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Gelbe Westen. Die Wiederkehr des Gespenstes der Revolution

Eingereicht on 17. Dezember 2018 – 16:08

Juan Chingo. In den letzten Tagen überschlug sich die Bourgeoisie in der Öffentlichkeit im politischen Dirkurs. Einige fordern die «Rettung der Republik». Andere reden gar vom «Bürgerkrieg».

Überall Panikgeschrei – wir stünden unmittelbar vor dem Chaos! Dies wurde kaum abgeschwächt nach dem teilweisen Rückzug und der Rauchstrategie, die Emmanuel Macron in seiner Rede am Montag, den 10. Dezember aufbot, sowie mittels der Instrumentalisierung des Straßburger Attentates auf den V. Akt der gelben Westen.

Aber wenn die Oben zittern, so, sind es unten viele, die das Vertrauen in ihre eigene Stärke zurückgewonnen haben und ihrem Wunsch, die Dinge auf den Kopf zu stellen, Ausdruck verleihen. Etienne Girarad weist in Marianne darauf hin: «Die Referenzen eines grossen Teils dieser Protestbewegung weisen zur Genüge in eine Richtung, um die gewählten Vertreter zum Zittern zu bringen. Sie erleben sich eindeutig als neuer Dritter Stand. Ghislain Coutard, der Sprecher der Bewegung in Narbonne und Erfinder des gelben Westensymbols, erklärt denn auch, «so die Revolution zu machen». Das Gleiche gilt für seine Kameraden in der Haute-Loire, die im November gegenüber dem Progrès versicherten, dass sie «wie 1789 eine Revolution machen wollten, aber ohne Gewalt». Am Samstag, den 1. Dezember, wurde die Präfektur von Le Puy-en-Velay, der Hauptstadt des Departements, niedergebrannt. Eine der beliebtesten Antworten auf die Umfrage von Eric Drouet an vergangenem Dienstag verweist auf die «Privilegien» der Parlamentarier. Wie der Adel 1789. In ganz Frankreich trugen viele Demonstranten an den letzten drei Wochenenden eine phrygische Mütze, Symbol der französischen Revolution.

Man spürt beim Anschluss der Schüler den gleichen Willen, alles zu verändern. Philippe Vincent, Generalsekretär der UNSA (Gewerkschaft der Schulleiter (SNPDEN)), stellt besorgt fest: «Die Mobilisierung ist beispiellos. Wir haben es nicht mit einer traditionellen Bewegung an den Gymnasien zu tun, sondern mit Gymnasiasten, die sich mit einer Bewegung der allgemeinen Wut, dem Wunsch, ein Chaos zu verursachen und sich mit der Polizei anzulegen, zusammenschließen. Die Aufrufe, die in sozialen Netzwerken zirkulieren [«Der Krieg ist erklärt», «Sprit mitbringen»], haben einen Ton, den wir noch nie zuvor gesehen haben». Neben den Parolen gegen die Reform des Gymnasialwesens und der vergangenen Woche vorgestellten Berufsberatungsplattform gibt es eine Wut über die aktuelle Verachtung und Unterdrückung junger Menschen. Das hat auch ein Lehrer aus Marseille in einem Gespräch mit Le Monde in der ersten Dezemberwoche hervorgehoben: «Unsere Schüler fühlen und sagen, dass sie mit den «Gelben Westen» sympathisieren. Diese Blockaden bedeuten auch eine Bestätigung und ein Ausdruck ihrer Würde. (….) Die Analogie ist auffallend: Spontaneität, Entschlossenheit, das Ausmaß der Mobilisierung und, wohl oder übel, die Ausarbeitung von Forderungen.

Wenn wir die aufständischen Elemente der Pariser Demonstrationen vom Samstag, den 24. November und des ersten Dezembers hinzufügen – aufgrund des teilweisen Kontrollverlustes durch die Repressionskräfte sind einige Gebiete der Hauptstadt buchstäblich in die Hände der Gelben Westen gefallen oder den Angriff auf starke Machtsymbole wie den Arc de Triomphe – aber auch durch das, was während des IV. Aktes in einigen Regionalstädten, wie Bordeaux, geschehen sein könnte, zeigt all dies deutlich, dass wir keine klassische soziale Bewegung erleben, sondern eine anhaltende soziale Unruhe, die den Geschmack einer Revolution hat.

