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Solidarität mit den betrieblichen Protesten in Belarus!

Eingereicht on 16. Oktober 2020 – 15:25

„… Unmittelbar nach Beginn des Streiks fiel die Produktion auf 10%. Sofort begann die Unternehmensleitung damit, den Streikenden mit Entlassungen, dem Verlust von Prämien, strafrechtlicher Verfolgung und einer Klage auf Schadensersatz zu drohen. Sie versuchten, andere davon zu überzeugen, sich dem Streik nicht anzuschließen, aber bis zum 18. hatten wir über 6.000 Unterschriften gesammelt. Am 20. begannen echte Repressionen.

Dmitrij Kudelewitsch, ein Mitglied des Streikkomitees, reagierte nicht mehr auf Aufrufe. Später erklärte er, er sei vom KGB – der nie umbenannt wurde – verhaftet worden, aber es sei ihm gelungen zu entkommen und in die Ukraine zu fliehen. In Oslo lebende belarussische Unterstützer demonstrierten vor dem Hauptquartier von YARA International, dem größten Kunden von Belaruskali. Zur gleichen Zeit rief die weltweite Gewerkschaftsföderation IndustriALL und die Belarussische Unabhängige Gewerkschaft ihre Mitglieder in Norwegen dazu auf, zu intervenieren, um von YARA zu fordern, ihre Geschäftspartner in Belarus zu Verhandlungen einzuladen. Am nächsten Tag verschwanden Alesya und Wladimir Loginow, Mitglieder des Streikkomitees. Sie waren von der Polizei in Soligorsk verhaftet worden. Die Polizei blockierte das Auto von Anatoliya Bokun, der grade durch die Stadt fuhr, und nahmen ihn unter falschen Anschuldigungen fest. Der Druck der Polizei auf ein anderes Streikkomiteemitglied, Pawel Setschko, zwang ihn, aus dem Komitee zurückzutreten. Am 23. wurde Roman Leonchika vor seinem Haus verhaftet. Die meisten Beschäftigten, die an ihren Arbeitsplatz zurückkehrten, stellten fest, dass die Versprechen der Unternehmensleitung gebrochen worden waren – ihre Jahresprämien wurden gestrichen und etliche wurden entlassen. Am 24. August rief das Streikkomitee diejenigen, die an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt waren, auf „Arbeit nach Vorschrift zu leisten“ und alle Sicherheits- und Hygieneanweisungen zu befolgen. Wir erhielten die Information, dass 20 Streikende entlassen werden sollten. Darunter befanden sich viele Mitglieder des Streikkomitees…“ – aus dem Gespräch der ISA mit Petr Pechkurov vom Streikkomitee bei Belaruskali „„Der schnurrbärtige König muss gehen!““ am 12. Oktober 2020 beim Sozialismus.info übersetzt – was gleichzeitig auch ein Aufruf zur Solidarität vor allem mit den betrieblichen Aktionen in Belarus ist und Auszüge aus einem vom Streikkomitee erstellten Faltblatt beinhaltet. Siehe dazu auch eine Solidaritätserklärung bundesdeutscher Gewerkschafter bei Lufthansa, die Lukaschenkos Flugzeug Instand setzen sollen – und erste Hinweise darauf, dass sie es bereits tun – sowie den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zu den Massenprotesten in Belarus (worin die betrieblichen Proteste ebenfalls ein wichtiges Thema sind):

„While we are servicing his plane Lukashenko’s forces are beating up workers!“

vom 13. Oktober 2020 ist eine (per E-Mail erhaltene) (englische) Solidaritätserklärung von Lufthansa Technikern aus Hamburg, die wir im Folgenden dokumentieren:

„Dear colleagues!

