Die Syriza-Regierung in den Fängen des Sozialliberalismus
Die folgende Erklärung von Red Network (Rotes Netzwerk), in dem DEA und APO (und Kokkino, die mittlerweile mit DEA fusionniert ist) vereint sind, ist Teil der linken Plattform innerhalb von Syriza. Sie erfolgte als Reaktion auf die von der Syriza-Regierung am 25. Februar angekündigten sozialiberalen Reformpläne, die ihrerseits eine Folge des Abkommens vom 20. Februar mit der Euro-Gruppe sind. Dieser Text wurde zuerst von À l’encontre unter Un accord avec les créanciers qui emprisonne Syriza dans le social-libéralisme veröffentlicht. Die Übersetzung aus dem Griechischen ins Französische erfolgte durch Antonis Martalis. Die Redaktion maulwuerfe.ch besorgte ab da die Übertragung ins Deutsche.
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Das Reformprogramm, das von von Yanis Varoufakis und von der Syriza-Regierung am 25. Februar veröffentlicht wurde [als Ergänzung zur Vereinbarung mit der Eurogruppe vom 20. Februar] enthüllt die Wahrheit des Abkommens zwischen der Regierung und den durch die sogenannte Euro-Gruppe repräsentierten Geldgebern: Die Politik von Syriza wird sich an den Rahmen des Sozialliberalismus halten.
Dieses Abkommen verunmöglicht die Umsetzung des Programmes von Thessaloniki vom 14. September 2014 und es kehrt den Sinn der Beschlüsse der Syriza-Konferenz von Juli 2013 um. Letztere forderte die Aufhebung der Memoranden und der damit verbundenen Gesetzte als ersten Schritt in Richtung einer vollständigen Beendigung aller Massnahmen der brutalen Sparpolitik.
Dies betrifft im Einzelnen:
1. Die Privatisierungen, als Kern der neoliberalen Strategie
Die Regierung verpflichtet sich, die «abgeschlossenen Privatisierungen nicht rückgängig zu machen» und «die laufenden Ausschreibungen gesetzeskonform weiterzuführen». Das Schlimmste bei diesen neuen «Fällen» ist jedoch die Methode der «langzeitlichen Vermietung und die öffentlich-privaten Partnerschaften». Dies läuft auf eine generelle Einwilligung in die Privatisierungen hinaus und ist das Gegenteil der vor langem beschlossenen Politik von Syriza.
2. Den Arbeitsmarkt
Die vorgeschlagenen «Reformen» bedeuten den Bruch des Wahlversprechens, den Mindestlohn auf 751 Euro zu erhöhen, unabhängig von den Verhandlungen mit den Gläubigern. Es wurde zwar mit diesen eine «Änderung» vereinbart, diese verbleibt aber im politischen Nebel. Im neuen Abkommen hängt die «Höhe und der Zeitpunkt» der Erhöhung des Minimallohnes von der «Absprache mit den Sozialpartnern (!!) und mit den europäischen sowie den internationalen Institutionen» (!!!) ab. Zudem wird sie an die «Entwicklung der Produktion und der Wettbewerbsfähigkeit» (!!!) gekoppelt.
Das läuft auf eine Verschiebung der Wiederherstellung des Minimallohnes auf das Niveau von 2009, wie es das Wahlversprechen vorsieht, auf unbestimmte Zeit hinaus. Und noch schlimmer: Es wurde ein unakzeptables Vorgehen für Lohnverhandlungen vereinbart, wie es nur für die wirtschaftsliberalste Varianten der Sozialdemokratie überhaupt infrage kommt.
Auf der zentralen Frage der Wiederherstellung der Bedeutung der kollektiven Arbeitsverträge wurden ebenfalls Rückschritte gemacht, da der Vorschlag an gewisse «bessere Praktiken der EU» (?) gebunden ist und versucht, «die Erfahrung der OECD zu nutzen».
Es sei daran erinnert, dass sich diese internationalen Organisationen – die über die vergangenen 20 Jahre gegenüber den neoliberalen Angriffen des Kapitals tatenlos und schweigsam geblieben sind – mit ihrem «Wissen» bei der zunehmenden Erosion des Arbeitsrechts als sehr aktiv erwiesen haben. Im neuen Programm verpflichtet sich die Regierung «in den kollektiven Arbeitsverträgen einen neuen, progressiven Ansatz zu verfolgen, der das Gleichgewicht (!) zwischen Flexibilität (!!) und Gerechtigkeit einschliesst». Über die vergangenen 20 Jahre habe viele nach diesem Gleichgewicht zwischen Flexibilität und Sicherheit (der Flexi-Sicherheit) gesucht. Niemand hat dabei aber je etwas Anderes gefunden als das forcierte Vorantreiben der Flexibilität oder der Elastizität des Arbeitsmarktes.
