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Laut Lancet sind weit mehr Menschen in Gaza gestorben als gemeldet

Submitted by on 16. Mai 2025 – 11:04

Die tatsächlichen Opferzahlen im Gaza-Krieg sind unbekannt. Nun hat The Lancet dazu eine Forschungsarbeit vorgestellt, die zu dem Schluss kommt, dass die Zahl der Toten weitaus höher ist als offiziell aus Gaza gemeldet.

The Lancet hat eine Forschungsarbeit über die wahrscheinlichen Opferzahlen des israelischen Vernichtungskrieges in Gaza veröffentlicht, über die der britische Economist berichtet hat. Ich übersetze zunächst den Artikel des Economist und füge dann noch einige kurze Anmerkungen hinzu, weil der Economist-Artikel etwas umständlich formuliert ist.

Beginn der Übersetzung:

Wie viele Menschen sind in Gaza gestorben?

Neue Forschungen legen nahe, dass es mehr Tote gibt, als aktuell berichtet.

Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen im Oktober 2023 ist die Zahl der Todesopfer heiß umstritten. Es ist sehr schwierig, die Todesopfer in einem noch andauernden Krieg zu zählen. Aber Experten versuchen trotzdem, den Überblick zu behalten. Und neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die gemeldeten Zahlen zu niedrig sind.

Die genauen täglichen Zählungen aus Gaza sind ungewöhnlich. Aus der Ukraine gibt es keine vergleichbare Bilanz. Doch während dieses Krieges, wie auch in früheren, haben die von der Hamas kontrollierten Behörden des Gazastreifens detaillierte Angaben darüber veröffentlicht, wie viele Palästinenser getötet wurden. Zweifel an diesen Zahlen sind berechtigt. Die Hamas hat vermutlich einen Anreiz, die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung aufzublähen. Nach dem Ende früherer Konflikte entsprachen die Schätzungen Israels und der UNO hinsichtlich der Zahl der Todesopfer allerdings in etwa denen, die während der Kämpfe veröffentlicht wurden. Dieser Krieg ist weitaus umfassender und dauert länger als alle vorherigen. Viele der Institutionen, in denen Todesfälle verzeichnet werden, wie etwa Krankenhäuser, wurden zerstört.

Bis zum 5. Mai gab das Gesundheitsministerium an, dass im Krieg 52.615 Menschen ums Leben gekommen seien. Wie in früheren Kriegen wird bei der Zählung nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten unterschieden. Im Januar schätzte Israel, dass etwa 20.000 der Getöteten Militante waren.

Um die offizielle Gesamtzahl zu ermitteln, verwendet das Ministerium zwei Listen: eine auf Grundlage von Angaben der Krankenhäuser, die andere aus einer Online-Umfrage, in der Menschen Todesfälle gemeldet haben, dazu kommen weitere Daten, vermutlich von Verstorbenen, deren Identität noch nicht geklärt ist. In einer aktuellen Studie im Lancet untersuchten Forscher diese beiden Listen zusammen mit einer dritten, die sie anhand von Angaben aus Todesanzeigen in sozialen Medien zusammenstellten (wobei sie nur Todesfälle aufgrund traumatischer Verletzungen berücksichtigten). Alle drei Listen enthielten die Namen und in der Regel auch das Alter und Geschlecht der Toten. Einige hatten auch eine ID-Nummer. Unabhängige Ermittler haben bestätigt, dass die Personen auf den beiden Listen des Ministeriums mit ziemlicher Sicherheit gestorben sind.

Die Forscher ignorierten die offizielle Gesamtzahl des Ministeriums. Stattdessen untersuchten sie die Überschneidungen zwischen den drei Listen und verwendeten dazu Daten vom Beginn des Krieges bis zum 30. Juni 2024. Anhand dieser Informationen schätzten sie, wie viele Menschen vermutlich gestorben waren, und verglichen diese Zahlen dann mit der offiziellen Gesamtzahl des Ministeriums. Wenn also alle 30-jährigen Männer auf einer Liste auch auf den anderen beiden erschienen, könnten alle derartigen Todesfälle gezählt werden. Wenn die drei Listen jedoch unterschiedliche Namen hätten, wäre jede Liste möglicherweise sehr unvollständig.

Die Forscher stellten fest, dass die Überschneidung so gering war, dass die tatsächliche Zahl der Todesfälle wahrscheinlich 46 bis 107 Prozent höher ist als die offizielle Gesamtzahl des Ministeriums. Geht man davon aus, dass das Verhältnis seit dem vergangenen Juni gleich geblieben ist (und nicht gesunken ist, wie etwa als Systeme während des Waffenstillstands zusammengeführt wurden) und wendet diese Zahlen auf die aktuelle Bilanz an, so würde das bedeuten, dass zwischen 77.000 und 109.000 Bewohner von Gaza getötet wurden, also 4 bis 5 Prozent der Vorkriegsbevölkerung des Gebiets.

Es besteht weiterhin große Unsicherheit. Die Listen enthalten Fehler. Seit Kriegsbeginn sind 3.952 Menschen auf einer der beiden Listen des Gesundheitsministeriums aufgetaucht und wurden anschließend wieder von der Liste gestrichen. Hamas-Kämpfer, vermutlich junge Männer, fehlen möglicherweise überproportional häufig auf den Listen (vielleicht wollte die Gruppe ihre eigenen Verluste minimieren), sodass die Zahl der Todesopfer höher sein könnte. Eine unbekannte Zahl, vielleicht Tausende, sind aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung umgekommen. Eine endgültige Zählung der in diesem Krieg getöteten Menschen wird selbst nach seinem Ende schwierig sein. Und das könnte noch lange dauern.

Ende der Übersetzung

Die hier genannten Zahlen berufen sich auf Listen, also auf Todesopfer, die namentlich bekannt sind. Hinzu kommt, dass „nur Todesfälle aufgrund traumatischer Verletzungen berücksichtigt“ wurden, also Todesopfer, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind. Daher dürfte die tatsächliche Opferzahl noch einmal weitaus höher sein, als hier vom Lancet berichtet.

Der Grund dafür ist, dass eine unbekannte (aber wahrscheinlich nicht geringe) Zahl der Opfer unter Trümmern begraben und daher nicht identifiziert und in Listen erfasst sind. Hinzu kommen noch die Todesopfer, die aufgrund der israelischen Blockade an Hunger, Durst und Krankheiten gestorben sind, die ebenfalls nicht in den Listen der „Todesfälle aufgrund traumatischer Verletzungen“ enthalten sind.

Die Zahl der Todesopfer dürfte also die Marke von 100.000 weit überschritten haben, was die Bundesregierung aber nicht daran hindert, Israel bei seinem Völkermord zu unterstützen.

Quelle: anti-spiegel.ru… vom 16. Mai 2025

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