Alain Bertho, Spezialist für städtische Unruhen in Paris VIII lehrt, analysiert diesen Wandel zwischen der aktuellen Bewegung und denjenigen während der letzten zehn Jahren: «Wir erleben eine Kontinuität, aber wir sind in eine neue Phase getreten. Was die jüngsten Unruhen kennzeichnete, ob in Frankreich 2005, in Griechenland 2008, in London 2011 oder in Baltimore 2014, und mit Ausnahme Arabischen Frühlings, war, dass die Teilnehmer nicht dachten, dass sie Erfolg haben könnten, oder sogar sicher waren, zu verlieren. Vor einigen Jahren sah ich in Thiaroye im Senegal junge Menschen, die extreme Risiken gegen Spezialeinheiten eingegangen sind, gegen die sie keine Chance hatten. Dies ist heute nicht der Fall. Die Konflikte, die wir gesehen haben, sind das Ergebnis einer Mobilisierung, die glaubt, dass sie Erfolg haben kann und das Zaudern der Regierung wahrnimmt. Sie sind Teil einer Strategie. Das erscheint mir also völlig neu. Am Anfang schätzte man das völlig falsch ein. Es ist keine einfache «soziale Bewegung», ein Ausdruck, der Teil einer sehr konstruierten Vision ist, die aus dem letzten Jahrhundert stammt, wo die Konvergenz der Forderungen es ermöglicht, ein allgemeines Anwachsen, dann ein Programm und schließlich den Wahlsieg aufzubauen. Hier interessieren sich die Demonstranten nicht für ein Wahlprogramm und sind der Ansicht, dass Wahlen nur die Kraft ihrer Bewegung abbremsen würden. Demgemäss ist es keine soziale Bewegung, sondern eine unmittelbar politische Bewegung».

Die gegenwärtige Bewegung zeigt auch eine Tendenz, dass die Massen die Dinge selbst in die Hand nehmen, sich organisieren, alle Arten von Verhandlungen ablehnen – dieselben Verhandlungen, die durch die falschen Verdrehungen gekennzeichnet sind, an die wir uns von den Gewerkschaftsbürokratien gewöhnt hatten – und nicht zögern, zur Konfrontation überzugehen. All das stört die herrschenden Klassen. Genau darum geht es, wenn sie sich über den «ungreifbaren» Charakter der Bewegung beschweren, über die Tatsache, dass es keine anerkannten Führer gibt, die verhandeln können, über «identifizierbare Gesprächspartner», die in der Lage sind, Demonstrationen in einem vorgegebenen Rahmen zu halten und zu überwachen, usw.

Die strategische Überraschung der gelben Westen: Die Bourgeoisie hatte die Möglichkeit einer Revolution beerdigt

