeitskämpfe, Arbeitswelt, Gewerkschaften, Neoliberalismus, Repression
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