IWF-Prognose: Deutschland rutscht in die Rezession, Russlands Wirtschaft wächst
Ralf Streck. Der Internationale Währungsfonds hat den Daumen über Deutschland weiter gesenkt und erwartet eine Rezession, die sanktionierte russische Wirtschaft wächst dagegen deutlich stärker als erwartet, dabei sollte die doch „ruiniert“ werden.
Lange hatte auch der Internationale Währungsfonds (IWF) die negativen Auswirkungen der Sanktionen auf die russische Wirtschaft überbewertet oder die Finanzorganisation wollte mit besonders negativen Prognosen den Druck auf Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine erhöhen. Noch im vergangenen Juli 2022 ging der IWF davon aus, dass die russische Wirtschaft 2023 um 3,5 Prozent einbrechen werde. „Die russische Wirtschaft fällt um Jahre zurück“, titelt zum Beispiel die Bundesregierung und zitierte Birgit Schmeitzner. Die Pressesprecherin der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland bezog sich noch im vergangenen Oktober auf das Herbstgutachten der Weltbank, wonach die russische Wirtschaft 2023 „wohl 3,6 Prozent“ schrumpfen soll.
Der IWF hatte seine vorhergehende absurde Prognose im Herbstgutachten allerdings schon auf ein immer noch absurdes Minus von 2,3 Prozent abgemildert. Auch diese haltlose Einschätzung wurde dann im Januar kassiert, als die Washingtoner Finanzorganisation dem Land sogar ein Wachstum von 0,3 Prozent vorhersagte. Im aktuellen Frühjahrsgutachten wurden daraus nun sogar 0,7 Prozent. Aus der Annahme, dass die Wirtschaft in dem Land 2022 sogar um 4,5 Prozent schrumpfen sollte, wurde auch nichts. Nun geht man in Washington von eher moderaten 2,1 Prozent aus. Für 2024 sagt der IWF vorher, dass die russische Wirtschaft um 1,3 Prozent wachsen soll. Damit wurde die vorherige Prognose für 2024 allerdings um 0,8 Punkte gesenkt. Ob diese Vorhersage angesichts der ständigen Korrekturen nach oben eintreffen wird, darf bezweifelt werden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch, wie in den deutschen Medien über diese IWF-Prognose berichtet wird. „Zeit Online“ sagt nur am Ende des Artikels lapidar, dass der IWF mit „einem Plus“ neben China auch für Russland rechnet. So soll die chinesische Wirtschaft im laufenden Jahr um 5,2 Prozent zulegen. Und für Russland gibt man sogar zu, dass der IWF die Prognose für das Land sogar „deutlich“ heraufgesetzt hat. „Die Ökonomen rechnen trotz der Kosten des Angriffs auf die Ukraine und der westlichen Sanktionen mit einem Wachstum von 0,7 Prozent – das sind 0,3 Prozentpunkte mehr als noch im Januar prognostiziert“, schreibt das Blatt. Leider ist sogar diese Aussage nicht korrekt, denn heraufgesetzt wurde um 0,4 Punkte, da im Januar nur 0,3 Prozent prognostiziert wurden.
Richtig lächerlich macht sich das Manager Magazin. Das Blatt benutzt das gleiche Adjektiv „leicht“ für zwei ziemlich unterschiedliche Werte. So stellt das Magazin in der Unterüberschrift dar, dass „das russische BIP sogar leicht“ zulegen soll – „trotz der Sanktionen“, während die deutsche Wirtschaft „sogar leicht schrumpfen“ soll. Es ist schlicht absurd, wenn das Blatt von einer „leicht“ schrumpfenden deutschen Wirtschaft um 0,1 Prozent schreibt, aber auch leicht für das deutliche Wachstum von 0,7 Prozent für Russland verwendet.
Business Insider setzt dagegen den Schwerpunkt in seinem Bericht deutlich anders und titelte korrekt: „IWF hebt Prognose für Russlands erneut an: Putins Wirtschaft wächst stabil, während Euro-Schusslicht Deutschland schrumpft.“ Und hier wird auch herausgestrichen, dass der IWF bisher ziemlich pessimistisch prognostiziert hatte. Es wird hervorgehoben, dass die von den USA dominierte Finanzorganisation ihre Prognose für Russlands Wirtschaft „abermals nach oben“ korrigieren musste. Verwiesen wird auch darauf, dass der IWF zum „dritten Mal in Folge“ seine Vorhersage „kräftig“ anheben musste und nun dem Land ein Wachstum wie „wie in der Euro-Zone“ zutraut.
