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US-Arbeitsunruhen könnten in grosse Kampfwelle führen

Eingereicht on 4. Oktober 2021 – 16:15

“Von der Gesundheitsfürsorge bis nach Hollywood fordern die Arbeitnehmer höhere Löhne, kämpfen gegen Kürzungen und streben nach besseren Sicherheits- und Arbeitsbedingungen. Zehntausende von Arbeitnehmern in den USA könnten in den kommenden Wochen in den Streik treten. Dies wäre die größte Welle von Arbeitsunruhen seit einer Reihe von Lehrerstreiks in den Jahren 2018 und 2019, bei denen wichtige Siege errungen wurden und die der amerikanischen Arbeiterbewegung erheblichen Auftrieb gaben. Die Unruhen erstrecken sich über ein breites Spektrum von Branchen, vom Gesundheitswesen bis hin zu Hollywood und der akademischen Welt, und konzentrieren sich weitgehend auf höhere Löhne, den Kampf gegen Kürzungen und bessere Arbeits- und Sicherheitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Covid-19. Sie spielt sich auch vor dem Hintergrund einer Wirtschaft ab, die sich von den schweren Erfahrungen der weit verbreiteten Wirtschaftsstillstände während der Coronavirus-Pandemie erholt hat, die aber immer noch von großer Ungleichheit geprägt ist. Die Pandemie wird jedoch auch als potenzieller Impuls für die US-Gewerkschaften gesehen, da sie angesichts der zunehmenden gewerkschaftlichen Bestrebungen und des Arbeitskräftemangels in einigen Branchen ihre Verhandlungsposition stärken…” So beginnt der (engl.) US-weite Überblick von Michael Sainato am 1.10.2021 in The Guardian online, siehe zum Hintergrund: 

“… Nach einem deutlichen Knick zu Beginn der Covid-Krise im vergangenen Jahr verzeichnet der S&P-500-Index wieder Rekordwerte und steht aktuell bei knapp 4.170 Punkten. Doch der Aufschwung hat einen Haken: Der Boom kommt größtenteils den Wohlhabenden zugute. Den reichsten zehn Prozent der US-Bevölkerung gehörten zu Beginn der Krise mehr als 87 Prozent der Aktien. (…) Doch der überschaubaren Zahl der Krisengewinner stehen Millionen Verlierer gegenüber. Wie so häufig handelt es sich dabei vornehmlich um die Armen im Land. Vor allem der Stillstand im Hotel- und Gastgewerbe hat zu einem Einbruch der Beschäftigtenzahlen im Niedriglohnsektor geführt, der bis heute nicht abgeklungen ist. Um zeitweise mehr als 37 Prozent sank die Beschäftigtenzahl bei den Arbeitnehmern, die weniger als 27.000 Dollar im Jahr verdienen. Und noch immer liegt sie knapp 30 Prozent unter dem Vorkrisenniveau (…) Und mit der Arbeitslosigkeit kam für viele US-Amerikaner die Armut. Unter den Menschen, die lediglich einen High-School-Abschluss erreicht haben, stieg die Armutsrate von 16,7 Prozent im vergangenen Juni auf 21,8 Prozent im Februar. (…) Laut Daten der Bundesregierung hatten 29 Prozent der US-Haushalte Ende März Probleme, laufende Ausgaben zu bezahlen. Besonders betroffen sind Minderheiten….” Analyse von Jörg Wimalasena vom 17. April 2021 in der Zeit online und dazu:

  • Sparmaßnahmen und Stellenkürzungen bedrohen amerikanische Arbeiter*innen im öffentlichen Dienst 

