Die Regierung von Präsident Peña Nieto hat versucht, den Widerstand der Beschäftigten im Bildungssektor des Landes, vor allem des Unterrichtspersonals in den Primarschulen, zu zerschlagen. Sie wollte die LehrerInnen zwingen, sich einer Beurteilung zu unterziehen, die praktisch einem Strafexamen gleichkommt, denn deren Ziel ist, diejenigen zu entlassen, bei denen davon auszugehen sein soll, dass sie es nicht schaffen. Dieser Test befolgt die marktorientierten Kriterien, die mit den Privatisierungen auf einer Linie liegen, die die neoliberalen Regierungen in Mexiko in allen Bereichen vorantreiben. So enthält die Beurteilung Kriterien, die keine Rücksicht auf die regionalen und kulturellen Besonderheiten des Landes nehmen; sie zielt darauf ab, den Unterricht durch Ausschaltung dieser Besonderheiten zu normalisieren. Dabei werden die indigen LehrerInnen aufs Korn genommen, die eine andere Sprache als das Spanische sprechen, wenn das eine indigene Sprache und nicht Englisch ist. Dieser diskriminierende Inhalt der Beurteilung ist ein Vorwand für Entlassungen von LehrerInnen.
Die Bewegung gegen die Bildungsreform beschloss, trotz der Entlassungsdrohungen, die auf denen lasten, die sie nicht bestehen, derartige Prüfungen zu verweigern.
Die Regierung weigert sich, mit der Bewegung gegen diese Reform Gespräche zu führen, sie zieht offene Repression gegen immer größere Teile des Unterrichtspersonals vor, insbesondere gegen die Nationale Koordination gegen die im Bildungswesen Beschäftigten (Coordinadora Nacional de los Trabajadores de la Educación, CNTE) in den Staaten Oaxaca, Guerrero, Chiapas und Michoacán. In den übrigen Staaten der Republik organisiert sich diese Opposition in anderen Gewerkschaftsströmungen.
Seit einigen Wochen hat die offizielle Repression zugenommen. Zuerst haben Entlassungen eingesetzt oder ist die Auszahlung der Gehälter von Tausenden von Beschäftigten ausgesetzt worden, die nicht zu den Prüfungen erschienen sind und die sich an den Streiks beteiligt haben, die von den Gewerkschaftsgliederungen organisiert wurden. Vor kurzem sind führende GewerkschafterInnen ins Gefängnis gesteckt worden – davon sind nicht nur Personen betroffen, die bei der Repression gegen Mobilisierungen verhaftet worden sind, sondern auch andere, die aufgrund von Haftbefehlen in ihren Wohnungen festgenommen und in weit von ihren Wohnorten entfernte Gefängnisse verbracht worden sind. Dies gilt für den Generalsekretär der Gewerkschaftssektion 22 von Oaxaca, Ruben Núñez, der in einem Bundesgefängnis im Staat Sonora, der im Norden liegt, inhaftiert ist.
Das Schlimmste ist am letzten Wochenende passiert, als Tausende von Bundespolizisten im Staat Oaxaca Demonstrationen und Blockaden von mehreren Straßen angegriffen haben. Am Sonntag, den 19. Juni, sind mindestens sechs Protestierende getötet worden, Dutzende wurden verletzt und verhaftet. Vor kurzem haben sich die Eltern von SchülerInnen und SchülerInnen der Bewegung der LehrerInnen und ihrem Kampf angeschlossen. Zielscheibe der Repression an diesem Wochenende waren also nicht nur die Beschäftigten im Bildungsbereich, sondern alle organisierten Sektoren der Bevölkerung, vor allem die Eltern, die die LehrerInnen ihrer Kinder unterstützen.
Die Lage verschärft sich, denn im Laufe der folgenden Stunden hat sich die Repression auf andere Regionen des Landes ausgeweitet. Am Montag, den 20. Juni, sind selbst in Mexiko-Stadt die TeilnehmerInnen einer Versammlung zur Solidarität mit Oaxaca von der Polizei angegriffen worden.
Es ist dringend, dass der Repression Einhalt geboten wird und dass der Kampf der LehrerInnen in Mexiko gegen die sogenannte Bildungsreform unterstützt wird. Die Regierung spricht davon, dass sie einem Dialog mit der Bewegung zustimmen wird, wenn diese der „Reform“ zustimmt; das ist absurd, denn die LehrerInnen wollen ja gerade eben über ihre Kritik an dieser Reform diskutieren. Die Regierung ist in Wirklichkeit auf nichts anderes aus als die Unterwerfung der LehrerInnen unter ihre Bedingungen.
Im Moment ist internationale Solidarität mit der Bewegung der mexikanischen LehrerInnen wesentlich. Sie kann an die Solidarität anknüpfen, die es in den letzten Monaten mit der Bewegung für das Wiederauftauchen der 43 SchülerInnen der Bildungsanstalt in Ayotzinapa gegeben hat, an der LehrerInnen für Schulen auf dem Land und für Indigene ausgebildet werden. Denn genau auf solche Schulen und auf solche LehrerInnen zielt die „Reform“ ab, mit der die Bildung den Kriterien kapitalistischer Effizienz unterworfen werden soll.
Die internationale Solidaritätsbewegung mit den Kämpfen des mexikanischen Volks sollte in verschiedenen Formen zum Ausdruck gebracht werden – mit Erklärungen, Kundgebungen vor den mexikanischen Konsulaten und Botschaften, Protesten gegen Staatsbesuche von Peña Nieto. Der ganzen Welt sollte gezeigt werden, dass das mexikanische Volk in diesem Kampf nicht alleine ist und dass wir überall fordern, dass mit der Repression in Mexiko Schluss gemacht wird und dass die neuen politischen Gefangenen freigelassen werden – die aktiven und die leitenden GewerkschafterInnen, die sich gegen die „Bildungsreform“ stellen.
20. Juni 2016; aus dem Französischen übersetzt von Friedrich Dorn.
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