Dass in einer der wichtigsten imperialistischen Mächte wie Frankreich das Gespenst der Revolution wieder umgeht, verändert die Koordinaten der Weltsituation erheblich. Diese war bisher vor allem nach dem qualitativen Sprung durch die Krise 2008-2009 durch eine Zunahme geopolitischer Spannungen und innerimperialistischer Rivalitäten, durch den Anstieg des Rechtspopulismus oder des reaktionären und arbeiterfeindlichen Bonapartismus gekennzeichnet. Die aktuelle Bewegung führt die Hypothese des gewaltsamen Einbruchs der Unteren in die allgemeine Gleichung ein, ein Element, das die Bourgeoisie in den Mülltonnen der Geschichte ausgelagert hatte. Besessen von ihrem Triumphalismus nach dem Fall der Berliner Mauer, des Eindringens des Kapitalismus in China, der Verallgemeinerung und Konsolidierung der neoliberalen Offensive und der damit einhergehenden Globalisierung des Kapitals hatte die Bourgeoisie Klassenkonflikte und damit die Möglichkeit der Revolution aus ihrem eigenen Horizont endgültig verbannt. So zögerten sicherlich seine zynischsten, aber auch luzidsten Vertreter, wie Warren Buffet, einer der reichsten Männer der Welt, noch vor wenigen Jahren nicht zu sagen, dass der Klassenkampf weitergeht, dass es aber ihre Klasse sei, die gewonnen hätten. Aber der harte, plötzliche und gewalttätige Ausbruch des Klassenkonflikts, den wir in den letzten Wochen in ganz Frankreich und auf der Insel La Réunion erlebt haben, überrascht verschiedene Segmente einer Bourgeoisie, die durch ihre historische (Selbst-)Blindheit gekennzeichnet ist. Das bezeugt einer ihrer organischen Intellektuellen, der an die Seiten von Les Echos, Financial Times oder Die Welt gewöhnt ist, Dominique Moïsi: «Als ich am 1. Dezember auf den Straßen «meines Viertels» zwischen Place de la Madeleine und Place Saint-Augustin spazieren ging, dachte ich an das Buch von Victor Hugo Choses vues und vor allem an die Seiten, auf denen er die revolutionären Bewegungen der 1830er Jahre beschrieb. Darin hob er den unglaublich beschränkten Horizont der Tragödie hervor. Eine Straße war durch noch rauchende Barrikaden blockiert, während die andere, nur wenige Dutzend Meter entfernt, völlig friedlich war. Auch ich hatte das Gefühl, eine verwirrende und weitgehend unverständliche Geschichte zu erleben. Es war eine Sache, das Ausmaß von Wut und Verzweiflung in den Vereinigten Staaten nicht verstanden zu haben. Aber in meinem eigenen Land? Wie konnte ich diesen langsamen und unwiderstehlichen Anstieg der Verzweiflung übersehen? Ich versuchte, meinem britischen Freund die Tiefe meiner intellektuellen und emotionalen Verwirrung zu erklären.

Am Anfang war die mangelnde Vorbereitung des bürgerlichen Staates angesichts der vorrevolutionären Situation

Wenn es einen Bereich gibt, in dem sich der erwähnte strategische Vorteil der Gelben Westen hätte manifestieren können, zumindest bis zu Akt IV und der teilweisen Übernahme der Situation durch den bürgerlichen Staat, dann im Bereich der Polizei. Zu viele Jahre Neoliberalismus und die Domestizierung sozialer Konflikte haben die Aufmerksamkeit der repressiven Kräfte verringert, was sich in den ersten Wochen der Mobilisierung, insbesondere bis zum 8. Dezember, zeigte. Routinemäßige, repressive Gewohnheiten haben die Polizei nicht auf eine neue Art von Gewalt vorbereitet, die, wie die Historikerin und Spezialistin der französischen Revolution, Sophie Wahnich, betont, äußerst entschlossen ist. «Es dominiert das Gefühl, sagt sie, dass die in den Mobilisierungen geäusserte Gewalt eine zurückgegebene Gewalt ist. Dies hat etwas Revolutionäres an sich, auf diese Weise die erlittene Gewalt umzukehren. Damit Gewalt für viele Menschen akzeptabel, ja legitim erscheint, muss es vorher viel Zurückhaltung gegeben haben. Was geschieht, ist ähnlich wie die Einnahme der Tuilerien, die nicht zu Beginn der Französischen Revolution stattfindet, sondern nach ruhigen Versuchen, Forderungen zugunsten der Gerechtigkeit zu stellen; dies hat nicht funktioniert. Das schafft eine etwas härtere Form der Gewalt, weil man sie für unvermeidlich hält. Wir sagen seit zwanzig Jahren, dass es nur «platzen» kann, also können wir es, wenn es denn kracht, nicht völlig unlogisch oder illegitim finden.

