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Die Korruption in der Pdvsa und die Tragödie der venezolanischen Arbeiterklasse

Eingereicht on 6. Dezember 2017 – 19:34

Miguel Angel Hernández. Die venezolanische Regierung Maduro nutzt die brutale Krise des Unternehmerverbandes MUD weidlich aus, wie auch die Unzufriedenheit und die Ablehnung an der Basis der Unternehmer gegenüber ihrer Parteien und deren wichtigsten Führern.

Dies ist jedoch lediglich eine Kriegslist der regierungsnahen Medien, um die eigene Krise der Regierung zu verdecken; diese findet ihren besonderen Ausdruck, wie zu erwarten war, im Huhn, das die goldenen Eier legt: im staatlichen Erdölkonzern Pdvsa, der zugleich die wichtigste Industrie des Landes darstellt.

Das wahre Gesicht des Chavismus: Die Korruption in der Pdvsa

Über die vergangenen Wochen trug sich bei der Pdvsa wirklich Ernsthaftes zu. Die Medien berichteten über schwere Korruptionsfälle, wobei 65 hohe Manager des Unternehmens in das Gefängnis wanderten, darunter der CEO der Faja Petrolera del Orinoco, Pedro Léon, der Präsident der wichtigsten Tochtergesellschaft der Pdvsa in den USA, Citgo, José Angel Pereira und die Vizepräsidenten Tomeu Vadell, Alirio Zambrano, Jorge Toledo, Gustavo Cárdenas und José Luis Zambrano. Unter den Verhafteten waren auch die Expräsidenten Nelson Martínez und Eulogio del Pino, welcher zugleich Erdölminister war.

Gemäss der Staatsanwaltschaft erstrecken sich die düsteren Machenschaften der Korruption über die Zeitspanne 2010 bis 2017; sie erreichen die astronomische Summe von 35 Milliarden Dollar, mittels Verträgen mit erhöhten Preisen, die sich auf die gemischten Unternehmen Petrozamora und Petropiar, die Tochtergesellschaft Bariven und die östliche Division von der Pdvsa bezogen.

Rafael Ramírez gegen Maduro: Streit um die Erdölrente

Vor diesem Hintergrund hat sich Rafael Ramírez, Expräsident der Pdvsa und Exerdölminister dem Schreiben von Artikeln verschiedenen Medien gewidmet und dabei die Wirtschaftspolitik der Regierung Maduro in Frage gestellt. Iris Valera ihrerseits hat dem Exminister entgegnet und kritisierte ihn hart.

Präsident Maduro selbst gab Valera seine Unterstützung als er bei einem öffentlichen Auftritt verdeckte Anspielungen auf die Erklärungen von Ramírez machte und ihn – ohne seinen Namen zu nennen – warnte, man werde ihn «austrocknen». Nun scheint sich dieses Versprechen zu erfüllen, da Rafael Ramírez auch vom Posten des ständigen Vertreters der Regierung Venezuelas bei der UNO abgesetzt wurde.

Wir sagten immer, dass Ramírez nicht ungeschoren aus diesem Reinemachen [«movida de mata»] herauskommen wird, wenn die Mehrheit der Manager der Pdvsa, die diese über das vergangene Jahrzehnt repräsentierten, nun einer nach dem anderen unter der Anklage der Korruption stürzen. Mit seiner Absetzung ist klar, dass die Regierung ihn direkt im Visier hat.

Die Militärs bauen ihre Vorherrschaft in der Regierung aus

Angeblich um der Korruption in unserer Hauptindustrie ein Ende zu bereiten und einen Prozess der Neuausrichtung einzuleiten, hat Maduro den Generalmajor der venezolanischen Streitkräfte Manuel Quevedo mit der Aufgabe betraut.

