AHV: Doppelt so reich wie im Jahr 2000
Gery Schwager. 2019 schrieb die AHV rund 1,5 Milliarden Franken Gewinn. Ihr Vermögen ist riesig. Und ab Januar wurden die Beiträge noch erhöht. Trotzdem verstummen die Schwarzmaler nicht.
Man darf von einem Superjahr sprechen: 2019 betrug die Rendite auf dem Anlagevermögen des AHV-Fonds 9,62 Prozent. Das ist der höchste Wert, seit die Ausgleichsfonds für die Sozialwerke AHV, Invalidenversicherung (IV) und Erwerbsersatzordnung (EO) Anfang 2011 getrennt wurden (siehe Grafik im PDF).
Die positiven Anlagerenditen der vergangenen Jahre halfen kräftig mit, das Vermögen der AHV in die Höhe zu treiben. Aktuell beläuft es sich auf rund 45 Milliarden Franken. Die AHV ist damit etwa doppelt so reich wie im Jahr 2000. Schon damals beliefen sich ihre Reserven auf 22,7 Milliarden Franken.
Die positiven Kapitalerträge entschärften auch das Problem der Umlagedefizite: Ab 2014 gab die AHV zwar in jedem Jahr mehr Geld für Renten aus, als sie an Beiträgen einnahm. Doch das daraus resultierende Minus konnte sie in vier der sechs Jahre dank den Erträgen aus der Vermögensanlage in ein stattliches Plus verwandeln. 2019 betrug dieses wohl rund 1,5 Milliarden Franken – genaue Zahlen werden Anfang April bekannt gegeben.
Hohes Vermögen, gute Renditen – der AHV geht es nach wie vor blendend. Trotzdem prophezeien Politiker und Wirtschaftsvertreter der AHV fast im Wochentakt eine rabenschwarze Zukunft. Sie stützen sich meist auf die stets pessimistischen Prognosen des Bundes, die jedoch auf wackligen Füssen stehen (K-Tipp 13/2019).
Im Februar 2013 etwa sagte der damalige Direktor des Arbeitgeberverbands, Thomas Daum, im Schweizer Fernsehen: «Das gute Anlageergebnis der AHV im Jahr 2012 ist nur ein Tropfen auf den heissen Stein.»
Ähnliches war auch in den Folgejahren regelmässig zu hören, ergänzt durch den Verweis auf die angeblich immer älter werdende Bevölkerung. In den Medien lautete der Tenor fast unisono: «Die Sanierung der AHV erträgt keinen Aufschub.»
Lamentieren trotz Milliardengewinn
Besonders laut ertönten diese Stimmen jeweils nach der Präsentation der Anlageresultate durch die Compenswiss, die die Vermögen von AHV, IV und EO verwaltet. So prognostizierte Compenswiss-Präsident Marco Netzer Anfang 2016, dass das AHV-Fonds-Vermögen innert acht Jahren um 10 Milliarden Franken schrumpfen werde. Und sein Nachfolger Manuel Leuthold meinte zwei Jahre später, nachdem das Vermögen allen Unkenrufen zum Trotz um 1,5 Milliarden Franken angestiegen war: «Nach zehn Jahren des ununterbrochenen Wachstums ist es schwierig zu denken, dass der Trend ewig so weitergeht.»
Auch dieses Jahr sieht Leuthold wieder dunkle Wolken am Horizont. Trotz Milliardengewinn im vergangenen Jahr. Und obwohl der AHV nach dem Ja des Stimmvolks zur Prämienerhöhung im Mai 2019 jetzt jährlich zwei zusätzliche Milliarden zufliessen. Leuthold meinte jüngst in einem Interview: «Der AHV-Ausgleichsfonds wird deswegen nicht 2030 leer sein, sondern erst 2035.»
Allerdings: Diese zeitliche Verschiebung ist alles andere als unbedeutend. Denn ein Blick auf die Bevölkerungsentwicklung zeigt, dass es im Laufe der 2030er-Jahre zu einer spürbaren Entlastung der AHV kommt. Grund ist der Pillenknick, der die Geburtenzahl in den Jahren 1964 bis 1978 um fast 40 Prozent sinken liess. Entsprechend wird die Zahl der Neurentner ab 2030 stark zurückgehen. Der geburtenstärkste Jahrgang der Babyboom-Generation, die 1964 Geborenen, erreicht 2028/2029 das Pensionsalter.
Sinkende Ausgaben, steigende Einnahmen
Und der nächste Babyboom ist bereits Tatsache: Ab 2005 stiegen die Geburtenzahlen wieder deutlich. In den 30er-Jahren kommen die neuen Babyboomer mit Jahrgängen ab 2015 ins Erwerbsalter, werden also zu AHV-Beitragszahlern. Für die AHV bedeutet dies unter dem Strich: Sie darf im Laufe der 2030er-Jahre mit sinkenden Ausgaben und steigenden Einnahmen rechnen. Es gibt gute Gründe, ihre finanziellen Aussichten optimistischer zu beurteilen, als es die notorischen Schwarzmaler tun.
Bund nahm 13 Mrd. aus der AHV-Kasse
Mit einem Vermögen von rund 45 Milliarden Franken verfügt die AHV über ein solides Fundament. Sie stünde noch besser da, wenn ihr der Bund in der Vergangenheit nicht mindestens zweimal viel Geld entzogen hätte:
Von 1999 bis 2019 floss ein Teil der Einnahmen aus dem Mehrwertsteuer-Demografieprozent in die Kasse des Bundes, obwohl die Einnahmen laut Verfassung voll und ganz der AHV hätten zukommen müssen («Saldo» 19/2017). Der AHV blieben so über 8 Milliarden Franken vorenthalten.
Im Zusammenhang mit der Sanierung der Invalidenversicherung liess der Bund Anfang 2011 als Startkapital 5 Milliarden Franken in den neu geschaffenen IV-Fonds fliessen. Das Geld entnahm er dem AHV-Vermögen.
Verglichen mit diesen Milliardenbeträgen fallen die 2015 von der Nationalbank eingeführten Negativzinsen bescheiden ins Gewicht (K-Tipp 5/2019). Sie kosteten die AHV nach eigenen Angaben bis Ende 2019 rund 7 Millionen Franken.
Quelle: K-Tipp 03/2020… vom 12. Februar 2020
Tags: Altersvorsorge, Neoliberalismus, Politische Ökonomie, Widerstand
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