Schweiz
International
Geschichte und Theorie
Debatte
Kampagnen
Home » Geschichte und Theorie, International, Kampagnen

Chile 9/11: Blutiger neoliberaler Putsch gegen demokratische Regierung

Eingereicht on 11. September 2020 – 14:24

„Am 4. September 1970 gewinnen Salvador Allende und die Unidad Popular die Präsidentschaftswahlen in Chile und damit geschah etwas, das in der Geschichte Chiles, Lateinamerikas und der Welt bis dahin noch nicht passiert ist: Ein Sozialist wird demokratisch an die Regierung eines kapitalistischen Staates gewählt. Die Siegesfeier in der Nacht vom 4. auf den 5. September ist bis heute in das kollektive Gedächtnis von Millionen Chileninnen und Chilenen eingebrannt und Salvador Allende sagte später über diese Nacht: „Die Linke, die Arbeiter, die Bauern, die Angestellten (…) haben in Chile gesiegt. In der Nacht des Sieges kamen 250.000 Menschen zusammen. Es gab nicht ein abgefackeltes Auto, kein eingeworfenes Fenster und keiner unserer Gegner hätte behaupten können, dass wir ihn gekränkt haben, nicht einmal verbal.

Im Gegensatz dazu haben die Sektoren, die die Wahl verloren haben, die extreme Rechte, versucht, unsere Wirtschaft zu sabotieren, und sie besitzen noch immer Söldner, die Bomben legen, also wo bleibt die Demokratie?“ Dies gibt die Strategie und die Realität der chilenischen Bewegung zum Sozialismus sehr gut wieder. Die chilenische Linke hat im Gegensatz zu vielen sozialistischen Projekten niemals versucht, durch Gewalt die Macht zu erringen, sondern versucht, sich an die Spielregeln der bürgerlichen Demokratie zu halten und so ihre Ziele durchzusetzen. Währenddessen hielten sich die Teile, die behaupteten, die bürgerliche Demokratie zu verteidigen, niemals an diese Regeln…“ – aus dem Beitrag „50 Jahre des Sieges des chilenischen Wegs zum Sozialismus“ von Robert Kohl Parra am 05. September 2020 bei der Freiheitsliebe zum Wahlsieg der UP (wozu es am 11.9. ebd. einen zweiten Teil gibt, der vom Putsch Pinochets und seiner Hinterleute handelt). Siehe zum Jahrestag des Wahlsieges, zum Putsch und zu Kontinuitäten in Chile drei weitere Beiträge:

  • „Es war ein Privileg dabei zu sein“ von Nils Brock, Álvaro Garreaud und Pamela Cuadros am 29. August 2020 bei nd onlinezum damaligen Wahlsieg und seiner Bedeutung unter vielem anderem aus drei Erinnerungen: „… »Um unser Gebäude herum marschieren Gruppen mit roten Fahnen, holt mich hier raus!« Zufällig hört Dierk von Drigalski 1972 den aufgeregten Anruf des Geschäftsführers der Bayer AG aus Santiago de Chile mit, als er gerade die Geschäftsleitung in Leverkusen besucht. Drigalski, der für den Chemiekonzern bis dato ein Joint Venture in Indonesien betreut hatte, bietet sich sofort als Ersatz an – nicht weil er in Südamerika das große Geld wittert, sondern weil ihn »dieses fantastische Experiment eines Sozialismus mit bürgerlichen Freiheiten« so interessiert. Er überredet seine Partnerin Greta, ihm »in ein ihr völlig unbekanntes Land zu folgen« und ist schon einige Wochen später vor Ort, um »den Laden wieder zum Laufen zu bringen«, vor allem die Pflanzenschutzmittelsparte. Kein leichtes Unterfangen: Das Werk wird zeitweilig besetzt, es fehlt an Rohstoffen, es kommt zu Streiks. Drigalski ist als politischer Vermittler gefragt. Vermuten die Funktionäre der staatlichen Planungsbehörde Odeplan in Drigalski anfangs nur einen weiteren Gringo, der sich bei ihnen über Profiteinbußen beklagen will, ändern sie ihre Meinung bald. Besonders bei einer Staatssekretärin und Vertreterin der Kommunistischen Partei findet er mit seinen Argumenten Gehör, dass die Herstellung bestimmter Pestizide Priorität haben müsse, um die Grundversorgung mit lebenswichtigen Agrarerzeugnissen zu gewährleisten. Doch seine Idee eines Quasi-Joint Ventures zwischen Bayer und dem chilenischen Staat scheitert an Widerständen innerhalb der Linken. So bleibt Drigalski oft in der Rolle des kritischen Zuschauers gefangen. Die Verstaatlichung von ländlichen Familienbetrieben kritisiert er als kontraproduktiv, da damit die Wählerbasis der Mittelklasse verprellt würde. Ebenso enttäuscht ist er von der geringen Wirtschaftshilfe der UdSSR für das chilenische Brudervolk. Die kommunistische Supermacht sei schlicht nicht »interessiert gewesen an einem Sozialismus mit demokratischen Werten«. Während des Fuhrunternehmerstreiks 1972, mit dem die chilenische Rechte die Regierung in die Knie zwingen will, stellt Dirgalski die Infrastruktur von Bayer in den Dienst der Notversorgung der Bevölkerung…“
  • „Salvador Allende und die Unidad Popular“ ist unser Lesetipp – der Band 28 der Bibliothek des Widerstandes im Laika-Verlagin dessen Vorstellung es heißt: „… Mit dem Sieg des linken Wahlbündnisses, der Unidad Popular, im Herbst 1970 kam eine sozialistische Regierung an die Macht, die für einen grundlegenden Wandel stand und sofort Land-, Bildungs- und Sozialreformen umsetzte. Im Mittelpunkt dieses Sammelbandes stehen AkteurInnen und Maßnahmen der Unidad Popular. Die Beiträge über die Teilnahme von Stadtteilbewegungen, Gewerkschaften, Basis-Kirche und Kulturbewegung an der Unidad Popular verdeutlichen die Vielschichtigkeit ihrer Politik. Sie diskutieren Ansätze und Probleme, Fehler und Erfolge der bisher einzigen sozialistischen Regierung Chiles. Diesem Band liegen 6 Filme auf 2 DVDs bei...“
  • „Proteste in Chile: Damals gegen Pinochet, heute gegen Piñera“ von Sophia Boddenberg am 08. Juli 2020 bei amerika21.deerinnerte an die Proteste gegen die Diktatur im Jahr 1986 und unterstrich Kontinuitäten: „… In mehreren Städten Chiles haben Menschen am vergangenen Donnerstag und Freitag demonstriert, um an die Protesttage am 2. und 3. Juli 1986 während der Pinochet-Diktatur zu erinnern. Gleichzeitig verliehen die Demonstrierenden ihrem Unmut gegen die Regierung von Sebastián Piñera Ausdruck, die sie ihrer Meinung nach während der Corona-Krise im Stich lässt. Die Carabineros de Chile, die militarisierte Polizei, ging dabei gewaltsam gegen die Proteste vor. 137 Menschen wurden landesweit festgenommen, die meisten davon in der Hauptstadt Santiago. In Melipilla wurde ein junger Mann erschossen. Bisher ist unklar, wer auf ihn geschossen hat. In Villa Francia in der Hauptstadt Santiago wurde eine schwangere Frau von einem Tränengasfahrzeug der Carabineros angefahren…“
  • Siehe zum Hintergrund unsere gesamte Rubrik: Internationales » Chile » Geschichte: Diktatur und Aufarbeitung, u.a. das Dossier von 2013: Der andere 11. September – 40 Jahre danach…

Quelle: labournet.de… vom 11. September 2020

Tags: , , , , ,