3. Fiskalpolitik
Im Programm von Thessaloniki verspricht Syriza die Abschaffung der ENFIA [einer ungerechten Immobiliensteuer] und der Xaratasi, der auf die ottomanische Besatzung zurückgehenden Steuer auf das Heizöl in Privathaushalten ebenso wie die Wiedereinführung einer steuerfreien Einkommensgrenze von 12’000 Euro [aktuell liegt diese Grenze bei 5’000 Euro]. All dies hat sich mittlerweile in Luft aufgelöst. Selbst wenn das Ziel der Bekämpfung der Steuerflucht und des Betrugs an den Sozialabgaben absolut berechtigt ist, ein Kampf der ganz klar gegen das Kapital geführt werden muss, so muss dieses Ziel mit entschiedenen Massnahmen zur steuerlichen Entlastung der Arbeitenden, der Rentnerinnen und Rentner und der breiten Bevölkerung kombiniert werden. Ansonsten wird einfach die Sparpolitik fortgesetzt.
4. Die Banken
Die Syriza-Konferenz sprach sich für eine öffentliche Überprüfung der Banken aus, selbst wenn die genaue Vorgehensweise nicht präzisiert wurde. Nun wurde die Einführung eines Verfahrnes zur Überwachung der Anleihen vereinbart, welches «voll und ganz die Kapitalausstattung (!) der Banken» in den Mittelpunkt stellt. Dabei wird sogar die Versteigerung des selbstgenutzten Wohneigentums dem Damoklesschwert einer «Zusammenarbeit mit der Leitung der Banken und der ensprechenden Institutionen» unterstellt.
Dieses «Reformprogramm» ist der Beweis dafür, dass die Regierung eine abrupte Wende vollzogen hat und die vollständigen Rückzahlung der Schulden zu ihrem Programm erhoben hat. Es markiert den Übergang zu einer Position, mit der wir versuchen sollen, die Sparpolitik zu bekämpfen, aber natürlich nur, indem wir uns unbedingt streng an die Regeln der EU und des Euro halten.
Gegen diese Vereinbarung des Finanzministers mit der Eurogruppe und gegen das durch die Regierung vorgelegte «Reformprogramm» müssen die Mitgliedsorganisationen und die Mitglieder von Syriza, die Linke, die Gewerkschaften und die sozialen Bewegungen die Kraft finden, NEIN zu sagen.
Sie müssen eine undisziplinierte, das heisst eine klassenkämpferische Haltung annehmen, um zusammen mit der Arbeiterklasse und der breiten Bevölkerung im sozialen Kampf eine konkrete Politik des Widerstandes entwickeln, um dieses aufgezwungene Korsett der Sparpolitik zu zerbrechen.
Für die Mitglieder und die Organisationen von Syriza stehen nun klare Aufgaben auf der Tagesordnung. Dabei geht es um die unverzügliche Rückkehr zu einer Politik, die auf drei Hauptelementen beruht:
a) Die Abschaffung der Memoranden und der sie begleitenden Sparmassnahmen.
b) Keine Opfer für den Euro.
c) Eine Politik der radikalen Linken, die sich auf die Beschlüsse der Syriza-Konferenz und auf das Wahlprogramm von Thessaloniki beruft.
Dabei handelt es sich überhaupt nicht um einen Kampf gegen, sondern für die Rettung des politischen Projekts einer «Linksregierung». Denn das Abkommen mit der Eurogruppe und die heute vorgestellten Reformen [25. Februar] führen im Verlaufe der nächsten vier Monate – der Periode der «Überbrückung» – zu einer Beeinträchtigung des Verhältnisses zwischen Syriza und deren sozialer Basis; diese brachte Syriza am 25. Januar an die Macht. Und dies wird nur den Appetit der einheimischen und der internationalen Feinde anheizen, eine Schlacht mit dem Ziel eines Sturzes der Regierung anzuzetteln. Die Zeit ist knapp…
Athen, den 25. Februar 2015
Tags: Breite Parteien, Europa, Griechenland, Strategie
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