Der Währungsfonds hatte für die Weltwirtschaft schon im Januar eine düstere Prognose herausgegeben. Diese negative Prognose wurde insgesamt in Washington weiter nach unten korrigiert, ohne die besseren Prognosen für China und Russland wäre die Aussicht noch finsterer ausgefallen. Der IWF spricht von einer holprigen Erholung der Weltwirtschaft: „Die Aussichten sind angesichts der Turbulenzen im Finanzsektor, der hohen Inflation, der anhaltenden Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine und der dreijährigen COVID-Krise erneut unsicher“, ist der neue Konjunkturbericht überschrieben.
Fatale Prognose für die Ampel
Der wurde zur Frühjahrstagung des IWF vergangene Woche vorgestellt. Die Lage der Weltwirtschaft sei sehr angespannt, deshalb werde sie sich auch nur langsam erholen, sagen die IWF-Experten vorher. Statt wie im Vorjahr um 3,4 Prozent zu wachsen, sollen es im laufenden Jahr sogar nur noch 2,8 Prozent sein. Wie schon angesprochen hatte der IWF für Deutschland besonders schlechte Nachrichten im Gepäck, denn Deutschland schneidet im Vergleich zu anderen Industrieländern besonders schlecht ab. So haben die IWF-Experten ihre Prognosen für Deutschland im Vergleich zur Vorhersage aus dem Januar erneut nach unten korrigiert. Statt einem schwächlichen Wachstum um 0,1 Prozent, soll die Wirtschaft um 0,1 Prozent schrumpfen. Ob es dabei letztlich bleiben wird, oder ob die Rezession nicht deutlich tiefer geht, bleibt abzuwarten. Das hängt auch von der Entwicklung im Ukraine-Krieg ab.
Das ist eine fatale Prognose für die deutsche Ampel. Nach den IWF-Vorhersagen steht unter den großen Industrieländern nur Großbritannien noch schlechter da, das längst in einer Stagflation hängt, wie man die gefährliche Situation nennt, wenn eine hohe Inflation mit einer stagnierenden oder schrumpfenden Wirtschaft zusammentrifft. Für Großbritannien wird sogar ein Minus von 0,3 Prozent erwartet. Die Aussicht ist für Deutschland mit einem Plus von 1,1 im kommenden Jahr ebenfalls nicht rosig und erneut schlechter als die Prognose für Russland. Auch im kommenden Jahr soll nur das Königreich mit 1,0 Prozent noch schlechter abschneiden.
Ein deutliches Wachstum ist aber auch in den anderen EU-Staaten und in den USA nicht zu erwarten. Die Abschwächung der Konjunktur konzentriere sich aktuell auf fortgeschrittene Länder, schreibt IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas in seinem Blogeintrag zum World Economic Outlook (WEC). „Wir treten in eine riskante Phase ein, in der das Wirtschaftswachstum im historischen Vergleich niedrig bleibt und die finanziellen Risiken zugenommen haben, ohne dass die Inflation bereits eine entscheidende Wende genommen hat“, führt er aus. Was passiert, wenn wieder reihenweise Banken zusammenbrechen und gerettet werden, steht auf einem anderen Blatt. Auszuschließen ist das allerdings nicht, da die Probleme mit den wegen der hohen Inflation steigenden Leitzinsen zunehmen.
Der IWF-Chefvolkswirt stellt zwar fest, dass die Inflation „langsam“ zurückgeht, aber trotz allem „bleibt das Wirtschaftswachstum historisch niedrig“, während gleichzeitig „die finanziellen Risiken weiter gestiegen sind“. Das schreibt er in Bezug auf die neue (alte) Bankenkrise, denn tatsächlich ist die neue Bankenkrise nur die Fortsetzung der alten Krise, die seit 2008 schwelt. Die ist bekanntlich wieder deutlich in der USA mit Bankenpleiten aufgebrochen und mit der Rettung der Credit Suisse auch längst in Europa angekommen.
Ein zentrales Problem für den IWF ist, dass sich die Inflation als erheblich hartnäckiger erweist, als auch er angenommen hatte. Dass der Ölpreis zuletzt wieder deutlich gestiegen ist, in einem Monat zwischen 15 und 20 Prozent, lässt sogar einen Wiederanstieg der Inflation erwarten. Der höhere Ölpreis spült erneut mehr Geld auch in die russische Kriegskasse und hebt das Bruttoinlandsprodukt. Die offizielle Inflationsrate liegt im Euroraum noch immer bei 6,9 Prozent, in Deutschland liegt sie sogar noch fast einen Punkt darüber.