Dieser Beamte verfügt über keinerlei Erfahrungen im Erdölsektor. Er leitete das Wohnbauministerium und amtierte während der Proteste von 2014 als Chef des Regionalkommandos Nº 5 der Bolivarianischen Nationalgarde, mit Sitz in Caracas; dort hatte er den Auftrag, die Demonstrationen zu unterdrücken.

Auf diese Weise überschreiten die Militärs die letzte, bislang verwehrte Grenze: diejenige in die Pdvsa. Sie kontrollieren jetzt die wichtigsten Bereiche der Wirtschaft, der Infrastruktur und des Bergbaus. Sie besitzen bereits Firmen, wie etwa Camimpeg, im Bergbau- und im Erdölsektor.

Diese Veränderungen an der Spitze der Pdvsa gehen inmitten eines Niederganges der Erdölproduktion vor sich, die zum ersten Mal innerhalb von Jahrzehnten unterhalb von 2 Millionen Barrel pro Tag liegt. Und in einer Periode, wo das Unternehmen wie das Land von einer milliardenschweren Schuld gebeutelt wird und vor dem Risiko der Zahlungsunfähigkeit steht.

Was bedeutet das alles?

Dass niemand sich täuschen lasse! Es handelt sich nicht um ein wirkliches «Saubermachen» in der Pdvsa, wie Maduro gesagt hat, noch viel weniger darum, dass die Regierung nun entschlossen sei, mit der Korruption Schluss zu machen. Dies ist eine bis ins Mark korrupte Regierung. Sie ist strukturell unfähig, mit den Schwarzgeschäften in der Pdvsa und anderen staatlichen Institutionen aufzuräumen, da ihre sichtbaren Spitzen bis zum Hals in den millionenschweren Schieberein stecken. Wie die Ex-Volksstrafverteidigerin Gabriela Ramírez sagte, «ist die Korruption im Chavismus nichts Neues». Man muss sich nur an die Fälle von verfaulten Lebensmittel erinnern; an die Korruption im Plan Bolívar 2000; Cenxoex; Cadivi; die hübschen kleinen Elektrizitätswerke, die während der Elektrizitätskrise von 2008 gekauft wurden, wo Leute aus dem Umfeld des Unternehmerverbandes MUD involviert waren, wie etwa der Schwager von Ramos Allup und andere Unternehmer wie auch an die Verträge mit Odebrecht, unter vielen anderen Fällen.

Was die Korruptionsvorwürfe und das «Saubermachen» in der Pdvsa erklärt, ist die brutale wirtschaftliche und soziale Krise, die das Land durchzieht, mit ihren logischen politischen Auswirkungen.

Der Kuchen der Schiebereien rund um die Pdvsa wird kleiner und reicht nicht mehr aus, um zwischen allen bürokratischen Gruppen, die in der Regierung und in der Psuv emporwuchern, aufgeteilt zu werden. Zur Zeit des wirtschaftlichen Gedeihens gab es genug für alle; diese Zeiten aber sind vorbei. Nun setzen sich die Stärkeren gegen die Schwächeren durch. Deshalb versuchen Maduro, Diosdado, deren näheres Umfeld und ganz besonders die Streitkräfte, sich die Kontrolle über den Staatsapparat und die Pdvsa, und damit über alle Schiebereien zu sichern.

Dies erklärt den Versuch Maduros, aus der Pdvsa alle Überreste der Zeit von Ramírez zu eliminieren; die Pdvsa, als Hauptindustrie des Landes, ist die Quelle beinahe aller Devisen, die in unser Land gelangen.

Das wirkliche Erbe von Chávez

Die Arbeiterklasse, die unter den harten Schlägen der grössten sozialen Tragödie seit über 90 Jahren leidet, muss wissen, dass diese Fäulnis der Korruption das wahre Erbe von Chávez ist. Ramírez war über mehr als zehn Jahre der allmächtige Erdölzar, dank der uneingeschränkten Unterstützung, die ihm Chávez gewährte.

