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US-Vorwahlen: Das Problem ist die Partei

Eingereicht on 26. April 2016 – 8:37

Stephan Kimmerle, Seattle. Mehr als 10.000 Unterzeichner richten sich mit einem eindeutigen Appell an Bernhard »Bernie« Sanders: »Bernie, tritt im November als Unabhängiger an!« fordern seine Anhänger mit Blick auf den Verlauf der Vorwahlen der Demokratischen Partei. Mit 58 Prozent für Hillary Clinton und 42 Prozent für den selbsterklärten »demokratischen Sozialisten« in den Vorwahlen der Demokraten im Bundesstaat New York am Dienstag vergangener Woche hatte der Senator aus Vermont eine deutliche Niederlage einstecken müssen. Kshama Sawant, Stadträtin für die trotzkistische Partei Socialist Alternative in Seattle und bislang einzige als bekennende Sozialistin gewählte Mandatsträgerin in den USA, hatte die Unterschriftenaktion gestartet. »Nicht Bernies Vorschläge zur Verbesserung der Situation von arbeitenden Menschen sind das Problem. Sein Programm mobilisierte Millionen, für ihn zu spenden«, erklärte Sawant. »Das Problem ist die Demokratische Partei.«

Formal geht Sanders’ Widersacherin Hillary Clinton mit ihrem weiter ausgebauten Vorsprung an Parteitagsdelegierten gestärkt aus der Abstimmung in ihrer Wahlheimat New York hervor, die sie von 2001 bis 2009 im US-Senat vertrat. Doch rund um die bislang härteste Runde im Vorwahlmarathon durch alle 50 Staaten ist für die Sanders-Unterstützer erneut klargeworden, welch feindliches Terrain die Demokratische Partei für einen Kandidaten darstellt, der den US-weiten Mindestlohn verdoppeln und kostenlose Bildung sowie Gesundheitsversorgung für alle durchsetzen will. Sanders selbst hält bislang allerdings noch an der Hoffnung fest, die Vorwahlen der Demokraten gewinnen zu können. Gleichzeitig verkündete er, im Fall einer Niederlage Hillary Clinton gegen die Republikaner unterstützen zu wollen.

Als »Schlacht um New York« hatten Aktivisten von Occupy Wall Street die Vorwahlen bezeichnet und eine nach der Protestbewegung benannte, kostenlose Zeitung herausgebracht, um Sanders zu unterstützen. Mehrere Großveranstaltungen mit dem Kandidaten in New York City zogen Zehntausende an, während sich Clintons Unterstützer in kleineren Hallen versammelten. Doch abstimmen durften schließlich nur diejenigen, die sich schon im letzten Oktober als »Demokraten« hatten registrieren lassen. Damals rechnete kaum jemand mit dem Senator aus Vermont. Zudem, so die Sanders-Unterstützer, wurden Wählerlisten gesäubert und zahlreiche Wähler wieder nach Hause geschickt, da sie angeblich nicht wahlberechtigt waren.

Clinton wird im Wahlkampf nicht nur von den etablierten Medien, sondern auch von sogenannten Super-PACs unterstützt. Das sind hauptsächlich von Konzernen gefütterte Wahlkampffonds, für die keine Spendenobergrenze existiert. Dass Sanders trotzdem solche Unterstützung in Massenveranstaltungen verbuchen kann, dass ein Kandidat mit durchschnittlich 27 Dollar pro Spende mit dem von Konzernen finanzierten Clinton-Apparat mithalten kann – all das eröffnet eine neue Debatte um linke Politik in den USA. »Ich denke, dass wir sehr ernsthaft darüber nachdenken müssen, speziell als Menschen nichtweißer Hautfarbe und als Fortschrittliche, entweder eine neue Partei oder eine neue Bewegung aufzubauen«, so Michelle Alexander, Autorin und Inspiratorin der neuen schwarzen Bürgerrechtsbewegung.

Rund um den 18. Juni, nach den Vorwahlen und vor den Wahlparteitagen, soll in Chicago ein »People’s Summit«, ein Gipfeltreffen des Volkes, stattfinden. Dort sollen weitere Schritte in Richtung der von Sanders ausgerufenen »politischen Revolution« unternommen werden. Unterstützt wird der Gipfel von der kämpferischen nationalen Krankenpflegegewerkschaft NNU sowie von verschiedenen linken Organisationen.

Quelle: Junge Welt vom April 2016

 

 

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