Die Jubel-Parolen der Bundesregierung haben sich als Propaganda herausgestellt
Die Kerninflationsrate war ohnehin schon bedrohlich hoch. Sie ist trotz der Verringerung der allgemeinen Inflation, da die Energiepreise gefallen sind, sogar weiter auf 5,6 Prozent gestiegen. Aus dieser Quote werden schwankungsanfällige Preise für Energie und Lebensmittel herausgerechnet. Besonders auffällig ist hier erneut der Artikel in Zeit Online. So heißt es dort in einer Bildunterschrift: „Anders als der IWF rechnen die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute mit einem leichten Plus für die hiesige Wirtschaft.“ Auf wen man sich dabei bezieht, wird nicht gesagt.
Dabei hatte zum Beispiel auch das Ifo-Institut kürzlich von einer „stagnierenden“ Wirtschaft gesprochen. „Demnach wird die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr in etwa auf der Höhe des Vorjahres verharren (-0,1%).“ Das ist praktisch genau die IWF-Prognose. Business Insider hatte auch bei dieser Frage die verschiedenen Prognosen zusammengestellt, wo allerdings noch die alte IWF-Prognose mit einem winzigen Wachstum von 0,1 Prozent aufgeführt ist. Außer der Bundesregierung und der EU-Kommission unter Führung der Deutschen Ursula von der Leyen prognostiziert praktisch aber praktisch niemand etwas anderes als der IWF.
Die Jubel-Parolen der Bundesregierung haben sich derweil als Propaganda herausgestellt. Da hatte doch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Januar tatsächlich noch eine mögliche Rezession in Deutschland „abgesagt“. Doch es kam, wie wir gesehen haben, ganz anders, als uns weisgemacht werden sollte. Schon mit der ersten Schnellschätzung der Statistischen Bundesamts (Destatis) wurde für das vierte Quartal 2022 eine leicht schrumpfende Wirtschaft für Deutschland diagnostiziert.
Offensichtlich hatte man sich aber auch in Wiesbaden von Habecks haltlosen Prognosen beeindrucken lassen. Doch letztlich musste Destatis dann feststellen, dass die Schrumpfung mit 0,4 Prozent sogar doppelt so hoch ausgefallen ist, als anfänglich für das letzte Quartal 2022 angenommen worden war. Das zeigte eine peinliche Korrektur schließlich. Es ist davon auszugehen, dass sich das erste Quartal 2023 nun ganz ähnlich verhalten hat, womit Deutschland schon in der Rezession wäre. Wir dürfen auf die erste Schnellschätzung Ende des Monats und die mögliche Korrektur Mitte nächsten Monats gespannt sein.
Interessant ist aber auch, wie Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mit den schlechten Botschaften aus Washington umgeht, da der IWF die wenig realistischen Prognosen der Bundesregierung nicht stützen will. Er ist unzufrieden mit der IWF-Prognose. „Der Internationale Währungsfonds ist sehr pessimistisch“, verkündete der FDP-Vorsitzende aus Washington. Die Prognose sei „sehr vorsichtig“, verklärte er diplomatisch, wie entsetzt er über die Vorhersage ist. Sie decke sich nicht mit der optimistischeren Vorhersage der Bundesregierung. Er ließ sogar durchblicken, dass sich die Ampel-Koalition bei der nächsten Aktualisierung ihrer Wirtschaftsprognosen bald noch zuversichtlicher geben werde. Allerdings gab er auch zu: „Deutschland entwickelt sich nicht so gut wie andere.“ Was übersetzt heißt, dass sich Deutschland, wie oben aufgezeigt, eher schlecht entwickelt und dabei unter den großen Industrieländern nur vom gebeutelten Großbritannien noch übertroffen wird.
Hat die Entwicklung in Deutschland vielleicht auch etwas mit den Russland-Sanktionen zu tun? Sollten die Sanktionen nicht „Russland ruinieren“, wie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock vor gut einem Jahr herumposaunt hatte? Seither wurden nun insgesamt zehn Sanktionspakete geschnürt, aus denen mit Blick auf die Atomindustrie in Frankreich allerdings die Urangeschäfte stets ausgeklammert werden Doch die Sanktionen verfehlen ganz offensichtlich ihr Ziel. Die Frage, die sich ein Jahr später stellt, ist: Wer wird hier ruiniert und wer trägt dafür die Verantwortung?
#Bild: Länder in Orange wird ein negatives Wirtschaftswachstum vorhergesagt. Bild: IWF
Quelle: overton-magazin.de… vom 21. April 2023
Tags: Deutschland, Europa, Politische Ökonomie, Russland, Ukraine, USA
Neueste Kommentare