Today, 13 October 2020, a Boeing 737 with airplane registration number EW-001PA, landed at the Hamburg-Fuhlsbüttel airport. It is destined for Lufthansa Technik, the company we work for. The plane is to be serviced here. It is the plane of Lukashenko, whose forces simultaneously shoot upon demonstrators in Belarus. Despite the dire negotiations we are stuck in due to the current economic crisis, we won’t forget our long tradition of international solidarity and side with the Belarusian workers.  Many of you will already be informed about the current situation in Belarus through the mass media. As unionists we will focus on describing the situation of the workers. Workers’ rights are systematically being cut in Belarus. Regularly, unionists and other oppositionists are being jailed and exposed to humiliations and violence. The majority of the workers have temporary contracts, which they have no right to terminate. The employer, however, can give notice to the worker at any time. The right to free speech as well as the right to form independent unions and the right to strike are heavily curtailed or practically non-existent. Following the presidential elections in August, which were shown to have suffered from massive electoral fraud, mass protests and hitherto unsurpassed strikes have ensued. Our sister union the “Belarusian Congress of Democratic Trade Unions” (БЌДП) is part of these ongoing protests. Since the start of the protests police brutality against peaceful protesters has risen sharply. Due to the rising number of injured and brutally mutilated persons in hospitals, shocked medical staff have organized collective actions to protest against this violence. Workers in large state-owned companies and factories in the chemical, transport, food and construction sectors have started collective actions and formed strike committees. As the regime oppresses organized protests and pressurizes and punishes the leaders of democratic protests, coordinators and members of strike committees are subject to repression, sackings and jail. This situation is unacceptable! Nearly 31 years ago we faced a very similar situation. The Romanian head of state Ceaușescu quelled workers’ protests while we were supposed to service his plane. Jointly we decided to down our tools in order to protest against this action. Then as now, we expect the Lufthansa Technik management to abstain from any sanctions should colleagues decline to service that plane! However, our main demands are directed towards the Belarusian government!  We demand an immediate end to the violent suppression of oppositional protests! Мы патрабуем неадкладнага спынення гвалтоўнага падаўлення апазіцыйных пратэстаў! We demand an unconditional right to strike! Мы патрабуем неабмежаванага права на забастоўку! We demand freedom of organization in independent unions for all workers! Мы патрабуемкаб усе супрацоўнікі маглі свабодна арганізавацца ў незалежных прафсаюзах! We demand Lukashenko’s resignation and truly democratic elections! Мы патрабуем адстаўкі Лукашэнкі і сапраўдных дэмакратычных выбараў! We demand the liberation of all political prisoners and the immediate reinstatement of all workers who have lost their jobs! Мы патрабуем вызвалення ўсіх палітвязняў і неадкладнага аднаўлення тых калегякія страцілі працуLong live international solidarity!“ (ist auch auf Fratzebuch von Ver.di LH Technik Hamburg  dokumentiert)

Siehe zum Hintergrund:

  • Diktatoren-Flugzeug in Hamburg Lufthansa-Arbeiter weigern sich, Maschine zu warten
    Aufruhr bei der Lufthansa Technik in Hamburg: Während der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko Oppositionelle brutal in seinem Land verfolgen lässt, soll sein Regierungsflieger in der Hansestadt gewartet werden. In der Hamburger Belegschaft regt sich Widerstand. Nach MOPO-Informationen steht der Regierungsflieger seit Dienstag am Flughafen Hamburg und soll in diesen Tagen flott gemacht werden. Doch reibungslos verläuft die Abfertigung der Boeing 737 (Kennung EW-001PA) nicht. „Während wir sein Flugzeug warten, lässt Lukaschenko Arbeiter*innen verprügeln!“, heißt es in einem Flugblatt der Gewerkschaft Verdi, das von Vertrauensleuten an die Arbeiter der Lufthansa Technik ausgeteilt wurde. Trotz schwieriger finanzieller Situation und Kurzarbeit verweigerten einige Arbeiter nun die Mitarbeit am Diktatoren-Flieger…” Artikel von Frederik Mittendorff und Svea Esser vom 15.10.20 in der Hamburger Morgenpost online
  • Lufthansa Technik wartet Flugzeug von Lukaschenko – Gewerkschaft protestiert
    Der weißrussische Machhaber Lukaschenko unterdrückt die demokratische Opposition. Den wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland tut dies offenbar keinen Abbruch. In Hamburg wird gerade die Regierungsmaschine des Diktators auf Vordermann gebracht...”Artikel von Christian Burmeister vom 15.10.2020 bei RND

Zu den Protesten in Belarus (und der Rolle der Gewerkschaften dabei) zuletzt: „Rentnerinnen und Rentner demonstrieren – und auch in den Betrieben ist keine „Ruhe“: Proteste in Belarus gehen trotz Schießdrohungen weiter“ am 14. Oktober 2020 im LabourNet Germany

Quelle: labournet.de… vom 16. Oktober 2020

 

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