Auf einer anderen Ebene, seit der Ermordung von Malik Oussékine durch die Polizei im Jahr 1986, hat sich die Strategie der Abschreckung gegen soziale Konflikte in städtischen Gebieten nicht geändert, aber die angewandten Taktiken stießen an ihre eigenen Grenzen, wie die Unruhen zeigen, die die Demonstrationen in Paris und den Regionen am 1. Dezember kennzeichneten. Nach intensiven internen Diskussionen kehrte die Polizei am 8. Dezember zu einem «Manöverkonzept» zurück, das die Moral der in der Woche zuvor gedemütigten Repressionskräfte wiederherstellte. Wie Jean-Dominique Merchet, Spezialist für Sicherheitsfragen, in den Kolumnen von L’Opinion betont, «bestand die am Samstag [8. Dezember] durchgeführte Taktik darin, die Mobilität zu fördern – die CRS wären rund fünfzehn Kilometer in der Hauptstadt herumgereist – und «gemischte Einheiten» einzusetzen, Uniform- und Zivilpersonal zu mischen, wobei letzteres aus dem BAC und BIS nach vorheriger Zustimmung der Staatsanwaltschaft in die Kriminalpolizei eingreifen konnte. Dieses Schema wurde vorletzte Woche nicht erfunden. Tatsächlich ist es mehr als dreißig Jahre alt. Damals war es ein «Erfahrungsgewinn» (RETEX) der Polizeiarbeit, die 1986 zum Tod von Malik Oussekine führte. Diese Arbeit wurde von Polizeikommissar Philippe Massoni und Sicherheitsexperten wie Jean-Marc Berlioz und Alain Bauer durchgeführt. Aber in den Kreisen um den Place Beauvau befürchten viele, dass Polizei und Gendarmerie nicht jede Woche mit Ereignissen dieser Größenordnung zurechtkommen können, da 96% der mobilen Einheiten (CRS und Gendarmen) an einem Tag wie Samstag, dem 8. Dezember, eingesetzt wurden.

Zusätzlich zu diesen taktischen Problemen hat der Fokus der Sicherheitsdienste auf die Vororte und in einer zweiten Phase auf Terrorismusfragen die Aufmerksamkeit der staatlichen Dienste von der sozialen Frage abgelenkt, die zum Hauptbrennpunkt des Protestes gegen den bürgerlichen Staat werden könnte. Schlimmer noch, der repressive Apparat wurde genauso behandelt, mit der gleichen Rechnungslogik wie andere staatliche Dienste in der Zeit des Neoliberalismus, nämlich als überflüssige oder übertriebene Kosten, und es wurde gekürzt, ganz unbekümmert um Fragen des Sozialprotestes. So löste Nicolas Sarkozy selbst mehrere CRS-Unternehmen auf. Aber, wie ein Sicherheitsexperte nach den «Ausschreitungen» am 1. Dezember betonte, ist die Strafverfolgung wie ein Feuerlöscher: Normalerweise sind sie nutzlos, aber im Brandfall unerlässlich. Aber als Paris und die Region in Brand zu geraten begannen, war die Polizei überwältigt und zeigte große Verletzlichkeit.

Es ist dieses Bild, das der monströse und massive Strafverfolgungsapparat am 8. Dezember versuchte, die Erinnerungen zu löschen, mit relativen taktischen Erfolgen bei der Strafverfolgung, aber mit einem erheblichen Verlust der Legitimität der Repression. Hinter der Aufdrängung eines Bildes der Stärke steht letztlich die Schwäche. Das ist es, was der Kriminologe Sebastian Roché zu Recht über den vorletzten Tag der Mobilisierung feststellt: «Ja, es wurde ein geeigneter, aber verbesserungswürdiger Kompromiss zwischen dem Schutz der Institutionen und den Rechten der Demonstranten gefunden. Dieser außergewöhnliche Mechanismus zeigt jedoch nicht nur seine Stärke, sondern signalisiert auch die Schwäche des Staates. Die Wiederholung von Zusammenstößen mit der Polizei, bestimmte Bilder von Aktionen wie die etwa hundert Studenten in Mantes-la-Jolie auf den Knien oder der unnötige Einsatz von Flash-Ball verdeutlichen, dass Gehorsam aus Gewalt und nicht aus Legitimität resultiert. Die Polizeiordnung auf den Straßen ist nicht die Legitimität der Macht. Wenn sie sich nur auf sich selbst verlassen muss, ist die Regierung bedroht: Das Polizeisystem befindet sich an seinem Zäsurpunkt. Ihre Aufgabe besteht vor allem nicht darin, die politische Legitimität zu ersetzen.