Die Situation von Arbeiter*innen des öffentlichen Dienstes in den USA hat sich durch COVID-19 noch verschlimmert. Seit Beginn der Pandemie wurden im öffentlichen Dienst 800.000 Arbeiter*innen die Stellen gekürzt. Häufig treffen diese Kürzungen Arbeiter*innen, welche kurz davor stehen Pensionsansprüche zu erhalten, und so nach Jahrelanger Arbeit, plötzlich ohne Krankenversicherung oder Rentenansprüche dastehen. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sowie Budget-Verschlankungen führen außerdem für viele Arbeiter*innen zu stagnierenden Löhnen, die mit steigenden Lebenserhaltungskosten nicht mehr mithalten können. “Ich kann nicht über die Runden kommen. Ich kann mein Kind nicht ernähren. Ich kann keine Wohnung für mich und meine Tochter finden. Ich kann nicht überleben. Ich bin dabei, mir ein Auto zu besorgen, damit ich eine weitere Vollzeitstelle bekommen kann, denn ich brauche eine weitere Vollzeitstelle, um zu überleben.“ (übersetzt aus dem Englischen) erzählt die Museumsangestellte Louise Ortiz. Eine Problematik die durch eine nur schwach ausfallende Erholung der Corona-Folgen im öffentlichen Sektor nur noch verschärft wird… Aus dem englischen Artikel von Michael Sainato für den Guardian, gespiegelt am 22.09.2021 bei Portside (“We’re Trying to Survive’: Workers Face Cuts as US Public Sector Lags in Recovery”)

  • Die Grenzen der Arbeitskraft. Während der Pandemie sind die Arbeitsbedingungen im US-Niedriglohnsegment in vielen Firmen unmenschlich geworden
    “Seit Monaten gibt es Berichte darüber, dass US-Unternehmen keine Arbeitskräfte mehr finden. Selbst Einstiegsprämien helfen wenig. Grund seien die von der US-Regierung ausgegebenen großzügigen Corona- und Arbeitslosenhilfen. So würden sich vor allem Menschen in den untersten Lohngruppen lieber einen faulen Lenz machen, als sich weiter um Arbeit zu bemühen und so den Post-Corona-Aufschwung behindern. Einige Berichte aus den USA vermitteln allerdings ein ganz anderes Bild. Zum Beispiel, dass viele Menschen jetzt Zeit brauchen, um sich zu erholen. Oder, um sich nach einer gänzlich anderen Beschäftigung umzusehen. Denn die Arbeitsbedingungen von Mindestlohnverdienern haben sich durch die Pandemie drastisch verschlechtert. (…) Davon berichtet zum Beispiel die Arbeiterin Cheri Renfro im Podcast «Working People» von «The Real News». Renfro arbeitet seit neun Jahren in einer Fabrik von Frito-Lay in Topeka im US-Bundesstaat Kansas. Frito-Lay gehört zu PepsiCo und ist einer der grössten US-Hersteller von Kartoffel- und Maischips wie die in den USA bekannten Marken Doritos und Cheetos. Das heisst, momentan arbeitet Renfro nicht. Seit dem 5. Juli streikt sie für bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen. Diese, beschreibt sie, hätten sich während der Pandemie so drastisch verschlechtert, dass sie kaum noch auszuhalten seien. (…) Inzwischen seien weit über 40 Wochenstunden das Standardpensum. (…) In anderen Niedriglohnarbeitsplätzen sieht es allerdings nicht sehr viel besser aus. Auch Angestellte anderer Unternehmen brachte die Pandemie an die Grenzen der menschlichen Belastbarkeit. Dabei waren die Arbeitsbedingungen schon vorher teils haarsträubend. Immer wieder in die Schlagzeilen gelangen beispielsweise die Umstände in den Amazon-Warenhäusern, inklusive einiger Super-Spreading-Events. (…) In Kansas, wo Frito-Lay produziert und Cheri Renfro streikt, liegt der Mindestlohn bei 7,25 Dollar pro Stunde. Die Durchschnittsmiete für zwei Zimmer liegt bei 874 Dollar im Monat. Wenn die Miete 30 Prozent des Einkommens nicht übersteigen soll, können selbst zwei Mindestlohnempfänger diese Miete nicht bezahlen. Zusätzlich steigen die Wohnkosten derzeit stark an. Mehrere US-Organisationen sind in grosser Sorge, weil ein Corona-bedingtes Räumungsmoratorium, das von der US-Regierung mehrmals verlängert wurde, Ende Juli endgültig ausläuft.”Beitrag von Daniela Gschweng vom 17. August 2021 beim gewerkschaftsforum.de

Quelle: labournet.de… vom 4. Oktober 2021

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