Der Diebstahl am venezolanischen Volk vollzog sich unter den Augen von Präsident Chávez, und wir hegen keinen Zweifel, dass dies mit seinem Wissen geschah. Chávez liess sie gewähren, um sie für seine Führung loyal zu halten.

Die Aussage der Regierung, dass die schurkenhaften Manager der Pdvsa in Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Botschaft einen stillen Produktionsstopp planen würden, ist absurd. Die Sache ist einfach. Es sind einfach vulgäre Schurken, die unter dem Schutz der Regierung sich Millionen von Dollar unter den Nagel reissen, während die Arbeiterklasse weiter durch den Hunger geht, ohne Nahrung, ohne Medikamente, mit durch die Hyperinflation zerstörten Löhnen, mit öffentlichen Dienstleistungen, die am Boden liegen, ohne Gesundheitsversorgung und ohne Bildungssystem, mit einer Industrie und der Pdvsa, die in Stücke fallen.

Alles, wie wir dies vorhergesehen haben; es braucht nichts mehr, um zu beweisen, dass die Regierung Maduro die logische Fortsetzung von Chávez ist. Es handelt sich um den gleichen Fehlschlag.

Für eine zu 100 % venezolanische Erdölindustrie

Die Korruption ist Teil des nachgiebigen Charakters der Regierung Maduro, die pünktlich die Schuldendienste bezahlt, auf Kosten der Importe von Nahrungsmitteln und Medikamenten. Mit totaler Unverschämtheit gesteht die Regierung ein, dass sie über die vergangenen 36 Monate 73 Milliarden Dollar bezahlt habe. Sie übergab die Arco Minero del Orinoco an multinationale Konzerne, wie sie schon früher, unter Chávez, die Faja Petrolera del Orinoco an Chevron, Statoil, Total, Repsol, Gazprom etc. mittels gemischter Unternehmen ausgeliefert hat.

Diese unverfrorene Aushändigung unserer Souveränität und die entfesselte Korruption erklären die soziale Tragödie, die die venezolanische Arbeiterklasse heute durchlebt.

Die einzige Art, um mit der Korruption und der Aushändigung unserer wichtigsten Reichtümer fertig zu werden, besteht in der Wiederaufnahme des Weges, die die Erdölarbeiter 2002 zusammen mit den Gemeinden einschlugen, indem sie die Pdvsa während des Produktionsstopps wieder zum Laufen brachten. Ein Weg, der bedauerlicherweise verlassen wurde, als die Regierung Chávez der Arbeiterklasse die Kontrolle über die Pdvsa entzog, um sie korrupten Militärs und Beamten zu übergeben.

Für unsere Partei Socialismo y Libertad kann das Debakel der Pdvsa und der Einkommen der Arbeiterklasse nur behoben werden, wenn das Erdöl zu 100 % staatlich ist, ohne Mischkonzerne und multinationale Konzerne, und ein alternativer ökonomischer und sozialer Plan durchgezogen wird, wobei unsere wichtigste Industrie durch ihre Arbeiter, Techniker und Kader demokratisch verwaltet wird. Indem die Auslandsschulden nicht mehr bedient werden und die umfangreichen Einnahmen aus dem Erdöl in den Dienst der Löhne, der Nahrung, der Medikamente, der Renten, der Gesundheitsversorgung, der Bildung, der Agrarreform gestellt werden und die Ländereine den armen Bauern übergeben werden und so ein Agrarnotfallplan eingeleitet wird, um die Nahrungsmittelproduktion anzukurbeln; dabei sollen die Teile der Pdvsa und die Basisindustrien in Guayana wieder zurückgeholt werden.

Damit dies gelingen kann, muss sich das Volk und die Arbeiterklasse mobilisieren. Wir müssen auf die Strasse gehen, um der Hunger schaffenden und repressiven Regierung Maduro und ihrem brutalen Abbauprogramm entgegenzutreten.

Quelle: laclase.info… vom 6. Dezember 2017; Übersetzung durch Redaktion maulwuerfe.ch

 

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