Wenn sich die Bourgeoisie nämlich mehr und mehr auf eine repressive Strategie verlassen muss, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, nehmen die politischen Risiken zu. Wie der Historiker Gérard Noiriel sagt: «Wir leben in einer viel friedlicheren Gesellschaft als bisher. Unsere «Toleranzgrenze» für Gewalt ist deutlich gesunken. Die seit Samstag auf einer Schleife ausgestrahlten Bilder vermitteln das Gefühl einer sehr gewalttätigen Show. Tatsächlich gab es in der Geschichte der sozialen Bewegungen viel Schlimmeres! So wurde beispielsweise in Fourmies, in Nordfrankreich, die Arbeiterdemonstration vom 1. Mai 1891 von den Truppen mit Blut unterdrückt. Das Ergebnis: 9 Todesfälle. Näher am Wohnort kamen bei den großen Streiks 1947-1948, die als «aufrührerisch» dargestellt wurden, Dutzende von Arbeitern ums Leben. Heute führt die Befriedung der sozialen Beziehungen zu einer Rationalisierung der Anwendung von Gewalt, die Polizei ist verpflichtet, Zurückhaltung zu üben, was die Verursacher ermutigt. Das Schlimmste für die Regierung wäre, wenn es ein Opfer auf der Seite der Gelben Westen gäbe, das der Polizei zuzurechnen ist. In der Vergangenheit endeten diese Bewegungen immer im Blut. Sogar Georges Clemenceau, Macrons Referenz, wurde von den Menschen gehasst, als er die Weinrevolte von 1907 gewaltsam unterdrückte. Diese Art der Auflösung eines sozialen Kampfes ist nicht mehr möglich. Das heißt, im Falle eines «Fehlers» durch die repressiven Kräfte besteht früher oder später die Gefahr, den Widerstand zu radikalisieren, anstatt ihn zu begrenzen. Der Kriminologe Alain Bauer sagt: «Die repressive Reaktion ist nie mehr als eine zweitbeste. Sie ermöglicht es, Aufstände einzudämmen, den Dialog wieder aufzunehmen und Konsultationen einzuleiten. Aber es hat nie eine Revolution verhindert.»

Die historische Tragweite der Gelben Westen: Auf dem Weg zu einer neuen Aktualität der Revolution?

Über die unmittelbaren Ergebnisse hinaus hat der revolutionäre Aufstand der Gelben Westen bereits eine historische Bedeutung: Das Gespenst der Revolution, das seit den 1970er Jahren in den imperialistischen Ländern abwesend war, erlebt ein Comeback. Es war ein starker Gegentrend, ja sogar ein abruptes Ende des Zyklus, der durch den Fall der Berliner Mauer eingeleitet wurde, der den ideologischen Sieg der Bourgeoisie markierte, als die Revolution nach der Katastrophe des «wirklich existierenden Sozialismus» und des Schadens, der der Organisation und dem Bewusstsein der Arbeiterklasse durch den stalinistischen Totalitarismus zugefügt wurde, weder möglich noch wünschenswert war; dies wurde von der Bourgeoisie doppelt ausgenutzt, um zu bekräftigen, dass der Kapitalismus und das bürgerliche demokratische Regime ein unüberwindbarer politischer und sozialer Horizont waren.

Alle «neuen» strategischen Hypothesen, die während dieses historischen Interregnums formuliert wurden, während dem die Merkmale der imperialistischen Ära, nämlich Krisen, Kriege und Revolutionen, geleugnet oder unterschätzt wurden, treten nun offen in den Vordergrund; dies gilt sowohl für den Neoreformismus [1] als auch für «breite antikapitalistische Parteien ohne strategische oder programmatische Grenzen», beide im Gewande der neuen modische Strategie des «linken Populismus», der seinerseits von den Ereignissen vollständig getrennt ist [2]. Das bedeutet nicht, dass sowohl der linke Populismus als auch der protektionistische rechtsgerichtete Lepénist nicht versuchen, aus dieser Bewegung Kapital zu schlagen, sobald der laufende Prozess sich erschöpfen oder die Stossrichtung ändern würde.

Die offen verräterische Rolle der Gewerkschaftsführungen bei der Verteidigung der bürgerlichen Ordnung ist das Haupthindernis für den Eintritt der Arbeiterbewegung aus den großen Fabriken und den strategischen Unternehmen und Dienstleistungen in den Kampf. Dies würde eine Verallgemeinerung des Streiks und die Verwirklichung des Generalstreiks ermöglichen; dies wäre der einzige Weg, die derzeitigen subversiven Tendenzen in eine mächtige Waffe umzuwandeln, die in der Lage ist, Macron und die Regierung zu brechen. Der Preis, den die gewerkschaftlichen Bürokratien und insbesondere die CGT für ihre kriminelle spalterische Haltung und für die endgültige Legitimation der Repression gegen die Gelben Westen zahlen müssen, könnte sich jedoch als sehr hoch erweisen. Dies zeigt sich an der Häufung von Zeichen der Ablehnung gegenüber Philippe Martinez, dem Generalsekretär der CGT. Die Schwächung dieser reformistischen Vermittlungsbemühungen der Linken ist auf die Stärke und die Natur der gegenwärtigen Bewegung sowie auf ihre radikalen Methoden zurückzuführen, die Ausgangspunkt für die Massenbewegung in ihren neuen Kämpfen sein werden und mit denen ein geschwächter Macron in Zukunft zu kämpfen haben wird.

Seit den revolutionären Ereignissen, die Frankreich und die Insel La Réunion erschüttert haben, gibt es keinen Grund mehr für den historischen Pessimismus der extremen Linken. Offensichtlich ist die Bewegung nicht ohne Widersprüche, und die Zukunft der gegenwärtigen Welle von Kämpfen ist noch lange nicht geschrieben. Die strategische Schwäche der Bewegung der Gelben Westen erfordert, dass sie durch spektakuläre Aktionen kompensiert wird, die es ihr nicht erlauben, über eine langfristige Strategie nachzudenken. Daher die Dringlichkeit der Aufgabe, in dieser Bewegung Ansätze zur Selbstorganisation zu entwickeln. Aber im Gegensatz zu den Lektionen, die einige rote Lehrer aus der aktuellen Bewegung ziehen, während sie ihre Externalität beibehalten – weil sie sich nicht genügend an den «klassischen Formen des Klassenkampfes» orientiert – bekräftigen wir, dass ihre Entwicklung in eine progressive Richtung oder zu einem möglichen Sieg nicht das Ergebnis einer Analyse oder Spekulation, sondern das Ergebnis einer strategischen Aufgabe sein wird. Aber diese Herausforderung wird nicht in gleicher Weise bewältigt, je nachdem, ob die Betonung eher auf den «Grenzen» oder umgekehrt mehr auf dem «Umfang» der Bewegung gelegt wird. Schließlich, wie Gramsci schrieb, «kann man in Wirklichkeit «wissenschaftlich» einzig und allein den Kampf vorhersehen».

Quelle: revolutionpermanente.fr… vom 17. Dezember 2018; Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch

[1] Wie der katalanische Journalist und Korrespondent von La Vanguardia in Paris Rafael Poch betont, «ist dies das erste Mal seit der edlen griechischen Revolte, die von Syriza dramatisch verraten wurde und der Erschöpfung der Bewegung der Indignad@s in Spanien, dass der soziale Faktor in der EU eine Rolle spielt, und zwar in klarer und einfacher Form – mit einer offensichtlichen Klassenzusammensetzung – seit der Krise von 2008. Das Glas floss über. Wir müssen zusehen, welche Folgen dies in anderen Ländern haben könnte, verglichen mit dem, was wir im Jahr 2011 den 1848er Effekt nannten.»

[2] Wie eine Kolumne in der New York Times es ausdrückte, unterscheidet sich die französische Revolte dadurch, dass sie nicht dem üblichen Skript populistischer Bewegungen folgte: «Sie ist nicht mit einer politischen Partei und noch weniger mit einer rechten Partei verbunden. Sie konzentriert sich nicht auf Rasse oder Einwanderung, und diese Themen erscheinen nicht in der Liste der Forderungen der Gelben Westen.

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